31 Aug2012
LKWs statt Weinstock-Idyllle
Winzerer darf kein Winzer werden

Landschaftsschutzgebiet und Erholungszone für gestresste Städter: die Winzerer Höhen, Blick auf den Stadtwesten. (Foto: hb)
Wo die Stadt selbst winzert…
Beides glaubt man auf den Winzerer Höhen zu finden. Ein Landschaftsschutzgebiet hoch über der Stadt, darunter Wald, dahinter Wiesen und Felder. Zwischendrin der eine oder andere kleine Weinberg. Dem allgemeinen Verständnis zufolge hat Winzer sogar seinen Namen vom Weinanbau. Das ist naheliegend und wird sowohl durch die dortige Weinkultur im Hier und Heute als auch durch die Geschichte bestätigt: Die Römer sollen hier schon Wein angebaut haben, der Stadtwein „Salutaris“ des Gartenamtes hat seinen Namen nach dem römischen Vermächtnis in Winzer. Ein römisches Steindenkmal in Winzer, das den Vornamen eines Soldaten preisgibt und an den antiken Weinbau erinnert, ist das Vorbild hierfür. Und nicht nur die Weine privater Klein-Winzer gedeihen hier hervorragend, auch dem Stadtwein scheint die sonnige Südhanglage gut zu tun.…darf das ein Winzerer noch lange nicht
Doch das Privileg, in Winzer Winzer sein zu dürfen, wird nicht jedem zuteil. Karl Brunnbauer zum Beispiel, seit einigen Monaten Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Stadtamhof-Steinweg-Winzer, wäre gern Winzer in Winzer oder würde wenigstens gerne einem potenziellen Pächter seines Hangs im mutmaßlichen Weinanbaugebiet diese Möglichkeit geben.
Auch dieses kleine Grundstück mit Weinstöcken, das einem Hobby-Winzer aus Regensburg gehört, soll verschwinden, wenn es nach dem Willen der Stadt geht, berichtet Karl Brunnbauer. (Foto: hb)
Trügerische Ruhe
Auch mit der bislang so geschätzten Ruhe war es in Winzer in den vergangenen Monaten erst einmal vorbei. Wer glaubte, er könne sich in aller Seelenruhe auf die Winzerer Höhen legen, ein Nickerchen in der Sonne machen, ein bisschen grillen oder joggen und werde dabei allenfalls von ein paar Mücken gestört, hat sich geirrt: Seit November 2011 rattern in regelmäßigen Abständen LKWs über die Winzerer Höhen. Bis zu 200 pro Tag sollen es laut Brunnbauer zu Spitzenzeiten gewesen sein. Ein Landwirt lässt sich Humus auf seinen Acker liefern, um – wie er selbst sagt – die Bodenqualität zu verbessern.Geschäftsmodell Erdauffüllung?
Der wird unter anderem von der Firmengruppe Rösl geliefert. Laut Stadt, Bauer Xaver Renner und Gerhard Rösl läuft alles legal und nach Plan. Verständnis habe man schon, wenn es Anwohner und Besucher nicht so gerne haben, dass der Lastverkehr durch das Landschaftsschutzgebiet donnert, aber es liege eine Baugenehmigung vor und damit gehe alles seinen geordneten Gang. Brunnbauer hat da so seine Zweifel: Der Einfluss auf das Winzerer Grundwasser sei nicht geklärt, die Zauneidechse werde vertrieben, die Straße in Kager beschädigt und die Anwohner durch den Lärm belästigt.
Humus soll die Bodenqualität des früher als “Ziegelacker” bekannten Grundstücks verbessern. (Foto: hb)
Showdown in der Spätnachmittagssonne
Bei einem Pressetermin auf den Winzerer Höhen laufen sich Brunnbauer und Renner – zufällig und offenbar erstmals – über den Weg. Es dauert eine Weile, bis sie sich gegenseitig ihre Interessenslagen vorgetragen und eine Kommunikationsbasis gefunden haben. Die Sonne steht schon tief über den Feldern. Unten tobt die Dult, das Riesenrad in Sichtweite, auf den Winzerer Höhen brodeln die Gemüter. Beide sind sehr emotional, was das Thema angeht. Bauer Renner fühlt sich angegriffen, weil er mit dem anderen Landwirt in einen Topf geworfen wird. Dabei sei seine Maßnahme legal, genehmigt und völlig im Rahmen. Sogar der Boden soll dadurch besser werden, das Trinkwasser eher geschützt als verunreinigt, da Düngemittel die dicke Humusschicht nicht so schnell verlasse wie den darunter liegenden, trockenen Kalkboden.Humus gegen die Klimaerwärmung
Schließlich stellen Renner und Brunnbauer fest, dass ihre Interessen gar nicht so gravierend auseinandergehen. Brunnbauer hat gegen legale Auffüllmaßnahmen gar keine Einwände. Sondern hauptsächlich gegen den LKW-Lärm. Und Renner hat Verständnis für die Anwohner und die gefährdete Zauneidechse. Aber die, so ist der Landwirt überzeugt, kann ja immer noch davonlaufen, wenn sie die Vibrationen eines Lastwagens wahrnimmt. Am Ende geht es noch ein bisschen um das Welthungerproblem, die Kraftstoffknappheit und die schmelzenden Polarkappen – alles Dinge, von denen Renner glaubt, ihnen ein bisschen entgegenwirken zu können, wenn er sich Humus aus der Region anliefern und auf seinem Acker auffüllen lässt.
Ein LKW auf seinem Rückweg von den Winzerer Höhen durch den Ortsteil Kager. Am Straßenrand wurden Bäume und Sträucher beschnitten, damit die Brummis die Kurve kratzen können. (Foto: Brunnbauer)
martha
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Brunnbauer hat für die Entbuschung seines Hangs 70 Prozent Fördermittel erhalten.
Ganz schön schlau der SPD-Ortsvorsitzer rd. 10000 EURO Steuergelder kassieren um ein vergammeltes Grundstück sanieren zulassen und dann jammern, weil nicht noch mehr Profit heraus geholt werden kann? Genosse Nobi könnte es vielleicht richten, oder irre ich mich?
Karl Brunnbauer
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Liebe Kommentarin Martha,
leider zeigt Ihre Argumentation von vollkommener Unkenntnis der Gesamtsituation “Landschaftschutz” auf den Winzerer Höhen.
Weder habe ich rd. 10000 Euro Steuergelder kassiert, noch ein vergammeltes Grundstück saniert und schon gleich keinen persönlichen Profit von den Landschaftspflege-Maßnahmen auf meinem Grundstück gehabt.
Im Gegenteil, seit 2006 habe ich selbst einen Eigenanteil von ca. 5000 EUR mit eingebracht, damit die Grundstücke so hergestellt werden konnten, wie sich dass der Landschaftspflegeverband und das Umweltamt der Stadt vorstellen.
Den Gesamtzusammenhang “Landschaftsschutzgebiet Winzer Höhen” in diesem Kommentar zu erklären, würde den Rahmen sprengen. Daher schlage ich Ihnen vor, wenn Sie wirklich Interesse an der Sache haben, verstecken Sie sich nicht hinter einem Pseudonym sondern kontaktieren Sie mich persönlich. Dann kann ich Ihnen den wirklichen Sachverhalt erklären.
Hier meine E-Mail-Adresse: k.brunnbauer@arcor.de
Übrigends Jammern war noch nie eine Tugend von mir und wem Sie mit dem Genossen Nobi meinen und was der richten soll, bleibt Ihr Geheimnis.
grace
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nach eigenem bekunden verfügt die stadt regensburg über einen eigenen weinberg, den sie auch vermarktet.
angst vor konkurrenz?
martha
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Lieber Herr @Karl Brunnbauer, danke für Ihre klärenden Zeilen. Ich entschuldige mich für meine Unkenntnis. Mit freundlichen Grüßen Martha :-)
Veronika
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@grace: Lässt sich hier wohl vermuten! Schaut bitte mal jemand – Herr Brunnbauer??? – ob irgendwelche, irgendeiner Kirchenstiftung gehörenden Grundstücke, die man demnächst als Weinanbaugebiet nutzen könnte, in der Nähe sind? Dann könnte sich das Rätsel vielleicht schneller lösen lassen.
Dubh
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Vermarkten?
Meines Wissens saufen den Salutaris die Stadtväter größtenteils selber, und ab und zu gibt es eine Verkostung immer nur mit Stösser höchstselbst.
Das sind ja im Verhältnis winzige Mengen, ich wüsste nicht, was man da groß vermarkten könnte.
Viel interessanter finde ich aber die Behauptung des Umweltamtes, Wein wäre keine ortsübliche Kulturpflanze.
Wie kommen die dazu?
Behaupten die dann auch es wären nie Römer hier gewesen, oder was sonst?
Der Weinbau scheint ja nun im Gegensatz zu sämtlichen anderen zivilisatorischen Einrichtungen der Römer, das einzige gewesen zu sein, das sie fast durchgängig überdauert hat.
Kann das Umweltamt 2000 Jahre Geschichte ohne weitere Begründung einfach leugnen?
Herr Brunnbauer wissen Sie mehr?
jens
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Wein ist keine “ortsübliche Kulturpflanze”, weil nur Balkonblumen in einer Großstadt ortsüblich sind oder weil alle Winzerer Winzer Kulturbanausen sind oder weil Sozi-Wein zu anderem missbraucht werden könnte als zu liturgischen Zwecken oder (Prosit) oder weiweil …
Dubh
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Ein Balkonblumenbiotop……….. ja, das hatte ich nicht bedacht.