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Archiv für 15. September 2014

Ein Somalier verstümmelte seine Fingerkuppen, weil er nicht abgeschoben werden will – nach Italien.

Von David Liese

Verwaltungsgericht

Auf keinen Fall will ein junger Somalier nach Italien zurück, wo er 2009 als Flüchtling anerkannt wurde. Das Regensburger Verwaltungsgericht entscheidet jetzt über den “Zielstaat” seiner drohenden Abschiebung. Foto: ld.

Wenn es nach dem niederbayerischen CSU-Politiker und EVP-Vorsitzenden Manfred Weber geht, sollen es Flüchtlinge künftig noch schwerer haben, nach Europa zu kommen. Weber beklagte sich am Wochenende gegenüber der BILD am Sonntag, dass „gut 100 Millionen Euro im Jahr für den Grenzschutz und das gemeinsame Asylbüro“ eine „fast lächerlich anmutende Summe“ seien. Weber weiter: „Nicht jeder, der an Europas Tür klopft, ist verfolgt oder kommt aus einem Bürgerkriegsgebiet. Deshalb müssen wir die gemeinsame Außengrenze gegenüber illegalen Zuwanderern verstärken.“

Einer, der an „Europas Tür“ geklopft hat, ist Abdi H. (Name geändert). Der junge Mann hat eine weite Reise hinter sich. 2009 flüchtete er aus seinem Heimatland Somalia in den Sudan, kam schließlich mit einem Boot vor der italienischen Insel Lampedusa an. Dort sei man „in Seenot gerettet“ worden, sagt er. „Es waren mehr als 400 Personen an Bord. Bei 350 haben die Italiener gesagt, sie sollen weiterreisen.“ Vom Rest, zu dem auch Abdi H. gehörte, seien Fingerabdrücke genommen und Fotos gemacht worden.

„Es war nicht viel anders als in Somalia.“

Heute sitzt Abdi H. im Verwaltungsgericht Regensburg. Der Grund: Er soll abgeschoben werden. Nicht nach Somalia, sondern nach Italien, weil H. dort bereits als Flüchtling anerkannt wurde. H. klagt gegen die Ausländerbehörde, weil er in Deutschland bleiben will.

Denn nach seiner Ankunft in Lampedusa sei es ihm in Italien nicht viel besser gegangen als in Somalia. „Mein Leben war in Italien nicht in Ordnung“, übersetzt die Dolmetscherin. „Ich hatte kein Essen, keine Wohnung, keine Arbeit. Ich habe im Freien gelebt.“ Seine Tuberkulose sei nicht behandelt worden. „Es war nicht viel anders als in Somalia.“ Die Aufenthaltspapiere, die es ihm unter anderem ermöglicht hätten, zu arbeiten, habe er nie erhalten.

Fingerkuppen verstümmelt und trotzdem identifiziert

So flüchtete Abdi H. weiter – zunächst nach Schweden, schließlich nach Deutschland. Damit er hier nicht identifiziert werden konnte, verstümmelte er seine Fingerkuppen. Doch die Wunden verheilten. An der deutsch-tschechischen Grenze wurde Abdi H. von der Bundespolizei aufgegriffen und als in Italien registrierter Flüchtling erkannt.

Dass die Abschiebungsandrohung gegen H. rechtmäßig ist, hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden. „In diesem Verfahren geht es nur noch um die Zielstaatsbestimmung“, erklärt die Richterin, die H.s Klage wie üblich allein verhandelt. Abdi H. habe „Glück, dass er in Italien die Flüchtlingseigenschaft bekommen hat. Sonst würde er direkt nach Somalia abgeschoben werden.“

„Kann halt sein, dass er keinen Aufenthaltstitel mehr bekommt.“

Für Abdi H.s Rechtsanwalt ist die Sache klar. Italien werde „sicherlich“ als „Zielstaat“ für H.s Abschiebung bestätigt werden. „Die Frage ist nur, ob die Abschiebung dann auch vollzogen wird“, sagt er. Die Richterin bezweifelt das. H. brauche „keine Angst zu haben“, dass „rein praktisch eine Abschiebung stattfindet“, beteuert sie. Es „kann halt sein“, dass er keinen Aufenthaltstitel mehr bekommt. Derzeit hat H. eine Aufenthaltsgestattung bis Anfang März 2015.

Auf der Flucht – auch diesseits von „Europas Tür”

Beim Hafenarbeitsamt fragt Abdi H. regelmäßig nach einem Job. Er möchte gern in Regensburg bleiben, fühlt sich hier wohl. Seine Tuberkulose ist geheilt worden. „Ich habe mein Land verlassen, damit ich Schutz erhalte. Aber den habe ich in Italien nicht. Ich bitte die Regierung, in Deutschland bleiben zu dürfen. Lieber gehe ich nach Somalia zurück als nach Italien.“

Die Entscheidung über H.s Klage wird das Verwaltungsgericht schriftlich zustellen. „Europas Tür“ hat der Somalier erfolgreich passiert. Ob er in Deutschland aber je über seine Rolle als „illegaler Zuwanderer“ hinauskommt, ist fraglich.

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