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Öffentlich geförderte Wohnungen

Geschafft: 20-Prozent-Quote wird Realität

Halleluja. Der Stadtrat hat gekreißt und gebar eine 20-Prozent-Quote für öffentlich geförderten Wohnraum. Die jahrelange Diskussion hat nun (vorerst)  ihr Ziel erreicht. Zusätzlich werden Menschen mit Kindern in Sachen Eigentumserwerb gefördert – nach Bedingungen, die nicht unbedingt nachvollziehbar sind, an denen man aber auch nicht viel rütteln kann.

Sozialwohnungen an den Rand gedrängt: geplantes Marina-Quartiert. Fotomontage: CA Immo Deutschland, Markierung: Redaktion

Sozialwohnungen an den Rand gedrängt: geplantes Marina-Quartiert. Fotomontage: CA Immo Deutschland, Markierung: Redaktion

Ist das überhaupt noch eine Neuigkeit? Gar eine Nachricht oder mehr wert? Regensburg erhöht die Quote für sozialen Wohnungsbau in neugebauten Wohnanlagen auf 20 Prozent. Alle – außer der FDP – freuen sich. Von diesen Plänen weiß die Öffentlichkeit zwar schon lange, aber erst seit Donnerstag ist es amtlich. Der Stadtplanungsausschuss und der Verwaltungs- und Finanzausschuss haben die Pläne der Verwaltung abgesegnet, das Passieren es Plenums am Dienstag ist Formsache. Zusätzlich gibt es Finanzspritzen für Menschen mit Kindern, die Wohneigentum erwerben wollen. Das heißt „Wohnen in der Stadt“ und das gibt es eigentlich schon seit 1986, aber offenbar wusste keiner davon.

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Das Ende einer politischen Achertbahnfahrt

Jetzt aber. Jahrelang haben sich Verwaltung und Stadtrat mit der Sache rumgeschlagen. Erst waren es 15 Prozent, dann war von eine Aufweichung bis hin zur Wirkungslosigkeit die Rede, irgendwann kam der Umschwung – und nun sind alle außer der FDP dafür, bei Bebauungsplangebieten mit über 4.500 Quadratmetern Bruttogeschossfläche 20 Prozent für öffentlich geförderten Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Für die Liberalen war die Grenze bei 15 Prozent erreicht, der Rest hält 20 Prozent für das Minimum. Außerdem: Zwischen der Mindestfläche und 13.500 Quadratmetern kommen Bauherren  nicht mehr aus der Nummer raus, Ablösezahlungen sind nicht vorgesehen. Für den Fall, dass es keine staatlichen Mittel gibt, darf die Miete für die Wohnungen aus der 20-Prozent-Regel keinen Neubauzuschlag enthalten, der Mietpreis muss sich nach dem aktuellen Mietspiegel ohne dieses 15-prozentige „Vermieter-Zuckerl“ richten.

Anspruchshaltung möglicher Nutznießer: Schaidinger möchte keine überzogenen Erwartungen schüren

Doch bei aller Begeisterung ist den Stadträten klar, dass es sich nicht um den großen Wurf handelt, der die Aufwärtsspirale der Mietpreise unterbrechen würde. Denn: Die neugebauten Wohnungen mit öffentlicher Förderung können den Verlust nicht auffangen, der durch die auslaufende Sozialbindung existierender Förder-Wohnungen entsteht. Jährlich fallen rund 150 Wohnungen aus der Sozialbindung raus, nur rund 100 kommen hinzu.

Auf dem Zuckerfabrik-Gelände werden Sozialwohnungen noch nach der alten Quote von 15 Prozent gebaut. Foto: Archiv

Auf dem Zuckerfabrik-Gelände werden Sozialwohnungen noch nach der alten Quote von 15 Prozent gebaut. Foto: Archiv/Mirwald

Dass CSU-Fraktionsvorsitzender Christian Schlegl eine große Informationskampagne zu dem Thema plant, schmeckt Oberbürgermeister Hans Schaidinger trotzdem nicht. Er rät dazu, diese Maßnahme „in Ruhe zu überdenken“, denn – so Schaidingers irritierende Begründung – wenn zu viele Menschen aus der Einkommensgruppe II von ihrem Anspruch Gebrauch machen und einen Wohnberechtigungsschein beantragen, werden die förderfähigen Wohnungen knapp, sie finden trotz Schein kein gefördertes Domizil und sind enttäuscht. Außerdem bleiben dann alle Berechtigten aus der Einkommensgruppe I – also die aus der finanzschwächsten Gruppe – an der Stadtbau hängen. Ein Gutes findet Schaidinger jedoch an Schlegls Kampagnenplan: Wenn sich die Einkommensgruppen mischen, vermeidet man die Bildung von „Ghettos“ ausschließlich armer Gesellschaftsschichten.

Gefördert wird… ja, wer eigentlich?

An die nicht ganz Armen richtet sich die Förderung von „Wohnen in der Stadt.“ Das Programm stammt von 1986 und war ein wenig in Vergessenheit geraten. Gefördert werden damit… Ja, wer eigentlich? Leute mit Kindern, sofern sie noch andere Bedingungen erfüllen und Wohneigentum erwerben wollen. An dem Programm haben die Stadtplaner und Finanzexperten der Verwaltung bis kurz vor Sitzungsbeginn des Verwaltungs- und Finanzausschusses gefeilt. Entscheidend war dabei offenbar weniger, dass noch eine zusätzliche Förderung aufgenommen wurde – Berechtigte erhalten nun einen Kinderzuschuss in Höhe von 5.000 Euro pro Kind beim ersten Eigenheim und 3.000 Euro pro Kind beim zweiten Eigenheim.

Feilen an der Formulierung: 2013 gibt es nicht nur Hetero-Paare

Vielmehr feilten die Verwaltungsmitarbeiter an den Formulierungen, die den Kreis der Begünstigten festlegen. Aus den „jungen Ehepaaren“ mit Kindern von 1986 wurden „junge Paare“ mit Kindern, denn schließlich gibt es im Jahr 2013 auch Paare, die nicht verheiratet sind, sondern einen Lebenspartnerschaft geschlossen haben. Die Wörter „gleichgeschlechtlich“ oder gar „homosexuell“ vermeiden Planungsreferentin Christine Schimpfermann und die Stadt bei ihren Erklärungen und Diskussionen beflissentlich; lediglich Christian Schlegl deutet diesen Sachverhalt kurz an, indem er von „Regenbogenpaaren“ spricht. Der Zuhörer könnte fast den Eindruck gewinnen, dass die Ausdrücke vermieden werden, um sich nicht die Zustimmung des konservativen CSU-Publikums (außerhalb wie innerhalb des Stadtrats) zu verscherzen. Eine weitere Formulierungsneuheit sind die „kinderreichen Haushalte“ im Gegensatz zu den „kinderreichen Familien“ von 1986. Damit fallen nun auch Patchwork-Familien unter die Förderung, die nicht dem klassischen Familienbegriff mit einem (miteinander…) verheirateten Elternpaar zuzuordnen sind.

Werden frühe Liebe und Treue bestraft?

Eine Förder-Bedingung, die die „jungen Paare“ (welcher Orientierung auch immer) erfüllen müssen, stieß CSU-Stadträtin Astrid Freudenstein sauer auf: Die Richtlinien sehen vor, die Förderung den Paaren nur dann zu gewähren, wenn beide unter 40 sind und nicht länger als zehn Jahre verheiratet oder verpartnert sind. Warum Leute dafür bestraft würden, die jung heiraten und lange zusammenbleiben, wollte Freudenstein wissen. Spätentschlossene oder Wiederverheiratete kämen in den Genuss der Förderungen, wo Paare, die sich früh und dauerhaft füreinander entschieden hätten, den Kürzeren zögen. Ihre Zweifel teilten etliche Stadträte, sogar Bürgermeister Gerhard Weber sah darin eine Ungerechtigkeit.

Stadtrat

Eine Erklärung dafür konnte niemand so recht liefern. Anton Sedlmeier vom Amt für Stadtentwicklung versuchte es mit der Begründung, dass man bei jungen und noch nicht so lang verheirateten/verpartnerten Paaren noch eher mit Kindern rechnen könne. Das war wenig überzeugend, einen besseren Vorschlag hatte auf die Schnelle aber niemand parat, und so drängte Weber – erfolgreich – darauf, dass die Vorlage in dieser Sitzung beschlossen werde. Änderungen, die die Verwaltung bis zu den Fraktionssitzungen am Montag ausarbeiten soll, könnten dann in den endgültigen Vorschlag einfließen, der am kommenden Dienstag im Stadtratsplenum beschlossen werden soll.

Bindung an staatliche Zuschüsse: Nur eine Phantomdiskussion?

Doch was können Stadtverwaltung und Stadtrat in dieser Hinsicht überhaupt ausrichten? Die Crux an der wohlklingenden Sache – Zuschüsse für junge Paare und Haushalte mit Kindern beim Erwerb von Wohneigentum – ist nämlich: Die finanziellen Wohltaten könnten nur gewährt werden, wenn die Antragsteller auch vom Freistaat Bayern gefördert werden. Die Stadt hat also so gut wie keinen Handlungsspielraum, und auch die Formulierungen orientieren sich nur an der Ausdrucksweise des Freistaats – mitsamt allen Ungerechtigkeiten. Das ist auch der Grund, warum der Kauf von Genossenschaftsanteilen nicht gefördert werden kann. Für Grünen-Fraktionschef Jürgen Mistol und Ludwig Artinger von den Freien Wählern wird die Diskussion damit sinnlos, Artinger hält sie gar für eine „Phantomdiskussion“. Die Stadt habe selbst überhaupt nichts zu entscheiden. Mistol hält außerdem den geförderten Personenkreis für zu klein. Trotzdem stimmten alle Stadträte in beiden Ausschusssitzungen des Tages einhellig für die Vorlage.

Acht Wochen sinnfreier Aufschub

Das ist es nun also – das viel diskutierte und durchaus auch umstrittene Maßnahmenpaket der Stadt Regensburg zur Wohnungssituation. Die 20-Prozent-Quote hätte schon am 4. Dezember 2012 beschlossen werden können. Der Tagesordnungspunkt wurde damals verschoben. Eine „Expertenrunde“ tagte. Die Gespräche wurden – auch am Donnerstag von verschiedenen Stadtratsmitgliedern – als „konstruktiv“ gelobt, brachten aber keinen Mehrwert. Die Teilnehmer waren sich einig, dass man es den Investoren zumuten könne, sich bei 20 Prozent ihrer Wohnungsbaufläche mit einer Eigenkapitalrendite von zwei Prozent zufrieden zu geben.

Eingabe von Mieterbund bleibt unerwähnt

Kurt Schindlers Eingabe für strengere Stadtbau-Zügel wurde vertagt. Foto: Archiv

Kurt Schindlers Eingabe für strengere Stadtbau-Zügel wurde vertagt. Foto: Archiv

Im Raum stand zudem eine Eingabe des Mieterbundes an den Stadtrat. Deren Ziel ist es, die Stadtbau stärker in die Verantwortung zu nehmen und die städtische Tochtergesellschaft für Wohnungsbau zu verpflichten, der angespannten Situation und der Preisexplosion auf dem Mietmarkt entgegenzuwirken. Die Eingabe sollte eigentlich in der vergangenen Sitzung behandelt werden, wurde jetzt aber auf Juni verschoben. In der Sitzung am Donnerstag fiel kein Wort über die Eingabe, obwohl mindestens SPD-Fraktionschef Norbert Hartl mit der Vertagung nicht besonders glücklich ist.

Erste Auswirkungen 2015

Die Änderungen des Programms „Wohnen in der Stadt“ werden ab 1. Februar wirksam. Erste Auswirkungen der 20-Prozent-Quote sollen 2015 spürbar sein. Dann ist mit den ersten 80 Wohnungen zu rechnen, die nach dieser Quotenregelung gebaut werden. Bis 2019 sollen knapp 500 öffentlich geförderte Wohnungen auf diesem Weg entstehen.

Schaidinger wünscht sich Regulativ gegen Zweckentfremdung

Ein kleiner Seitenblick: Während die Stadt händeringend nach Möglichkeiten sucht, mehr (günstigen) Wohnraum zu schaffen, werden unter den Schwibbögen in Top-Lage acht Wohnungen in Büros umgewandelt. Hartl fordert ein Zweckentfremdungsverbot, wie es in München bereits besteht. Und während Christian Schlegl „nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen“ will, ist sogar der ansonsten so marktfreundliche Oberbürgermeister dafür, für solche Fälle ein „Regulativ zu schaffen“. Schließlich könne es in einer Situation wie der aktuellen nicht allein danach gehen, wer sich am Markt durchsetzt.

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Kommentare (3)

  • Wohnungssuche

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    Guter Artikel, Kompliment! Was nicht hinreichend herausgearbeitet ist, ist die Tatsache, dass der Beschluss nur PR ohne absehbare Konsequenz sein wird. Wieviele Bauvorhaben wird es künftig noch geben, auf die die 20%-Regel angewendet werden wird? Zuckerfabrik, Marinaquartier und Innerer Westen, Baugebiete, die in Frage gekommen wären, sind bereits imPlanungsprozess und damit von der Auflage ausgenommen.

    Das Förderprogramm hat bestenfalls Alibifunktion und stützt die Bauträger.

    Recht zu geben ist dem OB, dass es unsinnig und ungerecht wäre, alle Lasten der Stadtbau aufzubürden. Letztlich trügen die Regensburger die finanziellen Folgen, ganz nach dem Motto: Gewinne privatisieren und Verluste vergemeinschaften!

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