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Archiv für 25. Januar 2013

Universität sperrt sich gegen Elly-Maldaque-Initiative

Ein Opfer? Was geht uns das an?

Namen sollen etwas über den Charakter eines Menschen aussagen, behaupten manche. Über den Charakter und die Haltung von Kommunen und Institutionen kann man dagegen etwas erfahren, wenn es um die Benamung von Straßen, Plätzen oder Gebäuden geht. Ein Beispiel. morgen1Mit Namen ist das so eine Sache. Es gibt ausgefallene und Allerweltsnamen. Es gibt Namen, an die man sich erinnert und solche, die man schnell vergisst. Namen haben häufig eine versteckte Bedeutung und Sprachwissenschaftler, die sich der Onomastik (Namenkunde) verschrieben haben, können einem zum Beispiel erklären, dass Hans sich auf „Gott ist gnädig“ und Joachim auf „Gott richtet auf“ zurückführen lässt. Manche behaupten gar, dass ein Name etwas über den Charakter der Person aussagen würde, die ihn trägt.

Vom Charakter der Benamer

Etwas anders verhält es sich mit Namen, die dazu dienen, Straßen, Plätzen und Gebäuden über die bloße Notwendigkeit der Ortsangabe hinaus eine Bedeutung zu geben. Bekannte Persönlichkeiten werden auf diese Weise geehrt oder auch weniger bekannte, von denen die Namensgeber – Städte, Gemeinden oder Institutionen – glauben, dass sie eine solche Würdigung verdient hätten. So gesehen sagen diese Benamungen zwar nichts über den Charakter einer Straße, eines Platzes oder eines Gebäudes aus, aber dafür über die Haltung derjenigen, die diese Benamung verantworten oder über die Zeit, in der sie stattfand. Eine völlig willkürliche Auswahl: In Regensburg gibt es eine Straße für fast jeden Oberbürgermeister der Stadt, weil sich das so gehört. Es gibt die Franz-Josef-Strauß-Allee, weil man – kriminell hin, kriminell her – an dem bekanntesten bayerischen Ministerpräsidenten nicht vorbei kommt. Es gibt die Max-Planck-Straße, weil Wissenschaft in jeder Stadt, die etwas auf sich hält, zu ihrem Recht kommen sollte. Es gibt die Messerschmitt-Straße, weil Regensburg ohne die Produktionsstätten des NS-Kollaborateurs im zweiten Weltkrieg wohl etwas länger gebraucht hätte, um sich aus der damaligen Bedeutungslosigkeit eines mittelalterlichen Steinrests zu erheben. Es gibt diverse Bischofs-Straßen, weil in Regensburg der rechte Glaube schon immer viel gegolten hat. Und es gibt zum Beispiel die Hans-Herrmann-Schule, damit bereits die Kleinsten lernen, dass man es als hemmungsloser Opportunist in jedem System zu etwas bringen kann.

„Nur ein Opfer, nicht bedeutend”

Was es in Regensburg nicht gibt, ist eine Straße, ein Gebäude oder ein Platz mit dem Namen Elly Maldaque. Die Lehrerin war am 20. Juli 1930 unter mysteriösen Umständen in der Irrenanstalt Karthaus gestorben. Zuvor war sie von einer Bürokratie unter dem Einfluss der heraufdämmernden Nazi-Zeit systematisch fertig gemacht worden. Sie wurde im Auftrag der Polizei von Nazis bespitzelt. Weil sie bei Kommunisten Klavier gespielt hatte, flog sie aus dem Staatsdienst und schließlich – nach einem Nervenzusammenbruch – erklärte ein Amtsarzt sie für „selbst- und gemeingefährlich” und ließ sie nach Karthaus verfrachten. Nach neun Tagen war die bis dahin körperlich völlig gesunde 36jährige Frau tot (mehr darüber).
Opfer eines Staates im heraufdämmernden Nationalsozialismus: Die Regewnsburger Lehrerin Elly Maldaque.

Opfer eines Staates im heraufdämmernden Nationalsozialismus: Die Regensburger Lehrerin Elly Maldaque.

Erste Anläufe, eine Straße nach Elly Maldaque zu benennen, gab es schon vor fast 30 Jahren. Der Stadtrat lehnte das 1985 ab. Begründung: Maldaque war nur ein Opfer, aber ansonsten nicht bedeutend genug, um ihr die Ehre eines Straßennamens zuteil werden zu lassen. Die Schule, an der Elly Maldaque 17 Jahre lang unterrichtete, ist nach General Ludwig von der Tann benannt – aktiv im 19. Jahrhundert, wenn auch nicht in Regensburg. Doch auch heute ist er immer noch bedeutend genug, um Initiativen für eine Elly-Maldaque-Schule abprallen zu lassen.

Uni: Benamungen nur gegen Bares

Wenn es in der Stadt nicht funktioniert, dann vielleicht an der Universität, dachte sich Kurt Raster, der vor einigen Jahren mit seinem uetheater ein Stück über Elly Maldaque auf die Bühne brachte. Er startete eine Initiative, um das Theater an der Universität, manchmal Studententheater oder Unitheater genannt, in Elly-Maldaque-Theater umzubenennen. Dort, an der Uni, man merkt es schon am Namenstohuwabohu beim Theater, geht man mit Benamungen recht sparsam um. Allenfalls erwähnenswert wären das Vielberth-Gebäude oder der Hans-Lindner-Hörsaal. Dass diese beiden Geschäftsmänner aber bereits zu Lebzeiten Pate hierfür standen, dürfte weniger deren – zweifelsfrei immenser – Bedeutung geschuldet sein, als vielmehr erheblichen Summen Geldes, die beide für die jeweiligen Baumaßnahmen hingeblättert haben. Quid pro quo. Wer zahlt, schafft an. Und die Namen irgendwelcher Habenichtse werden nicht vergeben. Punkt. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die Universität einer (Um)benennung ihres Theaters ablehnend gegenübersteht.

„Natürlich erinnern, aber nicht bei uns”

An Elly Maldaque müsse natürlich erinnert werden, heißt es von der Universitätsleitung. Allerdings müsse dies eben nicht an der Uni, sondern im öffentlichen Raum geschehen. Und für den ist Elly Maldaque, wie bereits erwähnt, als „Nur-Opfer“ eben zu bedeutungslos. Außerdem, so die Universitätsleitung weiter, gebe es ja keinerlei Bezug zwischen der Universität und der Lehrerin Maldaque. Deshalb darf der Name Maldaque in Publikationen der Universität nicht vorkommen. Bereits vor vier Jahren ließ Uni-Kanzler Christian Blomeyer einen entsprechenden Hinweis des uetheaters mit dem Hinweis „Themaverfehlung“ aus dem Vorlesungsverzeichnis streichen. Und auch in diesem Jahr gab es Hakeleien. Eine Hinweis auf Rasters Initiative wollte man partout nicht im offiziellen Kunst-und-Kultur-Leporello („kultUR campus kreativ“) haben. Man könne „keine Inhalte veröffentlichen, die sich gegen die Meinung der Universität richten“, heißt es in einer entsprechenden Mail. Raster hat nun Rektor Thomas Strothotte einen offenen Brief geschrieben und sich bitter über diesen „einerseits lächerlichen“, andererseits „beschämenden“ Vorgang beklagt. An der Uni wiederum verteidigt man sich mit dem Hinweis, dass das uetheater in diesem Semester doch gar keine Aufführung habe und deshalb die Angabe der Kontaktmöglichkeiten ausreichend sei.

Was geht das schon die Uni an…

Im nächsten Semester dürfte Raster allerdings wieder ein Stück auf die Bühne bringen – der nächste Hickhack ist vorprogrammiert. Denn dass die Universität nachgeben wird, ist angesichts der Vorgeschichte und der generell bekannten Trägheit solch altehrwürdiger Institutionen nicht zu erwarten. Da helfen auch tausend Unterschriften für die Umbenennung nichts. Und aus der öffentlichen Debatte hält man sich tunlichst heraus. Was geht so ein Name, eine Lehrerin und eine solche Debatte schon eine Bildungseinrichtung an. Völlig schweigsam bleibt die Universitätsleitung in Namensfragen allerdings nicht. Weil Raster auf seiner Internetseite den Mailverkehr mit der zuständigen Mitarbeiterin für Theatergruppenvorstellungstexte öffentlich gemacht hat, heißt es nun: „Die Offenlegung des Mailverkehrs mitsamt der Namenskennung ist schon allein aus datenschutzrechtlichen Gründen (ohne Einverständnis der beteiligten Personen) nicht vertretbar.” Mit Namen ist das eben so eine Sache. Aktuell ist ein Buch über Elly Maldaque erschienen. Eine Besprechung folgt demnächst.
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