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"Weltanschauliche Offenheit"

Schutz vor Nazis oder Schlag gegen Kunstfreiheit?

Ein neuer Passus bei den Kulturförderrichtlinien sorgt für Diskussion.
"Gefahr des Missbrauchs." Tina Lorenz stimmte gegen die neue Richtlinie. Ebenso Tobias Hammerl. Foto: archiv

“Gefahr des Missbrauchs.” Tina Lorenz stimmte gegen die neue Richtlinie. Ebenso Tobias Hammerl. Foto: archiv

„Begründete Zweifel an der politischen und weltanschaulichen Offenheit oder an der Toleranz gegenüber Andersdenkenden können zu einem Ausschluss aus der Förderung führen.“
Es ist dieser kleine Passus in den neuen Richtlinien zur Kulturförderung, der am Mittwoch im Kulturausschuss des Regensburger Stadtrats für Diskussionen sorgte. Für „hochproblematisch“ etwa hält SPD-Stadtrat Tobias Hammerl diese Passage. „Kunst und Kultur haben frei zu sein“, so der Leiter des Stadtmuseums Abensberg. Im Übrigen sei eine solche Einschränkung offen für Auslegungen. „Ich habe keine Toleranz gegenüber Rechten. Also könnte ich auch von der Förderung ausgeschlossen werden.“

Die NPD, Scientology und der Arbeiterbund…

Da half auch das Werben des Oberbürgermeisters nicht, der erklärte, dass man sich mit diesem Passus genau gegen jene Rechten, im Speziellen die NPD, wappnen wolle. Die Verwaltung müsse sich absichern können, vor allem bei eventuellen Klagen. Kulturreferent Klemens Unger etwa spricht von „mehreren Anträgen“, die es in der Vergangenheit gegeben habe und bei denen es „extrem schwer“ gewesen sei, diese abzulehnen. Um welche Anträge es sich dabei gehandelt hat, wird in der Sitzung nicht erläutert. Allerdings führt die Fokussierung des Oberbürgermeisters auf die Rechten zu einem kurzen Aufjaulen bei der CSU. Da gebe es schließlich auch noch Scientology, meint etwa Stadträtin Bernadette Dechant. Da gebe es ja den Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD, sagt Michael Lehner. Christa Meier von der SPD meint auch, dass es neben der NPD eben auch noch besagten Arbeiterbund, Scientology und „Terroristen-Vereine“ gebe, vor denen man sich mit einem solchen Passus schützen könne.

„Kunstfreiheit ist einer der wesentlichen Kerne unseres Grundgesetzes.“

Doch weder bei Hammerl vermochte diese Argumentation zu ziehen noch bei Piratin Tina Lorenz. „Kunstfreiheit ist einer der wesentlichen Kerne unseres Grundgesetzes.“ Sie verstehe zwar die gute Absicht, es bestehe aber die Gefahr, dass ein solcher Passus künftig „missbräuchlich verwendet“ werden könne, um missliebige Künstler von der Förderung auszuschließen. „Solche Richtlinien gelten ja über Jahrzehnte.“ Macht aber nichts, meinte am Ende die Mehrheit des Kulturausschusses. Margit Kunc (Grüne) hält die neue Richtlinie gar für „fortschrittlich“. „Es geht doch nicht um künstlerische Freiheit. So bescheuert sind wir nicht. Ich möchte den Aufschrei nicht hören, wenn herauskäme, dass ein Projekt der NPD gefördert wurde, weil die Verwaltung es nicht verhindern konnte.“

„Zwar gefährlich, aber ich verstehe die gute Absicht“

Am Ende gab Wolbergs die Abstimmung über den neuen Passus frei. Abgesehen von Hammerl und Lorenz stimmten alle Stadträte dafür, auch Irmgard Freihoffer von den Linken. Sie hält den Passus „zwar für gefährlich, aber ich verstehe die gute Absicht“.
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Kommentare (16)

  • Student

    |

    Respekt vor den Dagegen-Stimmern.
    Der Beschluss ist nämlich eigentlich ein irrwitziges Paradoxon.
    Sinngemäß könnte man etwa genauso sagen: “Denjenigen, die die freie Meinungsäußerung anderer nicht dulden, wird hiermit die Äußerung der freien Meinung untersagt.”

    Oder: “Wenn wir denken, dass andere intolerant sind, dann gibt es gegenüber denen null Toleranz.”

    Mit solchen Beschlüssen lässt sich alles und nichts rechtfertigen. Im Zweifelsfalle wird man damit alles rechtfertigen… das war’s dann mit der Toleranz.

    Beängstigend.

  • Weltscherbe

    |

    Keinen einzigen Reichspfennig würd ich da annehmen!

  • Mathilde Vietze

    |

    Bei allem Für und Wider: Ich halte diese Entscheidung für
    richtig und wichtig, um den Rechten und ihren Spießge-
    sellen von vorneherein das Wasser abzugraben.

  • Herr Jahnke

    |

    Der Ausschluss von öffentlicher Förderung ist nicht identisch mit Zensur oder dem Untersagen der freien Meinung.

    Nun hätte ich es aber begrüßenswert gefunden, wäre nicht mangelnde Toleranz gegen Andersdenkenden zur Bedingung erhoben worden, sondern spezifische Inhalte. Eine Formulierung wie “Verbreitung rassistischer, sexistischer, homophober, […] Inhalte” wäre an sich auch möglich gewesen. Im Zweifelsfall mit einem Sektenzusatz.

  • Regensburger Bürger

    |

    Toleranz ist immer auch die Toleranz gegenüber Andersdenkenden.

    (frei nach Rosa Luxemburg)

    Leider sind gerade die, die immer Toleranz einfordern, gar nicht tolerant, wenn’s um Andersdenkende geht. Gell, Frau Kunc, gell, Herr Wolbergs?

  • pwillinger

    |

    Es ist absolut wichtig, sich über langfristige Folgen solcher Passagen Gedanken zu machen. Da kann man sich jedoch in theoretischen Gedanken durchaus verrennen. Leider haben wir keine vertrauenswürdigen Hellseher zur Hand…

    “Begründete Zweifel” weisen für mich auf eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Antrag und dem Antragsteller hin. Fraglich bleibt, ob dies durch eine Einzelperson oder einen Ausschuss durchgeführt wird.

    Die Stadt hatte früher, hat heute und auch in Zukunft bestimmt nicht genug Geld, um alles und jeden zu födern. Von daher kann auch ohne dieser Passage gewissen Einrichtungen / Anträgern die städtische Förderung versagt werden.

    Das Pardoxon ist für mein Dafürhalten zu theoretisch aufgesetzt, bzw. eines der dem sozialen Zusammenleben stets immanenten Paradoxa. Wir müssen uns schließlich in Toleranz und Rücksicht üben und im Zweifel auch Sanktionen und Einschränkungen fordern, durchsetzen und akzeptieren.
    Dies ist ein schmaler Grat, für den wir – als Wahlberechtigte – die möglichst in unserem Sinne entscheidenden Vertreter in den Stadtrat wählen (sollten).

    Ich will lieber in einer Stadt leben, die Extremisten nicht födern muss oder durch ein Gerichtsurteil zu einer Geldstrafe verdonnert wird. Da säße doch gerade hier bei Regensburg digital die Moralkeule verdammt locker!

  • 10.10.2014 … Presseschau — Antifa Netzwerk

    |

    […] Ein neuer Passus bei den Kulturförderrichtlinien sorgt in Regensburg für Diskussionen. „Begründete Zweifel an der politischen und weltanschaulichen Offenheit oder an der Toleranz gegenüber Andersdenkenden können zu einem Ausschluss aus der Förderung führen.“ Es ist dieser kleine Passus in den neuen Richtlinien zur Kulturförderung, der am Mittwoch im Kulturausschuss des Regensburger Stadtrats für Diskussionen sorgte. Für „hochproblematisch“ etwa hält SPD-Stadtrat Tobias Hammerl diese Passage. „Kunst und Kultur haben frei zu sein“, so der Leiter des Stadtmuseums Abensberg. Im Übrigen sei eine solche Einschränkung offen für Auslegungen. „Ich habe keine Toleranz gegenüber Rechten. Also könnte ich auch von der Förderung ausgeschlossen werden.“ Dabei soll die Passage eingefügt werden, um sich vor Nazis zu schützen (Regensburg Digital). […]

  • Marc K.

    |

    1. Völlige Freiheit des Buches, mit einer Einschränkung.
    2. Völlige Freiheit des Theaters, mit einer Einschränkung.
    3. Völlige Freiheit der bildenden Kunst, mit einer Einschränkung.
    4. Völlige Freiheit der Musik, mit einer Einschränkung.
    5. Völlige Freiheit und des Films, mit einer Einschränkung.

    Die Einschränkung: Keine Freiheit für Schriften und Kunstwerke, welche den Krieg verherrlichen oder als unvermeidbar hinstellen, und für solche, welche den Völkerhass fördern […]

    -Berthold Brecht, 1951 –

  • pwillinger

    |

    Tja, leider hat dies Brecht nur aus seiner Erfahrung eine Lehre gezogen. Treffend, fürwahr. Aber nicht ausreichend. An der Verherrlichung sexueller Übergriffe würde er sich – nach diesem Zitat! – nicht stören. Insofern ist die unkonkrete Formulierung auch eine Eingrenzung eines noch unbekannten Extrems.

  • Dubh

    |

    Regensburger Bürger: “Toleranz ist immer auch die Toleranz gegenüber Andersdenkenden.
    (frei nach Rosa Luxemburg)

    Leider sind gerade die, die immer Toleranz einfordern, gar nicht tolerant, wenn’s um Andersdenkende geht. Gell, Frau Kunc, gell, Herr Wolbergs?”

    Sehr frei allerdings, und selbstverständlich IMMER aus dem Zusammenhang gerissen, der Rechtsextremen liebstes Zitat, einer im Gegensatz zur heutigen SPD allerdings Linken!

    „Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden“ Viele kennen diese Worte aus Rosa Luxemburgs berühmtester Schrift Die Russische Revolution.

    Nicht allen, die diese Aussage zitieren, ist bewußt, daß sie in
    einem revolutionären Zusammenhang und mit unmißverständlicher Zielsetzung formuliert wurde. Auf den Punkt gebracht, lautet sie:
    Freiheit und sozialistische Demokratie sind notwendige und wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche revolutionäre Entwicklung.”
    http://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/dokumentationen/090116_RL-Konferenz/beitraege/Tanja_Storlokken.pdf

    Rechtsextreme, Rassisten……………… meinte rosa Luxemburg nicht, dass man tolerieren müsse, bzw. denen nicht zu widersprechen habe – wie die das meinen.

    Na ja, Sarrazin muss ja auch immer noch andauernd sagen, was sich angeblich keiner zu sagen traut – weil Linke – also nicht die SPD, nö – unverschämterweise schon mal widersprechen, diese intoleranten Säcke aber auch.

    Herr Jahnke: “Eine Formulierung wie “Verbreitung rassistischer, sexistischer, homophober, […] Inhalte” wäre an sich auch möglich gewesen. Im Zweifelsfall mit einem Sektenzusatz.”

    Tja, und da nichts dergleichen drinsteht, geht es offensichtlich genau darum nicht!

    Wieviele Anträge zur Kulturförderung , die man nicht sachlich ablehnen konnte, hat die NPD in Regensburg denn schon gestellt und Förderung erhalten?
    Das ist ja lachhaft, dass das gegen die NPD oder Rechte sein soll.

  • Weltscherbe

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    “Extrem schwer”, “mehrere Anträge” abzulehnen:

    Extrem einfach zu sagen, z. B. beim L.E.D.E.R.E.R. handle es sich um “kein kulturelles Projekt” und die Zuschüsse einfach ganz streichen wollen!

    Extrem krass, Alta!

  • pwillinger

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    Hat denn das L.E.D.E.R.E.R einen Antrag für den aktuellen Topf gestellt? Oder wollen sie aus einem anderen Fördertopf Unterstützung erhalten?

  • Dubh

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    Stimmt, das gab es ja auch schon!

    Wobei man natürlich sagen muss, wer tatsächlich nicht weniger bizarre Begründungen – um das mal vornehm auszudrücken – findet, um missliebige Guppen, Vereine, KünstlerInnen von der Förderung auszuschließen, der mag eine solche Allzweckkeule schon nötig haben!

    Mit dieser Richtlinie hätte es mit der Streichung der Zuschüsse für den LEDERER kein Problem gegeben, die tolerieren Rechtsaußen, Rassisten,….nicht als Mitglieder, und auch nicht als Veranstalter, und dann noch das Frauenzentrum, das zu manchen Veranstaltungen nicht mal Männer reinließ – ojojoj, wenn das keine begründeten Zweifel an der Toleranz sind………….

    Welch ein Glück, dass es solche Richtlinien für die Profisportförderung nicht gibt – da geht man für ein paar wenige, ganz überwiegend männliche Fans und einen Verein, der bzw. dessen Profisportnachfolger es seit den 1960er Jahren nicht mehr schafft längerfristig halbwegs anständigen Fußball zu liefern, mit der Förderung von Abermillionen doch mächtig ins Volle – und das, obwohl das keine kommunale Aufgabe ist – im Gegensatz zu einer pluralistischen Kulturförderung!

    Der Strom wird denen selbstverständlich nicht gesperrt, wenn sie nicht zahlen können……………..für andere hingegen ist in so einem Fall der Tod die nahezu gerechte, jedenfalls selbstverschuldete Strafe, für die Intoleranz mit demütigenden Ämtern nichts mehr zu tun haben zu wollen……….

    Aber klar, die Jahnfans sind halt tolerant, die lassen gar feindliche Fangruppen rein – sonst könnte man die ja nicht verkloppen.

    Bei Peanuts von ein par hundert oder tausend Euros jährlich müssen aber selbstverständlich andere Regeln gelten!
    Da brauchts am besten eine Überprüfung der Antragsteller durch den Verfassungsschutz, und der sieht niemals rechts, auch nicht, wenn man Leute in Serie ermordet………………

  • Regensburger Bürger

    |

    Zum Glück haben wir ja Sie, lieber Dubh, der Sie ja Rosa Luxemburg persönlich kannten und uns deshalb deren Zitate deuten können.

    Und jetzt bitte ich Dubh II, mir die wirren und größtenteils unverständlichen Ausführungen von Dubh dem Ersten zu deuten.

  • Der OB mag’s gern schwammig | Regensburg Digital

    |

    […] P.S.: Einen von Wolbergs erwähnten Kommentar, in dem Kulturförderung für Rechte gefordert wurde, habe ich nirgendwo im Internet gefunden. Der OB formuliert eben, siehe seine Extremismusklausel, gern schwammig. Aber hier kann ein so ähnlicher Kommentar nachgelesen werden. […]

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drin