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"Keine Gefahr"

„An der Grenze zur Sucht“: Bewährung für Regensburger Waffennarren

Bei einer Razzia im Stadtnorden von Regensburg stellten Ermittler 2021 ein umfangreiches Waffenarsenal sicher. Nicht zum ersten Mal. Nun stand der Mann erneut vor Gericht.

Der Waffenfund vom November 2021. Foto: Polizei

Es liest sich zunächst einmal spektakulär, was vier Beamte der Polizeiinspektion Regensburg Nord auf dem Dachboden eines Häuschens im Stadtteil Keilberg gefunden haben. Bei einer Razzia am 11. November 2021 stellten die Ermittler mehrere Pistolen, Revolver und Gewehre sicher, rund 80 Bajonette, elf Dolche, Säbel und Degen, einige Schuss verschiedener Munition sowie unzählige Hülsen und Kleinteile. Auch der Schuppen sei voller Munitionsschrott gewesen, berichtet einer der damals eingesetzten Beamten. „Es war wirklich uferlos.“

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Er ist als Zeuge beim Schöffengericht von Amtsrichterin Cornelia Blankenhorn geladen. Dort muss sich der Besitzer dieses Arsenals verantworten, ein biederer Herr mit Glatze und Brille. Anfang 60, verheiratet, zwei Söhne und Eigentümer jenes Häuschens, das die Polizei damals durchsucht hat. Es war nicht die erste Razzia bei dem Maschinenbautechniker. Er sitzt auch nicht das erste Mal vor Gericht und das, so sagt er, sei ihm „schon peinlich“.

Mann stand schon 2015 vor Gericht

Bereits 2015 wurde der achtmalige Schützenmeister zu einer saftigen Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren verurteilt. Ein Jahr zuvor waren in seinem Haus zwei Kriegswaffen, 20 Schusswaffen, größtenteils funktionsfähig, Munition und zwei verbotene Springmesser gefunden worden. Die Stadt Regensburg erteilte dem Mann ein umfassendes Verbot zum Erwerb und Besitz von Waffen, selbst von erlaubnisfreien, und bis zum Ablauf seiner Bewährungszeit 2017 hielt er sich auch brav daran.

Doch schon mit Beginn des darauffolgenden Jahres begann er, sich erneut einzudecken. Im Januar 2018 erwarb er über eine Internetplattform („eGun“) einen Teilesatz für eine Maschinenpistole MP 40, ein paar Monate später ein Gehäuseteil für eine Parabellumpistole P08. Es folgte ein Originalteile-Satz für ein MG 15, ein komplettes MG 15, entsprechende Visiere, ein Revolver… Eher zufällig, als Beifang bei Ermittlungen gegen einen Lübecker Waffenhändler, kam die Polizei dem Regensburger auf die Spur.

„Interessant wird es erst, wenn ich es wieder herrichten kann.“

„Wie kann es denn sein, dass wir uns hier nach der ersten Verurteilung wieder treffen?“, fragt Richterin Blankenhorn. Eigentlich könne man doch erwarten, dass so eine Bewährungsstrafe für einen Mann, der in sozial stabilen Verhältnisse lebe, als Warnschuss ausreiche. Oder nicht?

Er habe da halt so eine Sammelleidenschaft, meint der Angeklagte, der die Vorwürfe vollumfänglich einräumt und auch nichts gegen die entschädigungslose Einziehung seiner Waffen – Schätzwert 22.000 Euro – einzuwenden hat. Loks, Fotoapparate, Spielzeugautos. Günstig und selten müssten die Sachen sein. „Interessant wird es erst, wenn ich es wieder herrichten kann.“ Das gelte auch für Waffen.

Ein MG und der Onkel „haben praktisch denselben Werdegang“

Es sei ja nicht so, dass er nicht einsichtig gewesen sei nach der ersten Verurteilung. „Warum das dann wieder zurückgekommen ist – keine Ahnung.“ Den Ernst der Lage – dass er nun tatsächlich ins Gefängnis gehen könnte – habe ihm erst sein Rechtsanwalt Tom Wimmer bewusst gemacht. Immerhin: Im Gegensatz zum ersten Fehltritt hat der Mann die Waffen dieses Mal nicht wieder voll funktionstüchtig gemacht. Das spreche zumindest für eine „gewisse Läuterung“, meint Cornelia Blankenhorn irgendwann.

Immer wieder schweift der Angeklagte ab, während die Richterin versucht, seine Motive zu ergründen. Fast gerät er ein wenig ins Schwärmen. Sein Onkel sei Pilot im Zweiten Weltkrieg gewesen, habe ein Sturzkampfflugzeug geflogen. Doch ähnlich wie das MG15, das für den Einsatz in der Stuka hergestellt wurde, habe auch besagter Onkel, als das Benzin ausging, das Flugzeug verlassen und am Boden kämpfen müsse. Kurz vor Kriegsende sei er dann getötet worden Und das MG, das verrostet in der Erde gefunden worden sei, habe „praktisch denselben Werdegang“ wie der Onkel.

Lehrer weckte das Interesse für Waffen

Seine Leidenschaft für scharfe Waffen entdeckte der Angeklagte nach eigenen Worten bereits im Alter von 13 Jahren. Damals habe in der sechsten Klasse ein Lehrer davon erzählt, wie sich zwei Gefangene in der JVA Straubing aus Leitungsrohren und Zündhölzern eine solche Waffe gebaut hätten, um auszubrechen. „Da war das Interesse geweckt.“ Und für einen „Forscher“ seien so alte Waffen „wahnsinnig interessant“. Das sei wie wenn man „einen Tempel in Ägypten“ entdecke. „Waffen kann man lesen wie Bücher.“

Ja, diese „extrem ausgeprägte Sammelleidenschaft“ des Mannes für Waffen sei auch ihm aufgefallen, berichtet der als Zeuge vernommene Polizist. Er habe regelrecht darüber philosophiert. „Ich hatte nicht den Eindruck, dass eine Gefahr von ihm ausgeht.“ Tatsächlich sei der Mann – nachdem er unter dem Eindruck der bevorstehenden Durchsuchung zunächst einen kleinen Ohnmachtsanfall erlitten hatte – „extrem kooperativ“ gewesen. Und im Nachhinein habe sich herausgestellt, dass die Schusswaffen auch nicht wirklich funktionsfähig gewesen seien.

Verurteilter muss zur Suchtberatung

Selbst Staatsanwältin Dr. Kerstin Seewald kommt vor dem Hintergrund all dessen zu dem Schluss, dass der Angeklagte „nicht unbedingt ins Gefängnis gehört“. Sie fordert eine Haftstrafe von zwei Jahren, die aber für fünf (nicht wie üblich für zwei) Jahre zur Bewährung ausgesetzt werden solle. Dem folgt das Gericht weitgehend, bleibt aber angesichts der langen Verfahrensdauer um einen Monat unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Bewährungszeit: vier Jahre.

„Sie lassen eine gewisse Schuldeinsicht und Reue erkennen“, so Richterin Blankenhorn in ihrer Urteilsbegründung. Auch habe sie insgesamt „keinen schlechten Eindruck“ vom Angeklagten gewonnen. „Sie wussten nicht, wohin mit ihrer Sammelleidenschaft.“ Weil die sich zumindest „an der Grenze zur Sucht bewege“ muss der Mann mehrere Beratungsgespräche bei der Suchtambulanz der Caritas wahrnehmen, außerdem wird er verpflichtet, 5.000 Euro an gemeinnützige Organisationen zahlen.

Statt Waffen wird jetzt ein Boot hergerichtet…

„Als ich die Anklage vorgelegt bekommen habe, war ich überhaupt nicht sicher, ob wir hier im bewährungsfähigen Bereich landen können“, redet Cornelia Blankenhorn dem Delinquenten ins Gewissen. Nochmal brauche er aber nicht wegen so etwas vor Gericht auftauchen. „Dann wird es dunkel.“

Noch im Gerichtssaal lässt der Angeklagte über seinen Anwalt Rechtsmittelverzicht erklären und akzeptiert damit das Urteil. Er ist guter Dinge, seine Leidenschaft für Waffen überwunden zu haben und nicht mehr rückfällig zu werden. Seine Frau und seine Söhne würden ihn unterstützen. Außerdem habe er sich ein neues Hobby zugelegt. „Ich habe jetzt ein altes Boot, das ich herrichte.“

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Kommentare (4)

  • RegensburgerIn

    |

    hoffentlich ist es kein U-Boot aus dem 2.Weltkrieg.

  • Schlauberger

    |

    Lasst den Mann doch an die Gorch Fock. Klassische Win-win-Situation.

  • Daniela

    |

    @RegensburgerIn
    4. März 2024 um 20:02 |

    Mein erster, spontaner Gedanke war der selbe, wie Ihrer. (Mit breitem Schmunzeln.)

    Ansonsten für den Bestraften die besten Wünsche für einen langanhaltenden Bootsbau, auf das dies seine nächste Zufriedenheit werde. Und sollte sein Projekt Boot dann abgeschlossen sein, einfach einmal die Nachbarschaft, Freunde und Bekannte fragen, ob diese nicht einen Tüftler brauchen, der sich reichlich in die Aufgabe knien kann, alte oder defekte (Garten)-geräte in Ordnung zu bringen, oder Hilfe bei deren Bootsbau anbieten.

  • Hthik

    |

    @Daniela 5. März 2024 um 19:10

    “Ansonsten für den Bestraften die besten Wünsche für einen langanhaltenden Bootsbau, …”

    Amen.
    Schön dass unser Staat das auf die Reihe bekommt die Waffennarren als Narren zu behandeln. Makes Germany great again.

Kommentare sind deaktiviert

drin