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Herr Stein rät

Das Misserfolgsrezept

Die Philister waren der FC Bayern von Kanaan. Scheitern als Chance ist hirnrissig. Warum es sich lohnt, ein Leben als Cliffhanger zu führen. Vertrauen Sie Martin Stein und seinem Lebensratgeber „Herr Stein rät“. Wir veröffentlichen das zugehörige Video und haben den Text so gut es ging transkribiert…

Im Bild: ein echter Pechvogel. (Das Gleichnis vom verborgenen Schatz, Rembrandt Harmenszoon van Rijn)

Ich werde jetzt oft drauf angesprochen, dass ich so lang schon nichts mehr gemacht hab auf diesem Kanal, dass der Herr Stein ja gar nix mehr rät. Und ich sag dann immer, dass ich ja nicht die katholische Kirche bin, wo man 50 Jahre lang jede Woche zum Pfarrer rennen muss und sich dem seinen Suri anhören, nur damit man dann drei Jahre weniger ins Fegefeuer muss.

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Ich bin da halt effizienter, und, ganz ehrlich, also, ganz brutal, in aller Offenheit: Wenn Sie jetzt, nach so einem Dutzend Ratschlägen von mir, immer noch kein Leben nahe an der Perfektion führen, ja, dann kann ich Ihnen auch nicht helfen. Ich glaub, dann sind Sie einfach selber schuld, dann ist Hopfen und Malz verloren. Tschuldigung.

Ich hab meinen Hörern ja nicht nur die Angel gegeben samt Gebrauchsanleitung, sondern quasi die Fischstäbchen fertig portioniert zum Auftauen und in die Pfanne schmeißen. Wer da dran scheitert, der hat’s nicht besser verdient.

Manchmal tut die Wahrheit weh.

Andererseits, da sieht man auch das Dilemma wieder von der ganzen Geschichte: Ganz offensichtlich kommt’s nicht auf die Wirksamkeit von einer Sache an, damit sie Erfolg hat. Vielleicht ist Wirksamkeit im Gegenteil sogar schlecht für die Popularität von Weisheit! Ich glaub jetzt zum Beispiel nicht, dass sich die Menschen in 2.000 Jahren noch ehrfürchtig meine Ratschläge anhören werden, auch wenn’s ihnen noch so gut tun würde.

Und genau da liegt der Hund begraben, und schon wird wieder ein Ratschlag draus. Aber obacht, jetzt wird’s philosophisch: Ich bin der festen Überzeugung, dass der Schlüssel zum Erfolg – im Misserfolg liegt. Jaha genau! Scheitern als Erfolg, das ist was auf einem Level mit „Ich weiß, dass ich nicht weiß“ und „Der Ober sticht den Unter“ und „Die längste Praline der Welt“.

Aber so einfach wird’s jetzt nicht, jetzt kommt kein so ein Grampf von wegen Hinfallen und wieder Aufstehen und ein Indianer kennt keinen Schmerz. Oder wenn der Trump so tut, wie wenn nicht 1.000 Leute da gewesen wären, sondern eine halbe Million.

Es geht eher um die hohe Kunst der knappen Niederlage mit Ausblick auf Teil zwei. Damit man neugierig bleibt. Und aktiv.

Simma uns einmal ehrlich: Wenn man sich jetzt das alte Testament einmal ganz gründlich durchliest, mit allen diesen Geschichten da drin, und dann gescheit drüber nachdenkt und seine Schlüsse zieht aus allem, was da passiert ist, dann kann man doch bloß zu einem Ergebnis kommen: Jawoll, ich werd jetzt Philister.

Weil, also rein erfolgsmäßig, da waren die Philister der FC Bayern Kanaans, und die alten Juden damals wie die Sechzger in der Bayernliga. Permanent haben die von den Philistern aufs Maul gekriegt, aber glaubst, das hätte da mal einen zum Überlegen gebracht, ob nicht doch die anderen den besseren Gott haben? Glaubst du nicht. Wie die Sechzger.

Vermutlich haben die Juden außer dem Goliath überhaupst nie einen einzigen Philister derschlagen, und mit jeder Erzählung von der Gschicht ist der Goliath noch einen Kopf größer geworden. Es würd mich kein bisserl wundern, wenn Archäologen einmal das Grab von dem Goliath finden, dass das dann in Wirklichkeit ein arthritisches Manderl von einem Meter 58 gewesen ist. Aber so läuft das halt mit der Geschichte.

Der Punkt ist natürlich: Philister gibt es heutzutage kaum mehr welchen, Juden und Christen aber schon. Und das liegt daran, weil die Philister wahrscheinlich vom ganzen Gewinnen irgendwann einmal faul geworden sind und zuviel Cholesterin gehabt haben und eine zirrhotische Leber, während ihre Gegner nicht mehr genug zum Fressen und Saufen gehabt haben für ein ungesundes Leben.

Die haben damals das Rezept für eine lang andauernde erfolgreiche Religion entdeckt: drauf warten, das was besser wird oder dass halt dann jemand kommt, der den ganzen Verhau in Ordnung bringt irgendwie. Vermutlich ist der Messias dann in irgendeiner Form sowas wie ein Monteur von der Telekom, aber das jetzt nur nebenbei.

Ich will aber nicht dauernd mit dem religiösen Dings kommen; das geht nämlich auch einfacher. Und, keine Angst, das wird jetzt kein deppertes Scheitern-als-Chance-Seminar, wo Sie 3.000 Euro dafür zahlen, dass Sie lernen, wie toll das ist, dass Ihnen die Frau weggelaufen ist, weil Sie jetzt im Bett Wurschtbrot essen dürfen. Scheitern als Chance klingt gut und ist natürlich hirnrissig bis dorthinaus. Scheitern als Prinzip – darum geht’s.

Ich hab jetzt kürzlich nämlich die perfekte Analogie für einen Erfolg ohne Erfolg entdeckt, ohne dass man da gleich metaphysisch werden muss.

Kennen Sie im Fernsehen die Sendung „Die Schatzsucher von Oak Island“? Wenn nicht, ist das auch nicht schlimm. Der Titel lässt jetzt da keine großen Fragen offen. Da geht’s um eine Insel, die heißt Oak Island, und um Leute, die wo da auf der Insel einen Schatz suchen. So weit. So gut.

Aber jetzt kommt’s: Die Sendung läuft jetzt in der zehnten Staffel. Jedes Jahr seit 2014 schaut ein Kamerateam den Leuten aufmerksam dabei zu, wie sie nix finden. Das ist nämlich der springende Punkt: Die finden da seit zehn Jahren nix.

Gut, was heißt da nix. Acht Nägel und drei Bretter und eine Kokosnuss. So ungefähr. Aber das stört irgendwie keinen, weil alle glauben, dass es bestimmt bald soweit ist. Da steht dann einer da und schaut ganz begeistert auf den Nagel, den wo er grad gefunden hat, und sagt sowas wie: „Ja ganz klar, das ist ein typischer Schatztruhennagel aus dem 17. Jahrhundert, ich merk’s schon, wir sind ganz nah dran.“

Ganz nah dran – darum geht’s. Eine jede Staffel hört so auf, dass man quasi sicher sein kann, dass man ganz bestimmt in der nächsten, spätestens in der übernächsten Folge den Schatz findet. Nur noch zwei, drei Schaufeln weitergraben, und dann darf man in den Goldschatz hüpfen wie der Onkel Dagobert in die Taler. Bloß heut ist leider schon Feierabend, also bittschön nächste Woche wieder einschalten.

Schön blöd, möcht man meinen, wer da immer noch zuschaut – aber das geht jetzt seit zehn Jahren so, und immer noch schalten die Leute ein. Und da muss man sich ein Beispiel dran nehmen, ganz persönlich und privat!

Es ist ja völlig klar, dass es voll super ist, wenn man einen Schatz findet. Aber dann ist halt die Sendung aus. Vielleicht beinahe einen Schatz finden, dass ist ein nachhaltiges Konzept! Das trägt über Jahre hinweg! Wenn der Frodo gleich am Anfang mit einem Adler zum Vulkan geflogen wäre und da den Ring hineingeschmissen hätte, dann wäre das logistisch naheliegend gewesen, aber den Roman hätte man jetzt nicht dringend verfilmen müssen. Um die Reise geht’s!

Der Mensch tut zwar gerne so, wie wenn er was erreichen möchte, aber am Schluss weiß er dann nicht, was er mit dem anfangen soll, das er erreicht hat. Ein Mensch, der auf alle Achttausender hinaufgekraxelt ist, das ist die ärmste Sau überhaupt. Einer, der sich vornimmt, dass er übermorgen mal spazierengeht, weil in drei Jahren, da könnt er ja bestimmt dann schon einen Marathon mitlaufen, der ist da viel besser dran.

Wenn Sie jetzt mit 25 schon der Chef vom VW geworden sind – oh mei, da tun Sie mir fei leid. Da hockt bestimmt die Mama beim Kaffee, verdreht die Augen und sagt: „Aber nur von der Nutzfahrzeugabteilung.“ Und dann gibt’s die Mütter, die sich freuen, weil der Sohnemann mit Anfang 30 die mittlere Reife jetzt dann doch nur ganz knapp nicht geschafft hat.

Nehmen Sie sich daran ein Beispiel, und machen Sie sich nicht durch Erfolge unglücklich. Führen Sie ein Leben als Cliffhanger. Morgen wird ganz bestimmt die Nachspeise weggelassen. Nächste Woche wird aus dem Spaziergang ein Dauerlauf. Übernächsten Monat gewinnen Sie bestimmt im Lotto, weil Sie nächsten Monat nämlich die richtigen Zahlen nur noch ganz knapp verpasst haben. In drei Wochen finden Sie das Bernsteinzimmer auf dem Flohmarkt, und dann ist’s eh schon Zeit für die Wiederkehr des Messias.„"

Das ist ein Leben. Beneidenswert.

Da schaltet man jeden Tag wieder neugierig ein und ist gespannt, wie’s weitergeht.

Auf Wiederschaun.

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Kommentare (3)

  • lundi

    |

    … ja schon…
    (… aber die eigentlich allerletzte Weisheit zum allumfassenden Lebensglück – die gibt’s dann aber sicher in der nächsten Folge.)

  • Anomaler Circus

    |

    Kurz: Scheitern ist das Angebot einer Chance, die man nicht ablehnen kann. Außer man bettet sein Haupt bereits auf einem Pferdekopf als Kissen. Nein, das war nicht Gott, sondern the Godfather, ihr Freizeit-Pharisäer!

Kommentare sind deaktiviert

drin