„Einer gegen alle“: Zugezogener Beschwerdeführer contra Szenetreff für Regensburgs Skater
Nahezu täglich muss das Regensburger Ordnungsamt seit kurzem am Skatepark am JUZ Arena vorfahren. Nicht, weil es dort vermehrt Probleme gibt, sondern weil einem Einzelnen die Nutzung des Parks nach 20 Uhr nicht passt.
Für alle Beteiligten kein Vergnügen: der Ordnungsdienst kommt zur Zeit täglich am Skatepark vorbei – wegen Beschwerden, die ein Einzelner neuerdings erhebt.
Auf den ersten Blick mag es unspektakulär erscheinen. Doch für viele junge Menschen in Regensburg ist das Areal am JUZ Arena im Kasernenviertel, am Unterislinger Weg, ein zweites Zuhause. Hier gibt es einen Bolzplatz, einen Bauspielplatz, ein Basketball- und ein Volleyballfeld, einen Dirtbike-Parcours und einen Skatepark.
Seit Jahrzehnten wird hier gebolzt und gedribbelt, durch den Dirtpark geheizt und auf der Skate-Anlage Skateboard gefahren. Es ist der größte und zentralste Skatepark in Regensburg, ein echter Szenetreffpunkt. Doch seit kurzem ist die Fläche auch ein Hotspot für das Regensburger Ordnungsamt.
„Zahlreiche Beschwerden“ einer Einzelperson
Seit Beginn der Skateboardsaison fährt dort, spätestens um kurz vor acht, nahezu täglich ein Wagen mit zwei bis drei städtischen Ordnungshütern vor, um die Jugendlichen des Platzes zu verweisen. Auch Bußgelder wurden bereits verhängt. Dies geschehe „aufgrund der zahlreichen Beschwerden“, so die städtische Pressestelle.
Doch diese zahlreichen Beschwerden gibt es erst seit wenigen Monaten – und sie stammen im Wesentlichen von einer Person, die sich dort erst kürzlich eine Eigentumswohnung gekauft hat. Nach Informationen unserer Redaktion lässt sich der Mann von einer renommierten Kanzlei für Verwaltungsrecht vertreten, um sein Anliegen durchzusetzen.
Nach erfolglosen Versuchen, mit dem Mann ins Gespräch zu kommen, und den regelmäßigen Besuchen des Ordnungsamts ist der Verein spot e.V. nun mit einer Erklärung auf seiner Website und in den sozialen Medien an die Öffentlichkeit gegangen.
Seit 20 Jahren keine Beschwerden, kein Problem mit anderen Nachbarn
Der 2008 gegründete Zusammenschluss von Skateboardern, Inlineskatern und BMX-Fahrern stellt unter der Überschrift „Einer gegen alle“ die Frage, ob die unergründlichen Beweggründe eines Einzelnen so mir nichts, dir nichts über das Anliegen einer seit Jahren gewachsenen Gemeinschaft gestellt werden können, die sich nichts zuschulden kommen lässt.
Unter anderem heißt es:
„Wie kann das Ruhebedürfnis einer Person mehr wiegen als das im Grundgesetz garantierte Recht auf freie Entfaltung und allgemeine Handlungsfreiheit von Hunderten? Soll das demokratisch sein?“
Laut Vereinssprecher Tobi Kraus gab es seit über 20 Jahren keine Beschwerden. Erst seit diesem Jahr komme praktisch jeden Tag pünktlich um 20 Uhr das Ordnungsamt vorbei und erteile Platzverweise.
Dabei geht es nicht um Ruhestörung, Vandalismus oder sonstigen Ärger, sondern fast ausschließlich um „Überschreitung der Nutzungsdauer“. Ein Punkt, den auch die städtische Pressestelle nennt. Von Ruhestörung ist hingegen keine Rede.
Formal ist der Beschwerdeführer im Recht
Formal ist der Beschwerdeführer im Recht. Der Skateboard-Park fällt unter die städtische Grünanlagensatzung, und die sieht (ab Mai) lediglich eine Nutzung zwischen 9 und 20 Uhr vor. „Die Benutzung der Spielanlagen ist außerhalb dieser Zeiten nicht gestattet“, so die Pressestelle.
Dass die Praxis in der Vergangenheit eine andere war und sich daran auch niemand störte, ändert daran nichts – auch wenn die Beschwerden nur von einer Einzelperson kommen. „Im Kern geht es um die Einschränkung unausgesprochener Rechte vieler, nur damit das formale Recht eines Einzelnen gewahrt wird“, heißt es in der Erklärung von spot e.V.
Skaten nach 20 Uhr: im Skatepark untersagt, am Parkplatz erlaubt
Vor allem im Hochsommer wäre der Zweck der Anlage damit weitgehend verfehlt. „Da geht es doch erst um 18 oder 19 Uhr los. Vorher ist es viel zu heiß“, sagt uns ein Nutzer der Anlage. Er bezeichnet die derzeit geltende Regelung als „paradox“. „Wenn uns das Ordnungsamt von hier vertreibt, haben wir dagegen keine Handhabe. Aber auf dem Parkplatz nebenan dürften wir bis um 22 Uhr Skateboard fahren – der fällt nämlich nicht unter die Grünanlagensatzung.“
Man habe schon mit mehreren Nachbarn aus dem potentiell betroffenen Mehrfamilienhaus gesprochen, das am nächsten liegt, sagt Tobi Kraus. „Die haben alle kein Problem mit uns.“ Lediglich bei dem Beschwerdeführer habe man bislang vergeblich das Gespräch gesucht. Deshalb gehe man nun an die Öffentlichkeit.
Vorschlag: Satzung ändern
Der Vorschlag: Für die Anlage soll in der städtischen Grünanlagensatzung entweder eine Ausnahme vorgesehen werden, die eine Nutzung bis 22 Uhr möglich macht. „Dafür kann man gerne eine befristete Sonderregelung für eine Saison machen“, erklärt Tobi Kraus. Während dieser „Pilotphase“ könne dann auch ein Lärmschutzgutachten erstellt werden. „Dann hätte man eine objektive Grundlage.“
Eine andere Möglichkeit: Die Umwidmung des Skateboard-Parks zur Sportanlage. Dann würden andere Lärmschutzregelungen – ebenfalls bis 22 Uhr – gelten.
Allzu exotisch sind diese Ideen nicht. In Langquaid (Landkreis Kelheim) gilt der Skatepark als Sportanlage, die bis 22 Uhr offen ist. Die Stadt Amberg regelt die Nutzungsdauer ihrer Anlage durch eine eigene städtische Satzung bis maximal 22 Uhr.
Es gibt mittlerweile auch mehrere Gerichtsurteile zu Nachbarschaftsklagen, in denen festgehalten wird, dass Skateanlagen als Sportanlagen gelten – mit entsprechender Nutzungszeit. Seit 2020 ist Skateboarding schließlich sogar olympische Sportart.
Alle bis auf einen verlieren
Es gab bereits Gespräche mit Vertretern städtischer Ämter – Sportamt, Gartenamt, Amt für kommunale Jugendarbeit. „Ich hatte schon das Gefühl, dass man dort unser Anliegen versteht“, sagt Tobi Kraus. „So wie es jetzt läuft, verlieren doch alle.“
Die Stadt Regensburg schickt täglich auf Geheiß einer Einzelperson ihren Ordnungsdienst vorbei, obwohl dieser Besseres zu tun hätte. Nebenbei kostet es eine Stange Geld. Der Zweck des Skateparks wird für hunderte Nutzerinnen und Nutzer spürbar beschränkt. Das alles für die Anliegen eines Einzelnen, die – nimmt man die übrige Nachbarschaft – nicht von objektiv nachvollziehbaren Interessen getragen zu sein scheinen.
Verständnis bei der Sportbürgermeisterin
Bei der städtischen Pressestelle zieht man sich auf die bislang geltenden Regelungen zurück. „So lange diese Örtlichkeit als Spiel- und Bolzplatz Bestandteil der aktuell gültigen Satzung für die Benutzung der öffentlichen Grün- und Spielanlagen der Stadt Regensburg ausgewiesen ist, ist es nicht möglich, die Nutzungsdauer auf 22 Uhr auszuweiten“, heißt es. Eine Änderung von Benutzungszeiten sei „eine politische Entscheidung“.
Damit wäre der Stadtrat gefragt.
Sportbürgermeisterin Astrid Freudenstein äußert im Gespräch mit unserer Redaktion Verständnis für die betroffenen Jugendlichen. Man müsse nun eine rechtssichere Lösung finden, „um den Konflikt zu entschärfen“. Der Beschwerdeführer wird dies mit juristischem Beistand sicher aufmerksam beobachten.
Trackback von deiner Website.
martin
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Schön, dass die Lösung mit der Sportanlage direkt gefunden wurde. Hoffentlich kriegt die Stadt das schnell hin, bevor die Saison vorbei ist…
PS: Rechtschreibfehler ganz am Ende :) “saicher”
Burgweintinger
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Jetzt könnte die Sportbürgermeisterin Haltung zeigen und möglichst schnell für die Jugendlichen in der Verwaltung antreiben, dass diese Anlage umgewidmet wird!
Widerliches Verhalten von dem Zugezogenen!
Mr. T.
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Wie antisozial muss man eigentlich sein, um sich auf so einen Streit mit allen einzulassen? Vor allem, wenn man dort eine Eigentumswohnung gekauft hat, sollte man doch zumindest etwas anstreben, es sich nicht mit allen so dermaßen komplett zu verderben. Man muss ja nicht Everbodys Darling werden wollen, aber will man der sein, den jeder im Viertel hasst?
Gürteltier
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Immer wieder dieselbe Leier mit einem oder einer Zugezogenen die sich an bestehenden Strukturen stört und maximal dagegen vorgeht. Ich weiß nicht in wievielen Örtlichkeiten der Innenstadt deswegen keine Konzerte mehr durchgeführt werden dürfen…
Nun also bei der Arena, die Anlaufpunkt für und (was den Dirtpark angeht) selbstverwaltet durch junge Leute ist. Wenn dieser Einzelperson nachgegeben wird ist das ein Schlag ins Gesicht aller die sich in Freiräumen wie diesen finden und engagieren.
Beamter
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Wie in anderen Eingriffsverwaltungen dürfte auch das Ordnungsamt chronisch unterbesetzt sein.
Warum also fährt das Ordnungsamt dort täglich mit mehreren Beamten vorbei? Liegt Gefahr im Verzug vor? Sind Schutzgüter – Leib, Leben, Umwelt, … – akut gefährdet?
Oder liegt es an dem Schriftwechsel mit der “renommierten Kanzlei für Verwaltungsrecht”? Wird etwa mit einer Verpflichtungsklage gedroht?
Die zuständige Behörde hat nach § 9 der Satzung für die Benutzung der öffentlichen Grünanlagen und Spielanlagen der Stadt Regensburg ein Ermessen, ob sie Platzverweise ausspricht oder nicht.
Also entweder, wir kennen nur die halbe Wahrheit und es gab zig Verstöße gegen weitere Vorschriften, Schlägereien, Alkoholexzesse usw. usf., oder, die Stadt lässt sich hier von einer einzelnen Person gängeln.
Bei uns in der Behörde – ebenfalls eine Eingriffsverwaltung, aber völlig andere Rechtsgebiete – werden die (sehr zahlreichen) Anfragen, Beschwerden etc. nach Dringlichkeit abgearbeitet – und da geht es, wie beim Ordnungsamt auch, dann doch auch immer wieder um Gefahren und schwerwiegende Rechtsgüterverletzungen.
Wenn wir jeden noch so kleinen Rechtsverstoß ahnden würden oder jede noch so kleine Vorschrift, Auflage etc. durchsetzen würden, würde selbst bei massiver Aufstockung des Personalstamms gar nichts mehr funktionieren. Wir kommen so schon kaum hinterher, wichtige Vorschriften durchzusetzen und gravierende Verstöße zu ahnden.
Selbst die Staatsanwaltschaften stellen en mass Ermittlungsverfahren wegen Geringfügigkeit ein, und da geht es um Strafsachen, und nicht um nicht mal bußgeldbewehrte Verstöße (Aufenthalt nach 20 Uhr) gegen Vorschriften einer kommunalen Satzung.
Wobei wir wieder bei der Politik wären – die Kolleginnen und Kollegen im Ordnungsamt haben ganz sicher Wichtigeres und Dringlicheres zu tun, denen dürfte auch hier wieder mal von oben aufoktroyiert worden sein, was sie zu tun haben.
El
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Wie verbiestert und im eigentlichen Sinne a-sozial muss ein Mensch sein,
um den Jugendlichen ihre Freude derart zu vergällen.
Es steht zu hoffen, dass die Grünanlagensatzung im Sinne der Jugendlichen geändert werden kann und dies bald.
Was ich mich gerade frage, ist, ob es sich nicht um ein Gewohnheitsrecht handelt, wenn sich die längere Nutzung bereits seit Jahren eingebürgert hat.
Robert Fischer ÖDP
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Witzig, wenn man das Ordnungsamt wegen Falschparkern ruft, kommt selten wer oder nur sporadisch. Prioritäten und so.
Dieter
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Ja ja, die bösen Zugezogenen. Hoffentlich kein Preiß oder ein Ausländer!
“sie stimmen im Wesentlichen von einer Person” – aber nicht nur von einer oder?
Ganz ehrlich, warum hat man da eigentlich nicht seit Jahren versucht, Rechtssicherheit für den Treffpunkt zu schaffen?
Die Chancen wären ohne Beschwerden wahrscheinlich besser gewesen.
Schade für die Skater, Dirtbiker usw….mir scheint, das hätte man im Vorfeld verhindern können.