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Tocotronic live in München

„Heiß ist es bei euch!“

Im Rahmen einer kleinen Clubtour waren Tocotronic am 28.04.15 auch in München. Wir haben ein paar Worte dazu.

Von Martin Oswald, heartcooksbrain

Tocotronic

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Die Herbsttour zum am 1. Mai erschienenen neuen Tocotronic-Album (Review folgt in Kürze) stand schon länger fest, die kleine Clubtour in den fünf größten Städten im deutschsprachigen Raum (inklusive eines tatsächlichen Überraschungskonzertes in Wien) kam umso überraschender. Wenig überraschend war wiederum, dass sie innerhalb weniger Tage (wenn nicht sogar Stunden) restlos ausverkauft war. Tocotronic wissen auch noch nach über 20 Jahren Publikum zu locken, das sich mittlerweile aus mindestens drei Musik-Generationen zusammensetzen dürfte. Die popkulturelle Relevanz der Tocs ist freilich einzigartig und die Fachpresse hinsichtlich der Veröffentlichung des mittlerweile elften und sogenannten Roten Albums im Ausnahmezustand.

Intro, Spex, Musikexpress und wie sie alle heißen – niemand im Blätterwald, der der Kritiker_innen liebsten Band nicht eine Titelstory widmet. Während es sich der Rest also im November im riesigen und klanglich unterirdischen Zenith gemütlich machen kann, hatten diejenigen, die schnell etwas mitbekommen, dabei auch noch schnell schalten und ebenso schnell einen Computer bedienen können, bereits jetzt die Gelegenheit Tocotronic bei der Vorstellung ihres neuen Albums im vergleichsweise intimen Rahmen zu sehen. Die Rede von Intimität ist hierbei übrigens nicht eine bloße Floskel, sondern für die thematisch mit „Liebe“ überschriebene Platte und der körperlich verausgabenden Atmosphäre im STROM mehr als passend. Denn heißer hätte es kaum werden können – in so ziemlich allen Bedeutungen dieses Wortes. „Heiß ist es bei euch!“ – Dirk von Lowtzow, dessen meist im Takt seiner eigentümlichen Silbenaussprache wippender Kopf förmlich glühen musste, entging natürlich auch nicht, dass es im Raum – mit Verlaub – pervers heiß war. Eine Sauna war das. Aber das nur nebenbei.

Tocotronic

Mit den neuen Stücken Prolog und Ich Öffne Mich eröffnen Tocotronic den Abend. Und hört man auf dem Album gerade diesen Songs eine ausgiebige Popattitüde an, so bleibt von letzterer live gar nicht mehr viel übrig. Jan Müllers Bass brummt voran, Arne Zank kann mittlerweile ordentlich die Bass Drum treten und Rick McPhails Gitarrenarbeit (insbesondere in Ich Öffne Mich) ist ohnehin mehr Prog Rock als Pop. Allgemein haben Tocotronic auf der Bühne mehr Biss als ein Studio jemals aus ihnen herauskitzeln könnte. Das mag zu einem gewissen Anteil auch an der besagten Intimität liegen, auf jeden Fall aber an der Wirkungs- und Strahlkraft des tocotronischen Textguts, das mit Hingabe mitskandiert wird.

Im STROM wirken Songs respektive Slogans wie Aber Hier Leben, Nein Danke!, Hi Freaks oder Samstag Ist Selbstmord noch ausdrucks- und bedeutungsstärker als sie es ohnehin schon sind. Oder in all den Jahren waren. Die Band versteckt sich nicht hinter der ultraintellektuellen Nerd-Aura, in die sie schon so häufig gehüllt wurde und sich hüllen ließ, sondern verausgabt sich förmlich. Mein Ruin oder das fantastische Live-Erlebnis Explosion stehen sinnbildlich und exemplarisch dafür, dass Tocotronic nicht eine Sekunde daran denken sich auf dieser kleinen Tour zurückzuhalten. Sie geben alles. Drei Zugaberunden sind es am Ende, die Tocotronic mit einem Bogen zur Intimität und ihrer Liebesplatte, mit der sie eigentlich unterwegs sind (obwohl sie am Merchtisch noch gar nicht ausliegt), schlagen: „Bis wir zusammen sind / bis wir“ (Drüben Auf Dem Hügel). Näher könnten sie ihrem Publikum nicht sein.

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Kommentare (7)

  • Peter Lang

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    O je. Ist noch einer mehr auf das Geschwurbel der Germanisten-Popper reingefallen. Prätentiöses Geschrammel, Worthülsen, gesuchte und extrem bemühte Metaphern, eine Marketingmaschinerie, die subtil, emsig und äußerst effizient läuft – mehr ist Tocotronic nicht, Leute. Zugegeben, beim Live-Konzert war ich nicht dabei, mag sein, dass im Kollektiv der begeisterten und bedingunslosen Vererhrer schon mal das eigene Urteilsvermögen aussetzt, aber diese Lobhudelei vom sonst von mir sehr geschätzten Herrn Oswald, kann ich nicht nachvollziehen.

  • Hand Dampnf

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    Sehr geehrter Herr Lang, ich sekundiere Ihnen inbrünstig. Tocotronic war und ist überbewertet – aber ich bleibe tolerant :) “Katzen fressen Mäus, i mags net.”

  • Peter Lang

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    Genau, jeder wie er’s mag! Eine Rezi zu einem Club-Konzert in MUC finde ich bei RD etwas weit hergeholt. Schon allein kilometer-mäßig! Wenn ein Regensburg-Bezug erkennbar wäre … Und weil es ausgerechnet die Tocodingenskirchen sein mussten, konnt ich leider nicht mehr an mich halten.

  • Esther Esper

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    Tocotronic waren 2005 das letzte Mal in Regensburg mit dem großen Aber hier leben? Nein Danke!
    Daran haben sie sich natürlich gehalten und sie sind nie wieder hierher gekommen.

  • Horsti

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    Das Tocotronic-Konzert in Regensburg 2005 war grauenhaft. Aber sie sind (waren?) ja eine notorisch schlechte Liveband. Ansonsten erinnere ich mich noch an zwischenzeitlich genervte Ansagen von Seattle-Dirk, weil bei der auch weibliche Mitglieder enthaltenden Vorgruppe “La Grande Illusion” aus dem Publikum peinliche “Ausziehen, ausziehen!”-Rufe kamen.

  • Peter Lang

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    @Esther Esper
    Und das ist auch gut so!

  • Esther Esper

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    Ich kann mich an die Ausziehen-Rufe erinnern: Tocotronic selbst wurden gebeten, sich doch bitte auszuziehen. Wahrscheinlich war es auch damals heiß und die Extase zu groß. Bei Liveauftritten hört man nämlich auch, dass es eine Rockband ist, sie schrammeln härter als die meisten Bands die in den 20 Jahren danach entstanden sind.
    Ich fand’s gut.

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