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Intelligenter bomben mit blöden Worten

„Intelligente Wirksysteme”. Immerhin auf Platz drei – nach „betriebsratsverseucht” und „Flüchtlingsbekämpfung” (ein Bonmot von Bundeskanzlerin Angela Merkel) – hat es diese schmucke Wortschöpfung bei der Wahl zum Unwort des Jahres 2009 gebracht. Intelligente Wirksysteme – das sind Qualitätsprodukte aus deutschen Landen, folgerichtig hergestellt von der „Gesellschaft für intelligente Wirksysteme”. Die Konzerne Diehl und Rheinmetall haben mit diesem Begriff 1988 ihr gemeinsames Unternehmen benamt. Eine intelligente, wenn nicht gar smarte Entscheidung: „Liquidieren” hört sich besser an als „umbringen”, „Mischkonzern” besser als „Waffenschmiede” und „intelligentes Wirksystem” besser als „Geschoss”, „Bombe” oder „Mordwerkzeug”. Ein „intelligentes Wirksystem” ist die Smart 155. Smart, das bedeutet nämlich nicht nur „intelligent”, sondern steht auch als Akronym für „Suchzündermunition für Artillerie”. Ob die Tötung mit der Smart 155 punktzielgenau oder breit gestreut erfolgt, darüber hat sich unsere Redaktion im vergangenen Jahr mit der Traditionswaffenschmiede Diehl gestritten. Ein Streit um Begrifflichkeiten (mehr dazu in der taz vom 2. März 09). „Streumunition” ist schlecht (weil geschäftsschädigend), Punktzielmunition gut (weil nicht von Verboten bedroht und gut verkäuflich), glaubte Diehl (in Einklang mit der Bundesregierung). „Streumunition” ist korrekt, weil so auch von mehreren Experten, humanitären Organisationen und einigen Politikern verwendet, glaubte unsere Redaktion. Falsch gedacht, wie wir uns am Landgericht München erklären ließen. Nun: Nach einem Vergleich im März 2009, ist es unserer Redaktion noch erlaubt, die Meinung zu vertreten, bei der Smart 155 handle es sich um Streumunition, wir dürfen es allerdings nicht als Tatsache behaupten. Bei anderen, die diese Begrifflichkeit verwenden, will Diehl von Fall zu Fall entscheiden, ob man nun Klage erhebt oder nicht. So weit so gut: Immerhin scheint nach der Wahl der Unwort-Jury klar, dass man auch künftig eine Bombe, ein Geschoss oder Projektil als das bezeichnen darf was es ist und sich nicht auf den Diehl/Rheinmetall-Sprech „intelligentes Wirksystem” zurückziehen muss. Wie die Smart 155 tatsächlich wirkt, wird sich hingegen erst herausstellen, wenn sie eingesetzt wird. Dass die herrschende politische Doktrin das stützt ist nur logisch: Die Rüstungsindustrie ist wichtig, ein Flaggschiff der Wirtschaftskraft des Standorts Deutschland (Nur so am Rande: Just durch Gewinne in der Rüstungssparte konnte Diehl in der Vergangenheit die Auswirkungen der Wirtschaftskrise erheblich abfedern.) Hinter dieser Doktrin dürfen auch Menschenleben zurückstehen, zumal von Nichtdeutschen. Übrigens: Neben den „intelligenten” führen Diehl und Rheinmetall auch „sonstige wehrtechnische Wirksysteme”, die sich „für alle Einsatzzwecke” eignen. Über die Einsatzzwecke – Krieg, Mord und Totschlag oder vielleicht sogar Flüchtlingsbekämpfung mag man sich dann so seine Gedanken machen.
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