Morgen, Regensburg! Licht, Romantik und Frauen von gestern

1. Einfach mal die Klappe halten
Am Sonntag hatten wir Grünen-Fraktionschef Daniel Gaittet zu Gast in unserem neuen Gesprächsformat bei Ghost Town Radio. Arbeitstitel: Politisch plaudern über Regensburg. Ich plauderte zu viel. Der Chat ermahnte mich. Mea maxima culpa. Ich gelobe Besserung. Vielleicht war es der Salutaris. Hier kann man die Aufzeichnung unseres Live-Gesprächs nachhören. Diesen Sonntag kommt CSU-Chef Michael Lehner – wenn er in Studionähe einen Parkplatz findet. Bin schon gespannt.
2. Das können Sie alles senden.
Viel geredet habe ich letzte Woche bei Alexander Roth, ehemals im Vorstand der Regensburger SPD (Team Rudner) und Inhaber einer Werbeagentur. Er hat sich vorgenommen, den Regensburger Kommunalwahlkampf mit einem wöchentlichen Podcast „ohne Floskeln, ohne PR-Sprech“ zu beleuchten. Zum Start von „Rennen ins Regensburger Rathaus“ hat Roth sich 98 Minuten mit mir unterhalten – eine One-Take-Aufnahme ohne größere Schnitte. Gelegentlich habe ich mich in Rage geredet.
Hier kann man das Ganze nachhören.
3. Frauen von gestern
Letzte Woche bin ich auf ein interessantes Projekt gestoßen, das der Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) im Donaueinkaufszentrum auf die Beine gestellt hat. Seit 1. Dezember und noch bis Ende Februar laufen im „Kunstraum“ (Haupteingang West) wechselnde Ausstellungen, Kunstaktionen und Gespräche.
Ein Künstler, den ich in diesem Zusammenhang kennengelernt habe ist Ulrich Koch – ein äußerst angenehmer Gesprächspartner mit einer Vita, über die man viel schreiben könnte (hier geht es zu seiner Homepage). Doch mir geht es hier um ein Bild von ihm, das bis letzten Samstag noch im DEZ hing. Es trägt den unverfänglichen Titel GLORIA.

Ulrich Koch, umringt von Frauen von gestern. Fotos: privat/ Archiv / Staudinger
Es ist Teil von Kochs neuer Serie FRAUEN VON GESTERN, von der im Kunstraum auch noch eine gewisse LENI zu sehen war. Zu den beiden werden sich – so Kochs Versprechen – unter anderem noch eine MAGDA, WINIFRED, EVA und GEORGIA gesellen.
Ich finde die Serie, als deren Teil das GLORIA-Bild gemalt wurde und die Gesellschaft, in der es sich bewegt, wirklich passend. Nun ein völlig willkürlicher Gedankensprung: zum „Romantischen Weihnachtsmarkt“ auf Schloss St. Emmeram.
Dort empfing der „umstrittene“ Veranstalter Peter Kittel („Gutmenschen-Mafia“, „Bananenrepublik“, „links-woke Meinungsmanipulation“) zuletzt die israelische Generalkonsulin und versicherte ihr, „fest an der Seite Israels“ zu stehen – eine Nachricht, die sich wie ein Lauffeuer zwischen Euphrat und Tigris verbreiten dürfte (ok, das hab ich aus einem Facebook-Kommentar geklaut.).
Na ja – zumindest stand es als Jubelmeldung in der MZ. Kittel betreibt schließlich – Eigenwerbung – ein „führendes Online-Meinungsmedium in Regensburg und auch über die Domstadt hinaus“.
Kittels Schwester im Geiste, Gloria von Thurn und Taxis lud hingegen Stefanie Elsässer („ausländische Kinder mit deutschen Pass“) und Paul Klemm vom rechtsextremen COMPACT-Magazin auf einen romantischen Glühwein ein. In einem schön-schmalzigen PR-Video inklusive Gebet beweihräuchert sich das Trio gegenseitig („Eigentlich sind Sie Königin. Das Volk liebt sie.“).
Es ist passend, dass von Thurn und Taxis am Ende zur Bundespräsidentin vorgeschlagen wurde von den Exponenten eines Magazins, das trieft vor Rassismus, Verschwörungsgequatsche und Antisemitismus. Zum Glück war die israelische Generalkonsulin schon vorher da. Ich binde das Video hier nicht ein, aber wer sich die Schmonzette antun will – einfach mal nach Gloria, Compact, Glühwein suchen.
Ein Gastronomen, der sich über den Kittel-Markt wohl schon für die Schlossfestspiele andienen will, hat in Zusammenhang mit einer friedlichen Protestaktion gegen Gloria und Kittel bei Facebook von einer „linken Hetzkampagne“ geschrieben. Ich habe dafür vollstes Verständnis. Charakter zahlt schließlich nicht die Miete.
4. Mehr Licht
Neulich habe ich mich mit ein paar Geschäftsleuten in der Maximilianstraße unterhalten. Dorthin hat sich bekanntermaßen ein Teil der Drogenszene und die damit einhergehenden Probleme verlagert, nachdem rund um den Hauptbahnhof durchgegriffen wurde. Diebstähle und Schlägereien untereinander sind dort an der Tagesordnung – und ein generelles Gefühl der Unsicherheit, von dem ich als großer Mann zwar nicht betroffen bin, das ich aber gerade nachts nachempfinden kann.
Wer sich dort mit offenen Augen ein wenig länger aufhält, kann dabei zuschauen, wie die Pflanzkübel als Drogendepots benutzt werden. Teils so offen, dass ich mich frage, warum hier nicht mal mit ein paar Zivilbeamten und regelmäßigen Streifen durchgegriffen wird – nach dem Vorbild des Hauptbahnhofs.
Aber dort hatte man ja auch so lange abgewartet, bis es mit Fußstreifen nicht mehr zu schaffen war, der Banden Herr zu werden und die Polizei mit größerem Besteck an die Sache rangehen musste.
Flankiert wurde das von teils rassistisch verbrämter überregionaler Berichterstattung und Wahlkampfgetöse, in dessen Zuge die Situation am Hauptbahnhof schlimmer dargestellt wurde, als sie tatsächlich war. Das ist zumindest mein Eindruck.

Wenn die Weihnachtsbeleuchtung ausgeht, wird es in der Maxstraße dunkel. Das bleibt auch erst einmal so. Foto: as
Irgendwie scheint man es in der Maximilianstraße nun auch wieder so lange laufen zu lassen, bis die große Keule ausgepackt werden muss.
Völlig unverständlich ist mir, weshalb die defekten Lampen dort nicht schon längst repariert wurden. Noch keine Lösung, aber sicher eine deutliche Verbesserung wäre das. Wo Licht ist, gibt es weniger Kriminalität und man fühlt sich sicherer.
Das Fledermaus-/ Naturschutz-Argument, mit dem eine Beleuchtung in der Fürst-Anselm-Allee immer wieder verzögert wurde und in Teilen immer noch verzögert wird, greift in der Maximilianstraße nicht.
Wenn es Lieferprobleme bei den Ersatzteilen für die angejahrten Lampen gibt, wie zuletzt die MZ berichtete, dann muss übergangsweise eine Ersatzlösung her. In meinen Augen könnte man das auch zum Anlass nehmen, um diese unsäglich hässlichen Lichtzigarren wegzureißen und was ganz Neues aufzustellen.
Doch zuletzt konnte man lesen, dass es in diesem Jahr nichts mehr wird mit dem neuen Licht. Warum sollte man sich auch beeilen, wenn es gemächlich geht? Ist ja nur die dunkle Jahreszeit. Lassen wir das doch einfach mal laufen… #ironieoff
Ich habe dazu ein paar Anfragen verschickt und hoffe, dass es es in diesem Jahr noch für einen ausführlicheren Bericht über das Thema reicht.
Bittere Ironie des Ganzen: Mehr als zwei Drittel der Geschäftsinhaber in der Maximilianstraße haben selbst Migrationshintergrund – aus Syrien, Afghanistan, Indien etc. etc.
Sie haben nicht nur mit Umsatzeinbußen zu kämpfen, sondern müssen sich am Ende noch irgendwelche kryptischen Stadtbild-Äußerungen anhören, bei denen sie mit der Minderheit an Kriminellen über einen Kamm geschoren werden.
5. Stadtbild
Apropos Stadtbild und Gemächlichkeit. Bundeskanzler Friedrich Merz hat ja diesen Montag tatsächlich so etwas wie einen Hauch Selbstkritik erkennen lassen. Bei der ARD-Arena hat er eingeräumt: „Ich hätte vielleicht früher sagen sollen, was ich konkret damit meine.“ Hat ja nur knapp zwei Monate gedauert.
Was die von Merz losgetretene Stadtbild-Debatte mit denjenigen macht, die betroffen sind von dieser bewusst oder aus Dummheit für jedwedes rassistische Ressentiment offenen Aussage, kann man in einem eindrücklichen Statement des Regensburger Integrationsbeirats nachlesen, das ich unten komplett veröffentliche.
Entspannte Restwoche!
„Unser Stadtbild lebt, weil wir darin leben.“
Ein leidenschaftliches Statement des Integrationsbeirats der Stadt Regensburg
In unserem Land wird in diesen Tagen über das „Stadtbild“ gesprochen, aber nicht über jenes, das wir jeden Tag erleben.
Wir hören Worte, die verletzen. Worte, die Mauern bauen. Worte, die Menschen, die hier geboren wurden oder hierherkamen, in ein „Wir“ und „Sie“ aufspalten sollen.Und wir sagen klar: So etwas darf ein Bundeskanzler nicht tun!
Ein Kanzler, der von einem „Stadtbild“ spricht, als wäre Vielfalt ein Schaden, verfehlt seine Verantwortung, verachtet Menschen, die das Land am Laufen halten und beschämt seine Bewohner.
Er spricht nicht für das ganze Land – er spricht an vielen Menschen vorbei.
Er vergiftet den Blick auf Städte, die längst viel weiter sind als seine Worte.Worte können trennen.
Aber sie können auch aufrütteln.Wir möchten, dass unsere Stadt hört, was wirklich gemeint ist, wenn auf „das Stadtbild“ gezeigt wird.
Sie sollen von den Problemen ablenken, die wir alle kennen:
steigende Mieten
Kinder- und Altersarmut
kaputtgesparte Schulen
überlastete Kitas
ein Pflegenotstand
ungleiche Bezahlung
die Folgen des Klimawandels
rechte, rassistische und antisemitische Gewalt – auch an Schulen
Keines dieser Probleme hat etwas mit Herkunft zu tun.
Aber alle diese Probleme haben etwas mit Politik zu tun.Wenn Menschen, die hier leben, als Störung des „Stadtbilds“ beschrieben werden, dann ist das eine Nebelkerze.
Eine bewusste Ablenkung von Verantwortlichkeiten.
Eine Verlagerung von Schuld.Wir sagen: Schluss damit.
Schluss damit, Menschen zu erklären, sie seien nicht Teil dieses Landes, obwohl sie jeden Tag dafür arbeiten, es am Laufen zu halten.
Schluss damit, Vielfalt als Gefahr darzustellen, weil man keine Antworten auf echte soziale Probleme hat.
Schluss damit, Bürger*innen gegeneinander auszuspielen.Was uns im Stadtbild wirklich stört?
Nicht die Vielfalt.
Nicht die vielen Farben unserer Stadt.
Nicht Menschen, die mehrere Sprachen sprechen, verschiedene Traditionen leben oder andere Namen tragen.Was uns stört, ist etwas ganz anderes:
rassistische Werbung
Beleidigungen in Bussen
Angriffe auf queere Menschen
antisemitische Schmierereien
menschenfeindliche Sticker
das Verdrängen wohnungsloser Menschen
die Abwertung Geflüchteter
unbezahlbare Mieten
fehlende Kitaplätze
überlastete Pflegekräfte
Das zerstört das Stadtbild.
Nicht wir.
Nicht die Vielfalt.
Nicht Menschen, die hier ihr Leben aufbauen.Wofür wir kämpfen – und was wir fordern
Wir kämpfen für ein Stadtbild, das uns alle sieht.
Für eine Sprache der Verantwortung.
Für politische Führung, die nicht spaltet, sondern zusammenführt.
Für Chancengerechtigkeit, Teilhabe, Bildung, Sichtbarkeit.Wir fordern:
eine klare Abkehr von ausgrenzender, gefährlicher Rhetorik,
konkrete Schritte gegen soziale Ungleichheit,
Investitionen in Bildung, Wohnen, Betreuung und Pflege,
Schutz vor Diskriminierung in allen öffentlichen Räumen,
politische Anerkennung von Migration als Teil der Zukunft dieses Landes.
Wir erinnern die Stadt an etwas WichtigesWir sind nicht irgendein Randphänomen.
Wir sind keine statistischen Fußnoten.
Wir sind nicht „Störung“.
Wir sind Bürger*innen dieser Stadt.Wir sind Teil davon.
Wir sind mittendrin.
Wir sind das, was dieses Stadtbild lebendig macht.Er sagt Stadtbild.
Wir sagen Zuhause.
Er sagt Problem.
Wir sagen Mitmenschen.
Er zeigt mit dem Finger.
Wir reichen die Hand.An unsere Stadtbevölkerung
Wir stehen mit Ihnen – nicht gegen Sie.
Unsere Vielfalt gehört zu Ihrem Alltag, zu Ihrem Arbeitsplatz, zu Ihrer Nachbarschaft.
Wir tragen mit bei.
Wir gestalten mit.
Wir gehören dazu.Wenn jemand behauptet, wir seien ein Problem –
dann erkennen Sie darin bitte nicht die Realität,
sondern die Absicht.Wir bleiben. Wir gestalten. Wir gehören dazu.
Dieses Stadtbild lebt – weil wir alle darin leben.
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Mr. T.
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Faszinierend, wie Gloria und Kittel Juden-Pingpong spielen. Es ist eh kaum zu glauben, wie lang schon die extreme Rechte es schafft, sowohl Antisemiten als auch Juden gleichermaßen zu bedienen, ohne dass ihnen eine der beiden Gruppen da jemals auf die Füße steigt. Da schafft es immer jemand, eine unglaubwürdige Distanzierung von bestimmten Einstellungen hinterherzuschieben, die die eine Gruppe beruhigt, die andere aber deswegen nicht beunruhigt. Die tanzen einen unendlichen Dogwhistling-Distanzierungs-Cha-Cha-Cha ohne aus dem Takt zu kommen.