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Kolumne

Morgen, Regensburg! Wenn ein Stadtrat übergriffig wird…

Manchmal können Rechtsextreme unangenehm „touchy“ werden, bei anderen ist bekannt, dass sie sowieso keine Berührungsängste mit noch weiter Abgedrifteten haben. Und auch manche Linke sollten sich überlegen, mit wem sie auf die Straße gehen. Außerdem habe ich mich mit Frau Freudenstein unterhalten – ungewöhnliches Setting für uns beide.

1. Finger weg, Brucker!

Ich bin, vermutlich berufsbedingt, ein durchaus kontaktfreudiger Mensch. Ich diskutiere gern und mich kann man auch mal schräg von der Seite anquatschen. Partout nicht leiden kann ich es aber, wenn man einfach so in ein Gespräch reinplatzt oder mich ungefragt anfasst.

Noch weniger mag ich das, wenn das so ein unangenehmer Zeitgenosse macht wie AfD-Stadtrat und Bundestagsabgeordneter Erhard Brucker. Das liegt nicht nur an der Ideologie, der er sich verschrieben hat. Mit der hat er es in diverse Gerichtsurteile und Zitatensammlungen zu einem möglichen Verbot der AfD geschafft. Wegen einer möglichen rassistischen Beleidigung will die Berliner Polizei aktuell gegen ihn ermitteln, sofern mal Bruckers Immunität aufgehoben wird.

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Auch abseits dessen fühle ich mich unwohl in der Nähe von jemandem, der Parteifreunden schon Prügel angedroht haben soll („Er hat gesagt, er ist 1,90 groß, wiegt 140 Kilo und hat eine harte Durchschlagskraft.“) und oft genug nach Rauch und Alkohol stinkt.

Ich hab nicht wirklich ein Interesse an einem Gespräch mit jemandem, der auf offizielle Presseanfragen in unverschämten Ton und mit fragwürdigem Deutsch reagiert („Wie Sie sich sicher vorstellen koennen hege ich nicht das geringste Interesse augerechnet Ihrem linken Hetzmagazin auch nur das geringste mitzuteilen! Mit der Ihnen zustehenden vorzueglichsten Hochachtung und selbstverstaendlich patriotischen Gruessen“).

Deshalb habe ich auch etwas ungehalten reagiert, als Brucker mir bei einer Sitzungspause im Rauchereck hinterm Neuen Rathaus, ich hab mich gerade mit einem anderen Stadtrat unterhalten, plötzlich die Hand auf die Schulter gelegt hat, um mir mit verwaschener Stimme irgendetwas ins Ohr zu la…bern.

Soll seine Hände bei sich behalten: Erhard Brucker. Foto: Archiv

Vermutlich ging es um Sea-Eye, vielleicht um mich („Die gibt’s eh boid nimma.“). Ich habe ihn dann – nicht justiziabel, aber bestimmt – aufgefordert, gefälligst seine Hand von mir zu nehmen. Er ist dann auch schnell abgehauen.

Ich kann ganz grundsätzlich nicht nachvollziehen, warum manche Stadträte und Verwaltungsleute abseits der unbedingt notwendigen Höflichkeit, Brucker nicht nur die Hand geben, sondern ihm auch noch auf die Schulter klopfen oder länger mit ihm plaudern. Ich halte es in Anlehnung an ein Zitat von Max Goldt eher so:

Es wäre verfehlt, zu Rechtsextremen freundlich oder auch nur höflich zu sein. Man muss so unfreundlich zu ihnen sein, wie es das Gesetz gerade noch zulässt. Es sind schlechte Menschen, die Falsches tun.

Und weil so viel über die 30.000 Euro diskutiert wurde, die Sea-Eye nun einmalig von der Stadt Regensburg erhalten soll: Dank einer ausreichend großen Zahl an Wählern, die dumm oder verblendet genug waren, ihn in den Bundestag zu wählen, kostet uns Erhard Brucker dieses Steuergeld und noch etwas mehr allein in einem Monat. Was könnte man damit nicht alles für Obdachlose, sozial Bedürftige, das Frauenhaus oder wen weiß ich nicht alles tun.

2. „Top-Expertin“ Gloria

Auch auf die Gefahr hin, dass sich wieder jemand aufregt, ich würde als einziger Werbung für Gloria von Thurn und Taxis machen – manche lesen ja keine MZ – wollte ich mal wieder dokumentieren, mit welchen Leuten sich die 63-Jährige abseits der bereits bekannten Rechtsextremen noch so zusammentut.

Derzeit wird in einigen sozialen Netzwerken ein Webinar mit Gloria von Thurn und Taxis bei Kettner Edelmetalle beworben. Titel: „Finanzielle Selbstverteidigung“. Neben von Thurn und Taxis sind dort auch Geistesgrößen wie Dieter Bohlen und Peter Hahne als „Top-Experten“ geladen. Ebenso der Politikwissenschaftler Werner Patzelt, der vermutlich unter Talkshow-Entzug leidet. Alte Männer, die angesichts ihrer Angst vor Bedeutungsverlust in jede noch so dreckige Ecke kriechen, um für Aufmerksamkeit in eigener Sache zu sorgen. Und Gloria von Thurn und Taxis.

Veranstalter Dominik Kettner ist, man kann es kaum anders ausdrücken, ein professioneller Lügner und Angstmacher. Eindrücklich recherchiert hat das der Journalist und Autor Mats Schönauer diesen Mai für seinen Youtube-Kanal „Topf voll Gold“. Schönauer war früher Leiter von BILDblog.

Ein Satz, der mir dabei besonders gefällt:

„Wenn ich rechte Influencer kritisiere, gibt es immer sofort wütende Kommentare, in denen mir vorgeworfen wird, ich würde das ja nur machen, weil sie rechts sind. Dann antworte ich immer, dass es mir nicht um links oder rechts geht, sondern um wahr oder falsch.“

Hiermit zum Anschauen empfohlen. Vielleicht schreibt dann mal wieder irgendjemand, dass Gloria von Thurn und Taxis „umstritten“ ist, während er ihr Buch bewirbt. Für Zitate langt es ja anscheinend nicht.

3. Was eine türkische Tageszeitung über die OB-Wahl denkt

Der Kommunalwahlkampf eilt mit Riesenschritten näher – manche führen den ja schon seit ein paar Jahren. Das interessiert auch türkischsprachige Medien wie Yeni Posta, 1992 als anzeigenfinanzierte Printzeitung für in Deutschland lebende Türken gegründet und seit 2021 als Nachrichtenportal europaweit aktiv (hier die Selbstbeschreibung, ganz unten in deutscher Sprache).

Und so kam es, dass ich gebeten wurde, CSU-OB-Kandidatin Astrid Freudenstein für die Yeni Posta zu interviewen, was anfänglich weder ich noch Frau Freudenstein so recht glauben konnten. Wer jetzt ein sonderlich kritisches Gespräch erwartet, den muss ich enttäuschen. Die Fragen waren vorab vereinbart.

Aber es war aufschlussreich, wofür sich die Redaktion der Yeni Posta bzw. deren Leserinnen und Leser interessieren und was Astrid Freudenstein darauf so antwortet. Manchmal windet sie sich schon ein wenig heraus.

Noch aufschlussreicher ist, wie die Yeni Posta die Lage in Regensburg einschätzt. Das kann man daran ablesen, das besagter Fragenkatalog mir geschickt wurde mit dem Betreff: „Fragen an die zukünftige Oberbürgermeisterin Dr. Astrid Freudenstein“. Vielleicht macht das ja andere Aspirantinnen und Aspiranten für dieses Amt hellhörig.

Das ganze Gespräch gibt es oben auf Video. Der Artikel in türkischer Sprache findet sich hier. Mit dabei ist übrigens auch Bora Ataman – vor vielen Jahren mal Integrationsbeauftragter der Regensburger CSU und bekannt als Schweinebraten essender Muslim mit Verbindungen zu Papstbruder Georg Ratzinger.

Wie Ataman das wieder hinbekommen hat – fragen Sie mich nicht.

4. Antifa, anita_f und FDJ

Für Aufregung hat letzte Woche ein Demoaufruf gesorgt, der an die Medien verschickt wurde. Und ein Artikel in der Mittelbayerischen Zeitung, der dazu erschien. Es ging um eine Protestveranstaltung gegen den „Romantischen Weihnachtsmarkt“.

Mich persönlich hat daran vor allem gestört, dass man sich dabei nur auf Gloria von Thurn und Taxis fokussiert und nicht auch auf den Veranstalter Peter Kittel, dessen rassistische Pöbeleien auf seiner Internetseite man zumindest hätte erwähnen können. Aber vielleicht haben diejenigen, die diesen Aufruf formuliert haben, sich damit noch nicht beschäftigt.

Das schließe ich unter anderem daraus, dass man bei der E-Mail-Adresse, unter der dieser Aufruf verschickt wurde, als Klarnamen „Anita F“ gewählt hat, was zunächst vor allem für innerlinke Verwirrung gesorgt hat. Später hat man sich dann dafür entschuldigt. Das sei ein „Wortspiel“ mit Antifaschismus gewesen. Na ja.

Peter Kittel bei einer Gerichtsverhandlung in Zusammenhang mit der Korruptionsaffäre 2021. Foto: as

Tatsächlich ist „anita_f“ der Name einer antifaschistischen Gruppe, die es seit 2005 in Regensburg gibt. Diese Gruppe fällt weniger durch Demoaufrufe auf, sondern durch akribische Recherchen zur rechtsextremen Szene. Eine verdienstvolle Arbeit wie ich meine – und wenn es mal klappen sollte, werde ich noch ein Porträt der Gruppe anlässlich des 20. Jubiläums schreiben.

Wer sich ein bisschen in Regensburg auskennt und vielleicht noch den Absender etwas genauer angeschaut hat, wusste also, dass es nicht „die lokale Antifa-Gruppe“ anita_f war, die zum Protest aufgerufen hatte. Ganz abgesehen davon, dass diese Bezeichnung an sich ziemlicher Blödsinn ist, weil sie suggeriert es gäbe eine Art Corporate Identity oder Vereinsstruktur „der Antifa“, unter der dann nur eine Gruppe firmieren würde. Aber gut: Seit Donald Trump „die Antifa“ verboten hat, bricht sich diese dümmliche Ansicht auch in manchen seriösen Medien Bahn.

In Regensburg gibt es mittlerweile so viele antifaschistische Gruppen oder Gruppen, die sich für antifaschistisch halten, dass man selbst als interessierter Beobachter den Überblick verliert. Gefühlt gründet sich jedes Semester eine neue Gruppierung, manchmal spaltet sie sich und irgendwann können sie ihre Versammlungen in einer Telefonzelle abhalten.

Eine solche Gruppe ist zum Beispiel die SRA („Sozialrevolutionäre Aktion“), die vor fünf Jahren mal im bayerischen Verfassungsschutzbericht stand, weil sie sich nicht von Gewalt distanzieren würde. Mittlerweile dürfte für die SRA sogar eine Telefonzelle zu groß sein.

Aber mancher kann auch daraus noch eine Empörungsschlagzeile zimmern, um alle anderen Organisationen, die an diesem Weihnachtsmarktprotest teilnehmen zu diffamieren – allen voran natürlich Sea-Eye.

Ich persönlich halte selbst die abseitigsten Ansichten, die bei diesem Protest vorhanden sein mögen für harmloser als Gloria von Thurn und Taxis oder Peter Kittel. Aber diese beiden haben ja Geld und einen gewissen Einfluss und sind deshalb nur „umstritten“.

Durchaus Empörungspotential hätte es gehabt, über den Protest gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht zu berichten. Der Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD hat da zur Besetzung der Gewerkschaftshäuser aufgerufen – etwas, das bislang nur Faschisten gemacht haben. Bei einer Demo am 8. November ist dann die FDJ vorneweg marschiert – und ein paar andere linke Gruppen sind brav hinterher gedackelt. Zum Beispiel die Linksjugend solid, Schülis gegen Rechts und die kadermäßig organisierte Föderation klassenkämpferischer Organisationen.

Ganz ehrlich: Mit der FDJ geht man nicht auf die Straße. Egal, ob man für oder gegen die Wehrpflicht ist. In anderen Städten demonstrieren linke Gruppen gegen deren Aufmärsche.

Strukturell erinnert die FDJ in ihrem autoritären Gehabe und mit der Neigung trotz minimaler Mannstärke schamlos jede Veranstaltung für ihre Zwecke zu kapern an eine stalinistische Gruppierung. Da geht man nicht mit. Beim Protest gegen den Kittel-Markt kann man dagegen schon vorbeischauen.

Entspannte Restwoche!

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Kommentare (1)

  • Alexander Grundl

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    Bora ist einfach ein Phänomen! :)
    …aber wer mit der FDJ marschiert, der sollte wirklich mal seinen eigenen moralischen Kompass checken. Ist doch echt peinlich, Leute…

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