Nach rassistischer Hetzkampagne: Vortrag bei Interkulturellen Wochen in Regensburg abgesagt
Nach Kritik an der „Klar“-Moderatorin Julia Ruhs wird der BR-Rundfunkrat Hamado Dipama seit einer Woche von Rechtsaußen-Medien mit einer rassistischen Hetzkampagne überzogen. Einen geplanten Vortrag in Regensburg hat er wegen Sicherheitsbedenken abgesagt.
Der Integrationsbeirat postete dieses Bild anlässlich von Dipamas Absage. “Wir stehen solidarisch an seiner Seite”, hieß es unter anderem.
Es ist selten, dass sich der Rassismus bereits in der Überschrift so unverhohlen zeigt, wie das seit Ende letzter Woche auf diversen einschlägig bekannten Portalen geschehen ist. Der Anlass: Ein deutscher Staatsbürger, Hamado Dipama, hat – auch in seiner Eigenschaft als Rundfunkrat beim Bayerischen Rundfunk – die breit diskutierte Entscheidung des NDR gelobt, die Zusammenarbeit mit Julia Ruhs als Moderatorin des Magazins „Klar“ zu beenden.
Doch Dipama scheint nicht dem Bild zu entsprechen, das sich „Tichys Einblick“, „Report24“, „ÖRR-Blog“, „Journalistenwatch“, „Junge Freiheit“ und andere von einem Deutschen machen. Aber weil er es dennoch wagt, eine Ikone dieser neurechten bis rechtsradikalen Portale zu kritisieren, sind teils bereits deren Schlagzeilen gespickt mit Falschbehauptungen und Diffamierungen.
Erinnert die Kampagne gegen Brosius-Gersdorf
Quer durch die sozialen Medien wird Dipama seit Tagen rassistisch beleidigt und beschimpft – bis hin zu offenen Drohungen. Einen Vortrag über Rassismus und Diskriminierung in Regensburg, der am Mittwoch im Rahmen der Interkulturellen Wochen geplant war, hat der Münchner nun abgesagt. Es gebe „massive Sicherheitsbedenken“, sagt Dipama.
Die Welle, die über den 51-Jährigen hereingebrochen ist, erinnert an die Kampagne gegen Frauke Brosius-Gersdorf, ehemals Kandidatin für das Amt als Verfassungsrichterin. Am 18. September lobte Dipama in öffentlichen Postings die Entscheidung des NDR, die Zusammenarbeit mit Julia Ruhs zu beenden. Unter anderem schrieb er:
„Bravo an den NDR für diese weitsichtige Entscheidung! 👏🏽
Die Unterwanderung durch Rechte und Neofaschisten in öffentlich-rechtlichen Medien muss gestoppt werden ⛔️.
Julia Ruhs vertritt keinerlei journalistische Ethik – Ihre Auftritte lassen eine politische Agenda erkennen: rassistisch, rechts und spaltend. Anstatt journalistisch zu arbeiten, betreibt sie Hetze gegen Geflüchtete, Migrant*innen, die Grünen und die Linke.
(…)
Dass ausgerechnet Unionspolitiker – allen voran Markus Söder – die NDR-Entscheidung angreifen, zeigt nur eines: Teile der politischen Elite in Deutschland sind unfähig, rechte und faschistische Manöver zu erkennen, die letztlich ihrem eigenen Untergang dienen.“
Fragwürdige Portale, AfD und Mob Hand in Hand
Noch am selben Tag begann ein sozial-mediales Trommelfeuer, bei dem sich insbesondere der ÖRR-Blog des oberfränkischen CSU-Lokalpolitikers Jonas Müller mit zahlreichen Posts als Stichwortgeber hervortat.
Es sprangen Portale auf wie „Tichys Einblick“ (wo Leuten schon mal Aussagen in den Mund gelegt werden, die sie nicht getroffen haben), das rechtslibertäre „Apollo News“, das offen rassistische „Journalistenwatch“ und die neurechte Traditionspostille „Junge Freiheit“. Als Weiterverbreiter diente auch die AfD, wo ein Bundestagsabgeordneter mit eigenen Sharepics gegen Dipama Stimmung machte.
Man repostet anschließend einander gegenseitig und der Online-Mob tut mit der Forderung nach Abschiebung, Beschimpfungen und offenen Drohungen sein Übriges. Ein Ende: bislang nicht absehbar.
Falsch und verzerrend
Einige Falschbehauptungen, die dabei aufgestellt werden:
Mit Dipama sitzt, entgegen anderslautender Behauptungen auf den oben erwähnten Portalen, kein abgelehnter Asylbewerber im Rundfunkrat. Er ist seit drei Jahren deutscher Staatsbürger. Bereits seit 2014 hatte er einen unbefristeten Aufenthaltstitel.
Dipama hat nie Weiße als „Neandertaler“ bezeichnet (verbreitet u.a. durch ÖRR-Blog). Er wurde in einem entsprechenden Beitrag lediglich markiert.
Dipama wurde 2002 als Anhänger der Politik des 1987 ermordeten Präsidenten Thomas Sankara in Burkina Faso politisch verfolgt. Seitdem gab es in dem instabilen Land mehrfache Regierungswechsel.
Zuletzt postete Dipama Fotos von einem Aufenthalt in Burkina Faso. Anlass war die Eröffnung eines Mausoleums für Thomas Sankara – etwas, das Dipama seit Jahren mit gefordert und unterstützt hatte. In mehreren Berichten wird dies verkürzt und verfälscht dargestellt, um Dipamas Asylanspruch und Fluchtgeschichte in Zweifel zu ziehen.
Dipama ist für Rassisten ein rotes Tuch
Der 51-Jährige ist Rechten und Rechtsextremen auch abseits seiner Kritik an Julia Ruhs ein Dorn im Auge. Er engagiert sich im Bayerischen Flüchtlingsrat und verschiedenen Initiativen gegen Rassismus und Diskriminierung.
Er zeigte erfolgreich einen Vermieter an, der seine Wohnung nur an Deutsche vermieten wollte. Er testete 25 Münchner Diskotheken darauf, ob die Türsteher Menschen mit dunkler Hautfarbe hineinließen und verklagte mehrere von ihnen – teils erfolgreich, teils nicht.
Dipama führte diese oft öffentlichkeitswirksamen Kämpfe sehr bewusst – positioniert sich klar. „Ich weigere mich, Rassismus anzunehmen“, ist ein Wahlspruch, den er auf seinen Vorträgen häufig wiederholt.
Nicht Dipamas erste Kritik an Ruhs
Klar Position bezieht Dipama auch mit Blick auf Julia Ruhs im Rundfunkrat des BR. Dort sitzt er seit 2017 als einziger migrantischer Vertreter in ganz Bayern. All das macht ihn zur Zielscheibe. Dennoch bleibt er bei seiner Haltung.
„Bereits vor etwa einem Jahr habe ich einen Auftritt von Frau Ruhs als Kommentatorin in der ARD-Tagesschau bzw. im Mittagsmagazin im Rundfunkrat aufgegriffen und kritisiert“, sagt er zu unserer Redaktion. In dieser Kritik fühlt sich Dipama nach den Klar-Sendungen von und mit Julia Ruhs bestätigt.
Weiterer Vortrag geplant
„Ich schätze die Tatsache, dass Deutschland ein Rechtsstaat ist, in dem es Strukturen gibt, die es ermöglichen, auf Rassismus und Ungerechtigkeit hinzuweisen. Diese Strukturen lebe und nutze ich aktiv – genau dafür bin ich im Rundfunkrat.“
Wegen der Falschbehauptungen, Diffamierungen und Drohungen hat Dipama zwischenzeitlich Strafanzeige erstattet. Von einem weiteren geplanten Vortrag in Regensburg will er sich nicht abhalten lassen.
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Dieter
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Bravo für soviel Courage.
Mehr Hamado Dipama und weniger Jonas Müller wünsch ich mir in diesem Land.