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Klage gegen strenge Auflagen

144.000 Euro: Terrorunterstützer will Deutschland nur gegen „Haftentschädigung“ verlassen

Er kann nicht nach Syrien abgeschoben werden, darf deshalb Tirschenreuth nicht verlassen und nicht ins Internet: ein heute 36-Jähriger, der versuchte, Selbstmordattentäter anzuwerben und einen Siebenjährigen als Kindersoldat zu rekrutieren, klagt dagegen vor dem Verwaltungsgericht Regensburg.

Abdulhadi B. wird von einem Sicherheitsangestellten in den Gerichtssaal begleitet. Foto: as

„Wenn ich gehe, dann nur freiwillig und nur wenn ich 144.000 Euro von euch bekomme“, sagt Abdulhadi B. in einer Verhandlungspause zu den Vertretern der Regierung der Oberpfalz. Gegen die klagt er vor der neunten Kammer des Verwaltungsgerichts Regensburg. Wieder einmal.

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Angesichts der Vielzahl an Verfahren gebe es mittlerweile eine „sehr umfangreiche ausländerrechtliche Akte“, wie Kammervorsitzende Gabriele Schmid-Kaiser zu Beginn der Verhandlung festgestellt hat. Denn Abdulhadi B. will unbedingt in Deutschland bleiben, das den verurteilten Terrorunterstützer ebenso unbedingt loswerden will.

Folgt man einer Entscheidung des Oberlandesgerichts München, dann ist der eher kleine 36-jährige Brillenträger mit dem sauber frisierten Vollbart ein gefährlicher Mann. Das OLG verurteilte den Syrer, der seit 2012 in Deutschland lebt, am 2. August 2018 wegen Werbens um Unterstützer für die Terrororganisation Islamischer Staat in zwei Fällen, versuchter Anstiftung zum Totschlag sowie Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten. Eine Revision gegen dieses Urteil verwarf der Bundesgerichtshof ein Jahr später.

Kläger warb in Chats um Selbstmordattentäter

Der Mann habe in Chat-Nachrichten zwei Männer in Syrien aufgefordert, für den IS ein Selbstmordattentat bzw. einen Sprengstoffanschlag durchzuführen, heißt es in einer damaligen Veröffentlichung des BGH. „In beiden Fällen war das Vorgehen des Angeklagten zwar nicht ohne Aussicht auf Erfolg. Die Chat-Partner kamen dem jeweiligen Ansinnen indes letztlich nicht nach.“

Den noch in Syrien lebenden Vater einer Ex-Partnerin versuchte Abdulhadi B. laut der Entscheidung – ebenfalls über Chat-Nachrichten – bei den dort damals herrschenden Terrororganisationen anzuschwärzen.

Der Taxifahrer werfe in Idlib SIM-Karten als Peilsender für Angriffe der syrischen und russischen Luftwaffe aus, behauptete er gegenüber einem Chat-Partner in Syrien, den er anstiftete, den Mann bei den Behörden zu melden. Dieser sei in der Folgezeit tatsächlich festgenommen worden, wurde „jedoch nach kurzer Zeit wieder freigelassen, nachdem seine Nachbarn für ihn günstig ausgesagt hatten“.

Sohn der Lebensgefährtin sollte Kindersoldat werden

Schließlich soll Abdulhadi B. zwischen 2014 und 2015 versucht haben, den siebenjährigen Sohn seiner Lebensgefährtin als Kindersoldat für den IS zu rekrutieren. Demnach zeigte er ihm entsprechende Videos und, so heißt es in besagter Mitteilung des Bundesgerichtshofs, schlug den Jungen „mit einem länglichen hölzernen Gegenstand auf den Bauch“. Dem Kind habe er zuvor erklärt, „die Schläge dienten der Abhärtung und seien Teil eines Trainings als Vorbereitung auf eine künftige Tätigkeit als Kämpfer für den IS“.

Zudem fanden die Ermittler Hinweise in seinen Chats und E-Mails, denen zufolge er einen Anschlag auf eine Synagoge habe verüben wollen.

Aufgeflogen ist Abdulhadi B., der zunächst für studienvorbereitende Zwecke nach Deutschland kam, erst später Asyl beantragte und seit 2014 Medizin studierte, laut einem damaligen Bericht der Würzburger Mainpost offenbar eher zufällig. Weil er seine Freundin nach der Trennung bedroht und geschlagen hatte, erhielt er zunächst einen Strafbefehl. Als er Einspruch einlegte, landete die Sache 2016 vor Gericht, wo er nicht nur zu fünf Monaten ohne Bewährung verurteilt wurde, sondern auch seine Sympathien für die islamistische Terrororganisation zur Sprache kamen.

36-Jähriger wird immer noch als gefährlich eingeschätzt

Nach Verbüßung der fünf Monate blieb er weiter in Untersuchungshaft. Am Ende ging Abdulhadi B. als Terrorunterstützer für fünf Jahre und drei Monate ins Gefängnis. Die hat er zwischenzeitlich abgesessen. Die Behörden halten ihn aber noch immer für „enorm gefährlich“.

Seine Aufenthaltserlaubnis wurde aufgehoben, die Ausweisung verfügt. Die nicht wenigen Klagen von Abdulhadi B., der sich als durchweg unschuldig ansieht, gegen diese Entscheidung verliefen alle im wesentlichen bislang erfolglos, ebenso ein neuerlicher Asylantrag.

Selbst Verurteilungen zu Freiheitsstrafen könnten den 36-Jährigen „in keiner Weise beeindrucken“, heißt es in einer dieser Entscheidungen. Es sei auch nicht ersichtlich, dass er von seinen Ansichten abgekommen sei. Es sei zu erwarten, dass er seine innere Überzeugung weiterhin auslebe und das Werben für den Islamischen Staat auch weiterhin verfolge. „Seine dissozialen, histrionischen und narzisstischen Persönlichkeitsanteile“ würden sein Urteils- und Kritikfähigkeit einschränken.

„Keine Bereitschaft, sich kritisch mit seinen Taten auseinanderzusetzen“

Deshalb sei zweifelhaft, ob er sich überhaupt eindeutig und langfristig von seinem Unrechtsempfinden distanzieren könne. Statt sich mit seinen Taten auseinanderzusetzen, banalisiere er seine Aussagen und stelle sie als im seinem Kulturkreis „normal“ dar. Trotz positiver Ansätze wie dem begonnen Medizinstudium, deutscher Sprachkenntnisse und der guten Führung in der JVA sei nicht ausgeschlossen, dass er auch in Zukunft terroristische Straftaten begehen werde.

Bei ihm bestehe „grundsätzlich keine Bereitschaft, sich kritisch mit seinen Taten und seinen ideologischen Sympathien auseinanderzusetzen“, heißt es 2021 in einer Stellungnahme des Kompetenzzentrums Deradikalisierung, angesiedelt beim Bayerischen Landeskriminalamt.

Abschiebung nach Syrien nicht möglich, aber nach Tirschenreuth

Weil aber angesichts der momentanen humanitären Lage grundsätzlich nicht nach Syrien abgeschoben werden darf und der 36-Jährige deshalb derzeit weiter in Deutschland lebt, verhängte das Bayerische Landesamt für Asyl und Rückführungen strenge Auflagen.

Abdulhadi B. wurde von Würzburg in eine Unterkunft nach Tirschenreuth verlegt. Er muss sich zwei Mal täglich persönlich bei der dortigen Polizei melden und darf das Stadtgebiet nicht verlassen. Außerdem ist es ihm verboten, internetfähige Kommunikationsmittel zu benutzen.

Insbesondere dagegen klagt er dieses Mal beim Verwaltungsgericht Regensburg, es laufen noch andere Verfahren – allein, ohne Anwalt. Doch rechtlich völlig unbedarft ist der Kläger, der gut deutsch versteht und auch spricht, nicht. Er hat nach eigener Aussage auch zwei Semester Jura studiert, legt dem Gericht mehrere handgeschriebene Schriftsätze vor, zitiert aus Urteilen des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs.

Mann fordert Lockerungen bei Aufenthalt und Kommunikation

Er wolle mit seiner kranken Mutter in Syrien telefonieren dürfen, das gehe nur über Internet, fordert er. Außerdem solle seine Bewegungsfreiheit auf den Landkreis Tirschenreuth erweitert werden, damit er dort wieder ehrenamtlich beim Bayerischen Roten Kreuz arbeiten könne. Den Behörden wirft er vor, Unterlagen falsch übersetzt zu haben, gemeinsam gegen ihn zu arbeiten, ihm das Leben irgendwie schwer zu machen.

Die Kammer am Verwaltungsgericht Regensburg hat derweil so ihre Schwierigkeiten mit den Anträgen des Klägers. Diese würden ja auch den rechtskräftigen Ausweisungsbescheid betreffen. Und da sei der Bund zuständig, nicht das Land Bayern, sagt die Vorsitzende. Auch sei manches widersprüchlich.

Erst nach einem gewissen Hin und Her wird ein Teilantrag ausgesetzt – bis zum Abschluss eines weiteren noch anhängigen Verfahrens. Die Entscheidung über die Ausweitung des Aufenthaltsrechts wird das Gericht zustellen – allerdings hatte die Kammervorsitzende die Entscheidung für die Beschränkung auf Tirschenreuth zuvor schon als nachvollziehbar und nicht zu beanstanden bezeichnet.

Abdulhadi B. beteuert Unschuld und will Haftentschädigung

Dass Abdulhadi B. es dabei bewenden lassen wird, steht nicht zu erwarten. Nach der Verhandlung bekräftigt er seine Forderung nach 144.000 Euro gegenüber Journalisten – 75 Euro für jeden Tag, den er in Haft gesessen sei. Zu Unrecht, wie er behauptet. Dann könne er vielleicht nach Kanada oder so gehen, um dort ein neues Leben anzufangen. Denn in Syrien drohe ihm Verfolgung und der Rest der arabischen Ländern sei kaputt.

So lange er nicht entschädigt werde, werde er eben weiter klagen, wie er in der Verhandlungspause gegenüber den Vertretern der Bezirksregierung bekundet: „So lange ich leide, leiden sie mit.“ Die wollen nun prüfen, ob man den Mann in einen anderen Staat ausweisen kann.

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Kommentare (11)

  • MaSlos

    |

    Ein wahrer Weltenbürger und Freund der Demokratie!
    Springt mit seinen Aussagen & Anwesenheit allen ehrlichen Asylanten mit Vollgas in den Rücken!
    Sollte mal bei ausländerfeindlichen Parteien nachfragen; die zahlen ihm für seine traurige Existenz bestimmt viel Geld.

  • Daniela

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    Ich spare mir diesmal die Zusammenfassung und Analyse. Die wichtigsten Punkte hat die r-d Redaktion jeweils ‘fett’ geschrieben über die einzelnen Absätze gelegt.

    Ich wiederhole eine meiner Aussagen.

    Jeder Mensch kann zum Täter, im schlimmsten Fall, zum Mörder werden, wenn die Voraussetzungen für die Tat, der Grundstein, die Radikalität und der Fanatismus, gelegt sind.

    Achten wir unsere Demokratie, die Menschenrechte, das Grundgesetz, insbesondere die Meinungsfreiheit.
    Und ich ergänze, achten und schützen wir unseren Rechtsstaat.

    Danke für den Informationsgehalt des Artikels und für die objektiv gestaltete Berichterstattung.

  • Beloh

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    Warum wird so ein themenfremder Schmarrn wie in dem vorherigen Beitrag hier eigentlich freigeschaltet?
    Dieses präsidiale Getue in einer unteren Etage des Größenwahns hat mit den Inhalten nichts zu tun, der Artikel dient bestenfalls als Kulisse zur Selbstinszenierung, in rhetorisch missglückten Posen.
    Wozu der Beifall greiser Advokaten die Leute nicht alles treibt…

    Den beschriebenen Fall sehe ich eher als singuläres Kuriosum und bin gespannt, ob der Rechtsstaat einen Weg findet, sich nicht (weiter) instrumentalisieren zu lassen – ohne dabei die Grundrechte des Delinquenten zu verletzen.

  • Daniela

    |

    @ Beloh
    22. April 2024 um 22:44 | #

    Danke für Ihre Kritik, ich werde diese in einem weitergehenden Zusammenhang durchdenken.

    Ansonsten ist es, denke ich auch bekannt, dass es möglich ist, unseren Rechtsstaat und unsere Gesetzgebung sehr weit aus zu ‘reizen’. Dafür dürfte es genügend Beispiele geben.

  • Günther Herzig

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    Ist es wirklich sinnvoll Flüchtlinge, wobei offen bleibt, ob ein echter Asylgrund nicht nur behauptet wird, ins Land zu lassen, um dann erst mühsam festzustellen, wer unter Ihnen eigentlich nicht hätte einreisen sollen. Ich weiß, dass die Lösung der damit verbundenen Fragen eher der Quadratur des Kreises gleicht.

  • tom lehner

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    Ein gebildeter Narzist der seine Möglichkeiten des Rechtssystems nutzt. Beunruhigt das?

    Das ist nur eine der Grauzonen einer Demokratie. Davon gibt es einige. Cum Ex und eine Chefermittlerin die hinschmeisst zum Beispiel. Oder geschwärzte, geschredderte, oder verschwundene Akten eines NSU Falls. Das beunruhigt.

  • RegensburgerIn

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    Die Diskussion geht wieder ganz schnell in Richtung: Aufnahme von Flüchtlingen!
    Der junge Mann ist nicht als Flüchtling gekommen, sondern als Student mit Visum.
    Es gibt genug Beispile, bei denen Straftäter mit Gesetzbüchern und wilden Geschichten im Gericht auftauchen.
    Sie haben aber meistens Diagnosen wie Psychose, Schisophrenie, doppelte Persönlichkeit. Ist es bei diesem jungen Mann nicht der Fall?

  • Mr. B.

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    Das ist doch das Paradebeispiel für sofortige Abschiebung.
    Er wirft das dunkelste Licht auf andere Migranten.

  • Aus Zucker

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    @ B
    Gut, dass Sie kein Logikseminar geben. Sonst würden Sie wahrscheinlich auch anführen, dass die verdorbenen Lebensmittel einer regionalen Bäckerstube kein gutes Licht auf andere Lebensmittel wirft. Autsch.

  • Mr. B.

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    Zu Aus Zucker
    23. April 2024 um 10:59 | #

    Danke für Ihre Ausführung.

  • Wolfgang Theine

    |

    @ Beloh 22. April 2024 um 22:44
    @ Mr. B
    Beloh, Das war ja nun wirklich ein höchst substantieller und qualitativ sehr hoch stehender Kommentar.
    Nichtsdestotrotz, in der anschließenden Analyse stimme ich Ihnen zu und halte das ebenfalls für eine höchst lächerliche Kuriosität, welche uns die häufige Hilflosigkeit unseres allzu liberalen Rechtsstaats vor Augen führt.
    Und, Mr. B, schon durch die häufigen einschlägigen Kommentare auch auf RD muss doch inzwischen jeder gelernt haben, dass Abschieben nicht so einfach ist, in diesem Fall unmöglich.
    Das ist ja das Witzige, dass Abdulhadi B sagt, er gehe freiwillig, wenn er das Geld bekommt. Und in unserem schönen Land gibt es inzwischen so viele Absurditäten, dass es mich nicht wundern würde, wenn es so käme…

Kommentare sind deaktiviert

drin