Die SPD wartet noch die Anhörung im Bayerischen Landtag ab, von der CSU erhielt unsere Redaktion keine Stellungnahme und Sozialbürgermeister Joachim Wolbergs fordert eine „sachgerechte Entscheidung“. Fazit: Es bleibt unklar, ob der interfraktionelle Antrag von Grünen, ödp, Linke, FDP und Freien Wählern am kommenden Montag im Regensburger Stadtrat (16 Uhr, Neues Rathaus) eine Mehrheit finden wird. Die Oppositionsfraktionen fordern eine Resolution an die bayerische Staatsregierung. Einerseits wird darin gefordert, die strikte Lagerpflicht für Flüchtlinge in Bayern zu lockern und sich dabei am Beispiel anderer Bundesländer zu orientieren – nirgendwo in Deutschland wird die Zwangsunterbringung so restriktiv gehandhabt wie in Bayern. Andererseits wird appelliert, die Regensburger Unterkunft „mit dem Ziel der Schließung“ schrittweise zu verkleinern.
Bürgermeister Wolbergs: „Jeder soll die Möglichkeit haben, auszuziehen“
Es ist insbesondere der zweite Teil der Resolution, den der Sozialbürgermeister ablehnt. „Jeder soll die Möglichkeit haben, auszuziehen”, so Wolbergs zu regensburg-digital. Von einer Schließung der Regensburger Unterkunft hält er hingegen wenig. „Ich will eine Lösung, die auch sagt: Was kommt nach der Schließung.“ Noch vergangenen Mittwoch hatte Wolbergs mit seinem Auftreten bei einem Besichtungstermin in der GU Plattlinger Straße für heftige Diskussionen gesorgt.
Gründe für eine Abschaffung der Lagerpflicht präsentierte am Wochenende der bayerische Flüchtlingsrat. Bei ihrer „Lagerinventour“ machte die Menschenrechtsorganisation am Samstag in Regensburg Station.
Eine Woche waren die (weitgehend ehrenamtlichen) Mitarbeiter des Flüchtlingsrats in Bayern unterwegs, um Unterkünfte, Initiativen und Beratungsstellen vor Ort zu besuchen, sich ein Bild von der Lebenssituation von Flüchtlingen sowie der gängigen Praxis lokaler Ausländerämter zu machen (Eindrücke, Berichte und Videos gibt es hier). Die Abendveranstaltung im L.E.D.E.R.E.R. e.V. war gut besucht – immerhin zwei Stadträte, Richard Spieß (Linke) und Benedikt Suttner (ödp) bekundeten mit ihrer Anwesenheit Interesse an der aktuellen Diskussion.
Neben den Schilderungen der konkreten Lebenssituation in den „Gemeinschaftsunterkünften“ gingen die Mitglieder des Flüchtlingsrats insbesondere auf die Absurdität der zwangsweisen Unterbringung ein. Der Flüchtlingsrat hat dazu einen eigenen Gesetzesentwurf erarbeitet, der am Donnerstag im Landtag vorgestellt werden soll.
Nicht nur unmenschlich, sondern teuer
Ohnehin gerät die CSU zunehmend in argumentative Schwierigkeiten: Die zwangsweise Unterbringung lässt sich nicht einmal mit Kostengründen rechtfertigen.
Im Gegenteil: Unter anderem das so genannte Leverkusener Modell belegt: Die Erlaubnis zum Umzug in Privatwohnungen kommt die Staatskasse sogar billiger. Stadtverwaltung, Flüchtlingsrat, Ausländerbeirat und Caritas haben in Leverkusen vor gut sieben Jahren ein Konzept ins Werk gesetzt, dass Flüchtlingen den Auszug in Privatwohnungen ermöglicht – mit guten Erfahrungen. Unter anderem konnten 72.000 Euro eingespart werden. (Eine Stellungnahme zum Leverkusener Modell).
Solche Argumente sind allerdings unerheblich, betrachtet man die bayerische Asyldurchführungsverordnung. Es geht nicht im Kosten, es geht darum, die Menschen zu zermürben. Ausdrücklich wird betont, dass mit der Zwangsunterbringung die „Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland“ gefördert werden soll. Im Zuge der öffentlichen Debatte hat Sozialministerin Christine Haderthauer mittlerweile angeregt, diesen Passus zu streichen. „Der Satz wird dahingehend fehlinterpretiert, dass die sozialrechtliche Regelung zur Verteilung und Unterbringung von Ausländern zusätzlich dem Zweck dienen soll, auf diese Druck auszuüben, unabhängig von ihrer rechtlichen Situation freiwillig in ihre Heimatländer zurückzukehren“, kritisiert die Ministerin am Montag gegenüber der Süddeutschen Zeitung.
Wozu solche „Fehlinterpretationen“ führen, konnte der bayerische Flüchtlingsrat unter anderem beim Besuch der „Gemeinschaftsunterkunft“ Teublitz-Koppenlohe erfahren. Zur „unglaublichen Isolation“ komme „eines der härteren Ausländerämter“, so Matthias Weinzierl vom Flüchtlingsrat. Den Flüchtlingen würde nahezu konsequent eine Arbeitserlaubnis verweigert. In überdurchschnittlich vielen Fällen werde den Leuten das Taschengeld gestrichen, weil sie ihrer Pflicht zur „Mitwirkung“ nicht nachkämen (Ein Bericht zu der Unterkunft Teublitz von regensburg-digital.de). Der Mitwirkung an der eigenen Abschiebung. Will die Schwandorfer Ausländerbehörde damit die „Bereitschaft zur Rückkehr ins Heimatland“ fördern?
Bayerischer Landkreisverband forderte „karge, lagermäßige Unterbringung“
Dabei gebe es, so Weinzierl, Menschen, von denen klar sei, dass man sie „nie und nimmer wird abschieben können“. Doch sie erhalten keinen Aufenthaltsstatus, sondern lediglich eine Duldung, Aussetzung der Abschiebung für drei Monate. Duldung – das bedeutet auch zwangsweise Unterbringung in der Gemeinschaftsunterkunft, oder – wie es Weinzierl ausdrückt: „Lager lebenslänglich.“ Inklusive aller Schikanen.
„Die unerwünschte Integration in die deutschen Lebensverhältnisse ist durch karge, lagermäßige Unterbringung zu verhindern“, heißt es in einem Kommentar des Landkreisverbandes Bayern von 1978 zum Asylverfahrensgesetz. Ein Kommentar der schon älter sein mag, auf den aber in der Vergangenheit auch bei Gerichtsentscheidungen zur Unterbringung Bezug genommen wurde.
Deutsche Asylpolitik ist im Kern rassistisch
Ist es vor diesem Hintergrund in Regensburg möglich, der bayerischen Staatsregierung via Resolution eine klare Willensbekundung zu übermitteln? Unabhängig von parteipolitischem Hickhack, Streitereien um den Zustand der Unterkunft selbst und dem Ablenken mit dem Hinweis, dass es tatsächlich noch schwerwiegendere Probleme gibt, mit denen Flüchtlinge im Rahmen einer im Kern rassistischen Asylpolitik konfrontiert sind?
Für die Regensburger SPD sitzt Margit Wild im Landtag. Sie sagt: „Nach der Anhörung im Landtag werde ich der Fraktion Bericht erstatten. Dann werden wir entscheiden.“ Die Anhörung findet am Donnerstag statt und wird voraussichtlich sechs Stunden dauern.