11 Nov2010

- Hetzflugblatt aus dem 15. Jahrhundert. Es stellt vermutlich den prominenten Regensburger Juden Jössel dar.
Dass es auch anders gehen kann, zeigt eine aktuelle Ausstellung in der Zitadelle von Berlin/Spandau. Anlässlich des 500. Jahrestages der Verurteilung und Ermordung von 41 Juden in Berlin beschäftigt sich diese Ausstellung indirekt auch mit Regensburg. Der geschichtliche Hintergrund dieses Schauprozesses war ein mutmaßlicher Diebstahl in der Kirche des havelländischen Dorfes Knoblauch. „Ein christlicher Kesselflicker hatte dort zwei geweihte Hostien entwendet. Später erklärte er unter Folter, er habe eine der Hostien aus Hunger gegessen, die andere an den Spandauer Juden Salomon verkauft. Letztlich wurden insgesamt 51 Juden beschuldigt, die Hostie gemeinsam geschändet zu haben. 41 von ihnen wurden hingerichtet. Die anderen zehn seien möglicherweise bereits während der Folter gestorben“, vermutet die Ausstellungsmacherin und Museumsleitern Andrea Theissen.
In der Folge der Beschuldigungen, die auch auf „Ritualmord“ ausgedehnt wurden, mussten alle märkischen Juden auf Weisung des Kurfürsten Joachim I. unter Zurücklassung ihres Vermögens das Land verlassen.
„Der Hostiendieb aber widerrief seine Anschuldigung gegen Salomon später in der Beichte. Dies führte letztlich dazu, dass Kurfürst Joachim II. 1539 öffentlich einräumte, sein Vater habe ein Fehlurteil gefällt.“ Eine Ausnahme in der Geschichte der Prozesse wegen Blutbeschuldigungen.
In einer gelungenen Darstellung werden die spätmittelalterlichen Hintergründe – die christliche Judenfeindschaft, christlich-jüdische Arbeitsteilung und Sonderbestimmungen für Juden – erläutert. Explizit wird auf die wichtige Rolle der damals aufkommenden Drucktechnik thematisiert. Bereits kurz nach dem Prozess tauchten judenfeindliche Flugblätter auf, die weitere Verfolgungsmaßnahme forderten.
Der Schauprozess von 1510 endete mit Todesurteilen, die auf dem heutigen Strausberger Platz in Berlin vollstreckt wurden. In einer Gedenkveranstaltung erinnerte der Berliner Kulturstaatsminister André Schmitz am 500. Jahrestag an die Verkündung der Urteile vom 19. Juli 1510.
Zwei der Spandauer Exponate, die dort nur beispielhaft gezeigt werden, gehörten zuvorderst in eine Regensburger Ausstellung. Zum einen ein Hetzflugblatt (von ca. 1480), das vermutlich den prominenten Regensburger Juden Jössel darstellen soll (Foto). Der darin mit einem „Judenring“ gekennzeichneten Person werden allerlei antijüdische Stereotype in den Mund gelegt, wie das Essen von Christenkindern. Jössel war einer der Beschuldigung des zerstörerischen Ritualmordprozesses von 1476-1480 in Regensburg. Das antijüdische Motiv, ein Jude mit Geldsack vor dem „goldenen Kalb“, wurde nach der noch erhaltenen Figurengruppe am Nordturm des Doms gestaltet.

