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Archiv für 8. März 2013

Mafia-Methoden am grauen Kapitalmarkt?

Wenn Geldgierige Geldgierige bekämpfen

Hier die bösen Anlagebetrüger, dort die mutigen Aufklärer? Seit der Razzia gegen die S&K-Gruppe, die auch Ausläufer in Regensburg hatte, feiert sich ein Finanzportal namens „GoMoPa“ fast täglich selbst. Doch den selbsternannten Aufklärern scheint es weniger um das Geld der Anleger als um das eigene Bankkonto zu gehen.

Unbeugsam gegen Finanzbetrüger? So stellt sich das GoMoPa-Portal gern selbst dar.

Unbeugsam gegen Finanzbetrüger? So stellt sich das GoMoPa-Portal gern selbst dar.

Straßenschläger, Erpressung, Rufmord. Unterlassungsklagen mit Streitwerten im sechs- und siebenstelligen Bereich. Die bundesweite Razzia gegen mutmaßliche Anlagebetrüger der S&K-Gruppe, die am 19. Februar auch Regensburg erreichte, rückt eine Branche in den Fokus, von der man sonst nur wenig hört: der sogenannte „graue Kapitalmarkt“. Grau, weil die angebotenen Finanzprodukte kaum kontrolliert werden. Es werden hohe Gewinne versprochen und ebenso hoch sind die Risiken. Die Süddeutsche Zeitung bezifferte 2010 die Verluste deutscher Anleger auf diesem Markt auf rund 20 Milliarden Euro jährlich.

Die Angebote: Von seriös bis kriminell

Dass es durchaus dauern kann, festzustellen, ob ein Angebot zwar risikoreich ist, aber seriös, offensichtlich schlecht, aber legal oder betrügerisch und kriminell, zeigt der Fall S&K. Öffentlich und mit prominenten Gästen ließen sich die beiden Geschäftsführer Stefan Schäfer und Jonas Köller als Aufsteiger auf dem Finanzmarkt feiern. Die Fotos und Videos, die den aufwändig-dekadenten Lebensstil der beiden zeigen, sind mittlerweile aber aus ganz anderen Gründen bei den Medien begehrt.

Über ein halbes Jahr ermittelte die Frankfurter Staatsanwaltschaft, ehe sie mit geballter Macht zugriff: 1.200 Polizeibeamte durchsuchten in sieben Bundesländern mehr als 130 Objekte und vollstreckten Haftbefehle gegen die sechs mutmaßlichen Haupttäter im Alter von 33 bis 70 Jahren. Gegen rund 50 weitere Beschuldigte wird ermittelt. Von „einem über Jahre planmäßig und groß angelegten Betrugssystem“ bei S&K ist in einer Mitteilung der Frankfurter Staatsanwaltschaft die Rede. Über ein Schneeballsystem sollen Anlegergelder im dreistelligen Millionenbereich veruntreut worden sein.

Kurzzeitig festgenommen und vernommen wurde auch der Regensburger Stadtrat Dr. Gero K. (CSB). Er bekleidet mehrere Funktionen bei Gesellschaften im Dunstkreis der S&K-Gruppe, die zum Teil in Regensburg angesiedelt sind. Ob auch gegen ihn ermittelt wird, war von der Staatsanwaltschaft nicht zu erfahren. K. selbst will sich – mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen – nicht äußern.

Die vermeintlichen Aufklärer

Ein Portal, das über die Entwicklungen in Zusammenhang mit S&K nun fast im Tagesrhythmus jubiliert, trägt den schönen Namen „GoMoPa“, Goldman, Morgenstern & Partners. Das Impressum der Seite liegt in New York. Die Autoren indes stammen durchweg aus Deutschland – es gibt weder einen Herrn Goldman, noch einen Herrn Morgenstern. Doch auch ohne diese beiden sind die rührigen Autoren in ihrem aktuellsten Artikel zu S&K ganz aus dem Häuschen: „Andere Medien schrieben erst wenige Wochen vor der Razzia über dubiose Geschäfte der Nutella Connection, wir informierten unsere Leser seit 2011 mit Pressemeldungen und standen S&K von Anfang an äußerst kritisch gegenüber.“

Allein gegen die Finanzmafia?

Man habe sich dem Ziel verschrieben, „durch aktive Aufklärung und permanente Transparenz nachhaltig zur Betrugsprävention in Wirtschaft und Gesellschaft beizutragen“, lässt GoMoPa seine Leser seit fast 13 Jahren wissen. Diese Leser scheinen zahlreich zu sein. Nach eigenen Angaben besuchen jährlich 8,4 Millionen Menschen die Seite. Deren Inhalte sind zum Teil frei und dann – je nach Wunsch und Bedarf – kostenpflichtig. Zwischen 199 und knapp 1.000 Euro kostet der Zugang zum Mitgliederbereich und speziellen Serviceangeboten. Das bringt einigen Einfluss mit sich. 2010 löste ein Bericht auf GoMoPa – der sich im Nachhinein als falsch herausstellte – den Kurssturz einer Aktie aus.

Entsprechend interessiert schien also auch S&K zu sein, die Negativberichte von GoMoPa zu unterbinden. Und tatsächlich lesen sich die Hintergründe zu S&K auf der GoMoPa-Seite wie eine Folge aus der Reihe „Allein gegen die Finanzmafia“.

Zunächst habe S&K mit Attacken auf den GoMoPa -Server gedroht, sollte die Berichterstattung nicht beendet werden. Als das nicht fruchtete, habe S&K zwei Millionen Euro angeboten, um im Gegenzug einen Geschäftsführerposten bei GoMoPa zu erhalten. Auch dies habe man abgelehnt. Zwei Wochen später wurde GoMoPa-Präsident Klaus Maurischat in Berlin auf offener Straße zusammengeschlagen. Er kam mit schweren Gesichtsfrakturen ins Krankenhaus. Der Ablauf der Tat liest sich so, als hätte man auch Maurischats Tod billigend in Kauf genommen. Die Täter wurden nie gefasst.

Sechsstellige Summen für Positivberichte?

Maurischat selbst gab zu Protokoll: „Anlage- und Immobilienbetrüger werden anscheinend durch unsere investigative Berichterstattung so in die Enge getrieben, dass sie sich lediglich noch mit kriminellen Mitteln zur Wehr setzen können. Für mich ist das kein Grund, auch nur einen Millimeter zurückzuweichen. Berufsrisiko!“

Das hört sich honorig an. Und mutig. Geradlinig. Unbestechlich. Versucht man den GoMoPa-Präsidenten zu erreichen, landet man in einer Warteschleife, wo Frank Sinatra „I did it my way“ singt.

Ob das „Berufsrisiko“ aber allein von der „investigativen Berichterstattung“ herrührt und ob Maurischats Weg tatsächlich von Geradlinigkeit und Unbestechlichkeit geprägt ist, darf zumindest bezweifelt werden.

Unserer Redaktion liegen Aussagen und Unterlagen mehrerer Unternehmen aus dem grauen Kapitalmarkt vor, die zumindest den Verdacht nahelegen, dass es GoMoPa weniger um das Geld der Anleger, denn um das eigene Bankkonto geht.

So habe, folgt man den Behauptungen der Betroffenen, GoMoPa nach anfänglich negativen Berichten entweder direkt oder über Mittelsmänner Werbe- bzw. Beraterverträge angeboten. Von Summen zwischen 40.000 und 200.000 Euro ist die Rede, die fließen sollten, um die Berichterstattung auf GoMoPa positiv zu beeinflussen.

Analyst im Graumarkt: Zahlen macht Frieden

„Es gibt eine kleine Industrie, die davon lebt, dass sie Schwachpunkte von Fonds und Konzepten ermittelt und dies zu Geld zu machen versucht“, erzählt uns ein Insider. Die Masche sei immer gleich: „Ein Analyst stellt sich vor und teilt mit, dass er beabsichtigt, eine Analyse zu veröffentlichen. Bereits dann bezahlen die meisten, auch ohne dass es gefordert wird.“ Entsprechend positiv falle die Analyse aus. Der andere Weg: Ein vermeintlicher Journalist sieht und hört sich in der Branche um, liest vielleicht einen Kapitalmarktprospekt und teilt dem Emittenten freundlich mit, dass man zu veröffentlichen gedenke. „Man schickt eine Fragenliste mit höchst peinlichen und oft genug berechtigten Fragen.“ Auch hier fließe meist Geld und die Artikel fielen dementsprechend positiv aus. „GoMoPa ist in dieser Branche, was Microsoft für Betriebssysteme ist, der überragende Marktbeherrscher.“

Entsprechendes legt auch ein Bericht der „Zeit“ nahe. Im Rahmen einer ausführlichen Recherche berichtete die Wochenzeitung am Mittwoch darüber, dass es im Fall von S&K durchaus um sechs- und siebenstellige Summen ging, die fließen sollten. Demnach verhandelte man mit GoMoPa über eine Beteiligung in Höhe von zwei Millionen Euro. Nach Eingang der ersten Zahlung werde GoMoPa „sämtliche S&K betreffenden Artikel vom Netz nehmen und neue Artikel über S&K nicht veröffentlichen ohne diese mit S&K einvernehmlich abzusprechen“, heißt es laut Zeit in dem entsprechenden Beratervertrag.

„Schutzgeld“ oder „Schmerzensgeld“?

Warum dieser Vertrag nicht zustande kam, ist nicht bekannt. Ein Insider aus dem S&K-Umfeld spricht gegenüber unserer Redaktion etwas bedauernd davon, dass es „wohl die falsche Strategie“ gewesen sei, diesen Vertrag nicht einzugehen. Belegt ist in jedem Fall: 200.000 Euro flossen von S&K an GoMoPa. S&K nennt diese Zahlung „Schutzgeld“, Klaus Maurischat spricht „Schmerzensgeld“ wegen Falschbehauptungen über GoMoPa im Internet.

Die Zeit spricht von 14 weiteren Firmen, die in Zusammenhang mit GoMoPa-Berichten zu Geldzahlungen genötigt worden seien. Klaus Maurischat hat im Gegenzug alle Anschuldigungen zurückgewiesen. Er spricht von einer Diffamierungskampagne von Leuten, „die von uns beim Betrügen und Lügen erwischt wurden“.

Gegen Kritiker wird vorgegangen

Wie GoMoPa selbst mit Journalistinnen und Journalisten verfährt, die sich kritisch mit ihren Praktiken auseinandersetzen, erfährt man von den selbsternannten Anlegerschützern hingegen weniger. 2011 verklagte man den Journalisten Claus Frickemeier erfolglos auf Unterlassung. Nachdem sich die Wirtschaftsjournalistin Renate Daum kritisch mit GoMoPa beschäftigt hatte, folgten diffamierende Pressemitteilungen.

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