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Archiv für 4. Juni 2013

Hans Schaidinger gibt vorsichtige Entwarnung. Das Hochwasser scheint im Moment seinen höchsten Punkt erreicht zu haben. Der Einsatzstab lobt die Einstellung und Zusammenarbeit der betroffenen Anwohner. Die bleiben selbst in der völlig überfluteten Werftstraße gelassen und loben die Helfer. Vorneweg ein aktuelles Video: das Regensburger Hochwasser von oben (mit Dank an Andreas).

„Es besteht die Hoffnung, zu glauben, dass wir mit einem blauen Auge davon kommen.“ Es ist 15 Uhr, als Oberbürgermeister Hans Schaidinger bei der mittlerweile dritten Pressekonferenz des Einsatzstabes im Konferenzraum der Berufsfeuerwehr diese sehr vorsichtige Entwarnung formuliert. Zu diesem Zeitpunkt hat sich schon wieder ein paar Mal die Sonne in Regensburg blicken lassen.

Fünf Millionen, die sich gelohnt haben

Luftbild

Obwohl die Donau mit gut 6,80 Metern den höchsten Pegelstand seit über 130 Jahren erreicht hat, ist – bislang – weit weniger passiert als in den Jahren 1988 (6,59 Meter), 1999 (6,12 Meter) und 2002 (6,60 Meter). Es dürften am Ende auch geringere Schäden entstanden sein als bei den zurückliegenden Hochwasser-Ereignissen. Offen bleibe derzeit noch, wie sich das von unten drückende Grundwasser auswirken und welche Schäden es noch verursachen wird. „Das wird uns noch einige Tage beschäftigen“, so Schaidinger.

Die Werftstraße am Mittag. Trotz Dauereinsatz musste das Gebiet schließlich kontrolliert geflutet werden. Fotos: as

Die Werftstraße am Mittag. Trotz Dauereinsatz musste das Gebiet schließlich kontrolliert geflutet werden. Fotos: as

Aber ungeachtet dessen habe es sich gelohnt, in den letzten sechs Jahren insgesamt fünf Millionen in mobile Hochwasserschutz-Elemente, Pumpen und Rückstauklappen in der Kanalisation investiert zu haben – gegen erhebliche Widerstände der bayerischen Staatsregierung, die solche vorläufigen Maßnahmen in der Vergangenheit nur sehr widerwillig unterstützt habe, so der OB.

“Der unhaltbare Gegentreffer”

An sieben Stellen in Regensburg, auf rund 1,5 Kilometern Länge, hat die Stadt den Hochwasserschutz mit mobilen Wänden verstärkt. „Und“, Schaidinger beginnt in Fußball-Metaphern zu sprechen, „nach dem bisherigen Stand steht es sechs zu eins. Aber das war ein unhaltbarer Gegentreffer.“

Die Werftstraße, Dienstag, 8 Uhr. Foto: Udo Meyer

Die Werftstraße, Dienstag, 8 Uhr. Foto: Udo Meyer

Gemeint ist die Werftstraße am Unteren Wöhrd. Der niedrigste mit Wänden verstärkte Punkt. Kurz vor fünf Uhr am Dienstag Morgen mussten die Einsatzkräfte dort aufgeben und den Bereich nach dem ersten Überlaufen kontrolliert fluten. Es dauert ein paar Stunden, bis das an allen Gebäuden spürbar wird. Die Anwohner haben die zwei Tage Verzögerung, die ihnen Schutzwall und Einsatzkräfte verschafft haben, genutzt, um ihre Gebäude mit Sandsäcken und Metallwänden zu verstärken.

Die Werftstraße um kurz nach elf Uhr. Foto: as

Die Werftstraße um kurz nach elf Uhr. Foto: as

Bei den Scherübls in der Hausnummer 17 bleibt es am längsten – soweit man das so sagen kann – trocken. „Ich habe als kleiner Junge schon das Hochwasser 1954 miterlebt“, meint Josef Scherübl. Aber so schlimm wie dieses Mal sei es noch nie gewesen. Erst das Wasser von der Donau, jetzt komme das Grundwasser verstärkt von unten. Das alles erzählt er in ruhigem, fast entspanntem Ton. Er und seine Frau sind, wenn man so will, Hochwasser-Profis. Flussmenschen. Die Mauer vor dem kleinen Garten haben sie mit Sandsäcken verstärkt und erhöht. Die Tochter ist da und hilft mit. Aus dem Haus hört man den Motor einer Pumpe. „Ein große“, sagt Scherübl, klettert dann wieder vom Steg in den – bislang erst von kleine Pfützen durchzogenen – Vorgarten, vor dem sich das Wasser einen Meter hoch staut, und kontrolliert die Sandsäcke.

Erst trocken, dann hüfthoch in 20 Minuten

Direkt nebenan im Plan 9 hat Udo Meyer gerade aufgegeben. Das Lokal ist erst ein paar Monate hier. Und man hat noch nicht so viel Erfahrung im Umgang mit Hochwasser. Vor vielleicht 20 Minuten konnte man noch weitgehend trocken von der Wöhrdstraße durch den Gang in den Biergarten gehen. Jetzt ist der Wall mit Sandsäcken überspült worden, die wir noch hektisch vor der Eingangstür des Lokals stapeln, in dem das Wasser dennoch steigt – es kommt durch die Abflüsse am Boden von unten.

Udo Meyer im Hinterhof des Plan 9. Ein Viertelstunde vorher war es hier weitgehend trocken. Foto: as

Udo Meyer im Hinterhof des Plan 9. Ein Viertelstunde vorher war es hier weitgehend trocken. Foto: as

Am Ende reicht es uns fast bis zu den Knien. Draußen – im Gang – hat es innerhalb weniger Minuten beinahe Hüfthöhe erreicht. „Da ist nichts mehr zu machen“, sagt Meyer achselzuckend, aber nicht wirklich aufgeregt. „Das nächste Mal wissen wir es besser.“ Als wir, begleitet von ein paar bedauernden Worten des um Jahrzehnte erfahreneren Nachbarn Scherübl, eben auf den Steg klettern, während sich zwei Männer der DLRG (Deutsche Lebensrettungsgesellschaft) erkundigen, ob alles in Ordnung ist, fällt der Strom im Lokal aus.

Ein guter Rat...

Ein guter Rat…

„No Panic“, kann man auf einem Transparent am anderen Nachbarhaus lesen. Im Erdgeschoss schöpfen die Bewohner das Wasser mit Eimern aus dem Fenster. Auf dem Weg nach vorne treffen wir Franz Kastenmeier vom Tiefbauamt. Der klärt gerade die Bewohner der Werftstraße 6 – das Wasser im Haus steht hier vielleicht 30 Zentimeter hoch – darüber auf, dass man, sobald es möglich sei, damit beginnen werde, das Wasser aus der Werftstraße abzupumpen. Unterdessen geht Johannes Buchhauser von der Berufsfeuerwehr von Haus zu Haus, fragt, ob es den Bewohnern gut geht und – falls gerade niemand zuhause ist – ob jemand diese kenne.

„Beispielgebendes Verhalten“

„Beispielgebend“, nennt Rechts- und Umweltreferent Dr. Wolfgang Schörnig diesen unkomplizierten Umgang, die Zusammenarbeit der Einsatzkräfte und die Haltung der Anwohner später bei der Pressekonferenz. Dass der Scheitelpunkt des Hochwassers zu diesem Zeitpunkt – es ist kurz vor zwölf – fast erreicht ist, das hofft man zwar in der Einsatzzentrale, die Menschen am Fluss wissen es noch nicht. Stattdessen machen Gerüchte die Runde. Auf dem Damm am Gries, wo das Wasser fast bis zur Kante reicht, etwa herrscht hektische Betriebsamkeit. Der Steg dorthin wurde vorsichtshalber von der Polizei gesperrt. Man kommt nur noch dorthin, wenn man sich durch die zunehmenden Massen von Schaulustigen drückt, die sich auf der Steinernen Brücke drängeln.

Die Sonne kommt raus und Hochwasser-Touristen drängeln sich auf der Steinernen Brücke.

Die Sonne kommt raus und Hochwasser-Touristen drängeln sich auf der Steinernen Brücke.

Einsatzkräfte vom THW beginnen die auf Palette vorbereiteten Sandsäcke – etwa 40.000 wurden in den letzten Tage befüllt und verbaut – zu verteilen. In Ingolstadt sei eine Schleuse geöffnet worden, heißt es. „Das Wasser wird steigen. Und wie“, murmelt eine Helferin. Jetzt könnte es auch Stadtamhof erwischen. Wenige Meter ums Eck, beim Andreasstadel, hört man schon etwas von einem Anstieg um 20 Zentimeter.

Der Damm am Gries: Derzeit besteht keine Gefahr mehr. Aber man ist vorbereitet.

Der Damm am Gries: Derzeit besteht keine Gefahr mehr. Aber man ist vorbereitet.

Das ist, wie sich schließlich bei der Pressekonferenz klärt, falsch. Ein hartnäckiges Gerücht, dass auch manche Helfer für bare Münze genommen hätten, heißt es von Johannes Buchhauser. Stadtamhof bleibt also trocken. Es steht weiter sechs zu eins. Vorerst. „Wir haben die Lage im Griff, aber wir bleiben auf der vorsichtigen Seite“, sagt Schaidinger und schaut etwas müde. Er hat – ebenso wie rund 400 Mitarbeiter und Helfer – die Nacht durchgemacht. Aktuell sind nach wie vor 500 Einsatzkräfte im Dienst und 150 in Bereitschaft.

Warten auf die Scheitelwelle

Hochwasser: Höchststand am Dienstag Vormittag

Am frühen Dienstag Morgen hielten die Dämme noch. Der Scheitelpunkt des Hochwassers wird nun am Vormittag erwartet. Trotz Katastrophenalarm besteht kein Grund zur Panik. Die herrscht aber bei den Betroffenen vor Ort ohnehin nicht. Alle Infos der Stadt Regensburg im Detail.

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