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Maßnahmen zur Armutsbekämpfung

Armutsbericht: Annäherung nach Frostperiode

Verwaltung und Bürger haben etwas mehr Vertrauen zueinander gefasst: Das ist ein Fazit des sechsmonatigen Diskussionsprozesses über Maßnahmen aus dem städtischen Sozialbericht. Zentrale Forderung der rund 80 beteiligten Bürgerinnen und Bürger ist ein Stadtpass für Regensburg.

Am Ende bekommt Joachim Wolbergs ein kleines Apfelbäumchen. „Das Pflänzchen muss immer schön gegossen werden, damit es nicht verkümmert“, gibt ihm einer der Gruppen-Sprecher noch mit auf dem Weg. Am Dienstag ist der Maßnahmenkatalog zur Bekämpfung von Armut in Regensburg vorgestellt worden, den rund 80 Bürgerinnen und Bürger erarbeitet haben. In verschiedenen Arbeitsgruppen haben sie in den vergangenen sechs Monaten gemeinsam mit Fachleuten der Stadtverwaltung intensiv diskutiert und nun ihre Forderungen präsentiert. Der zweite Schritt nach der Vorstellung des Armutsberichts, offiziell Sozialbericht genannt.

Man scheint Vertrauen gefasst zu haben

Ein Fazit aus diesem Prozess kann man auf jeden Fall ziehen: Verwaltung und Bürger sind einander nähergekommen. Bei ihre Statements sind die Gruppen-Sprecher ebenso voll des Lobes über die konstruktive Atmosphäre wie Dr. Volker Sgolik vom Jugendamt. Und wenn von gegenseitigem Vertrauen und guter Zusammenarbeit die Rede ist, dann hört sich das fast ausschließlich ehrlich an. Selbiges gilt auch für Bürgermeister Wolbergs, der in der Vergangenheit häufiger mit Vertretern des Regensburger Sozialforums oder des Paritätischen Wohlfahrtsverbands aneinandergeraten ist. Zwischenzeitlich scheint man etwas Vertrauen zueinander gefasst zu haben. Und das liegt nicht unbedingt daran, dass kontroverse Themen ausgespart wurden.

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Stadtpass statt Kartenwald

Insbesondere das seit vier Jahren diskutierte Sozialticket steht ganz oben auf der Agenda: Alle Arbeitsgruppen haben einem „Stadtpass“ für Regensburg höchste Priorität eingeräumt. Zehn Euro (für Kinder ab zehn Jahren fünf, für Asylbewerber einen Euro) soll er kosten, zum einen als Monatsticket für den RVV im Stadtgebiet gelten und zum anderen eine 50prozentige Ermäßigung beim Eintritt in alle städtischen Einrichtungen mit sich bringen. Claudia Spiegl, die den Stadtpass stellvertretend für alle Gruppen vorstellte, sprach von einem „Kartenwald“, den es derzeit in Regensburg gebe: Werkhofkarte, Ehrenamtskarte, Semesterticket, Aktivkarte für Senioren… Abgesehen vom Semesterticket, das Studierende ja kaufen müssen, würden diese Karten kaum nachgefragt, brächten unterschiedliche Berechtigungen mit sich und häufig sei vielen gar nicht klar, dass sie Anspruch auf eine der genannten Karten hätten. „Da muss mehr Flexibilität und Transparenz rein“, so Spiegl.

Zentrale Forderung mit eigenem Logo: Claudia Spiegl stellt den Stadtpass vor. Fotos: as

Anstelle des Kartenwaldes solle der Stadtpass treten. Das verringere auch den Verwaltungsaufwand und erfülle das Versprechen von „Mobilität, kultureller und gesellschaftlicher Teilhabe für alle“. Wer neben den Empfängern von Hartz IV und Sozialhilfe Anspruch auf diesen Stadtpass habe, müsse nun noch genau ausdifferenziert werden, um dann eine zügige Umsetzung anzugehen, so Spiegl. „Wir hoffen auf ein Umdenken der Stadtoberen. Dann kann sich Regensburg auch Social Boomtown nennen.“

Chance auf Zugeständnisse im Wahlkampf

Große Diskussionen gab es an diesem Abend nicht. Die wurden in den zurückliegenden Monaten intensiv geführt. Joachim Wolbergs versprach einen „seriösen Umgang mit den Vorschlägen im Stadtrat“, ebenso regelmäßige Rückmeldung an die Beteiligten. Man werde über alles reden. Dürfe sich aber auch nicht zu viel erwarten, so Wolbergs. Aber vielleicht sei es – entgegen den Bedenken mancher Anwesenden – auch gar nicht so schlecht, wenn manches davon auch Thema im Wahlkampf werde. „Da ist man eher bereit, weitergehende Zugeständnisse zu machen.“ Etwas weiter hinten im Saal hört das CSU-Fraktionschef Christian Schlegl, verdreht die Augen, schüttelt den Kopf und meint: „Natürlich. Als Sozialdemokrat muss man ja so etwas versprechen.“ Eine weitere Forderung der „sehr hohe Priorität“ eingeräumt wurde, war übrigens, die Verpflichtung aufrecht zu erhalten, derzufolge Investoren in neuen Baugebieten 15 Prozent sozial geförderten Wohnraum errichten müssen. Zusätzlich sollten 25 Prozent mietpreisgünstige, aber freifinanzierte Wohnungen als verpflichtend eingeführt werden. Alle Informationen zu Armutsbericht und Maßnahmenkatalog hat die Stadt Regensburg im Internet veröffentlicht

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Kommentare (6)

  • Altstadtfreund

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    „Vertrauen“ zur Korrektur der Fehlbelegung von Sozialwohnungen oder Geheimniskrämerei?

    Die Fehlbelegung von Sozialwohnungen erfordert ausreichenden finanziellen Anreiz, damit die meisten Mieter ohne Anrecht/EOF die erheblichen Schwierigkeiten von Wohnungssuche und -wechsel auf sich zu nehmen, um ihre Sozialwohnung freizugeben für die vielen EOF-Berechtigten auf der Warteliste. Was tut die Stadt gegen (manchmal krasse) Fehlbelegung mit welchem Erfolg (Entwicklung der Fehlbelegungsquoten)?

  • Veronika

    |

    Gute Idee, diese könnte wohl auch sehr schnell umgesetzt werden, wenn man die Gelder, die man mit dem sicherlich auch in Regensburg vorgenommenen Verkauf der Meldebehörden-Adressen gleich von dort aus in einen “Stadtpass” umsetzt, d. h. so zentral wie man die Personendaten hat, gleich allen BürgerInnen einen “Stadtpass” (mit Chip?) ausgibt, und diese sich auf diesen Chip dann bei den zuständigen Referaten die Berechtigung (Ermässigungsprozente) “buchen” lassen können. Wäre doch was, oder? Eine Art “Stadt-Identity-Card”, würde – natürlich entsprechend anonymisiert gestaltet, was heutzutage mit einer Art “digitalem Schüssel” überhaupt kein Problem mehr ist – sogar das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken.

  • erik

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    Folgende Menschen (!) gelten nicht als “arbeitslos” und werden daher nicht in der Statistik als solche erfasst: -wer über 50 ist, -wer Altersteilzeit, Vorruhestand, hat, BfA Grundsicherung, Zwangsverentet etc, -wer sich in einer Quali oder ABM befindet, -sehr z.Zt krank ist, -wer sich in einer “Massnahme” befindet, -wem die Leistungen ganz / teilweise gestrichen wurden, wer Sanktionen hat, -wer Reha, Kur macht, schwanger ist, Kind bis 4 J hat, -wer einen Termin beim Fallmanager hat, -wer sich Bewerbungsprozess befindet, -wer als “integrationsfern” bei H4 bzw als “nicht vermittlungsfähig” klassifizert wurde. Hinzu kommen noch Arbeitslose die von der Arbeitsagentur in die “stille Reserve”gedrängt wurden. Wirtschaftswissenschaftler schätzen, das sich inzwischen 1 bis 2 Millionen Menschen in der “stillen Reserve” befinden, also eine Stadt wie München, Hambung oder Köln, deren Existenz aus politischen Gründen geleugnet wird. Eine weitere Informationsquelle für Armut im Hier und Jetzt ist meiner Meinung http://www.theonussbaum.de

  • Jusos fordern kostenlosen Sozialpass | Regensburg Digital

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    […] Arbeitsgruppen gebildet, die Forderungen und Ziele aus dieser Erhebung abgeleitet haben und es gibt einen Punkt, der als einziger von allen Gruppen priorisiert wurde: Ein Stadtpass für Bedürftige in Regensburg muss her, der als Busticket gilt und Vergünstigungen […]

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    […] mal gut sein lassen sollten mit ihren Forderungen – weshalb sich nicht zusammenschließen? Die Forderung nach einem Sozialticket gibt es schon länger. Zeit, diese Forderung auf eine breitere Basis zu stellen und auf die Straße […]

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    […] warten wir auch darauf, ob und wann nun endlich der abschließende Maßnahmenkatalog zum Sozialbericht vorgestellt werden wird. Ursprünglich war dies bereits im Juli geplant, wurde dann auf September […]

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