Entdecke Veranstaltungen in Regensburg Alle Kultur Oekologie Soziales Kino
Ostnerwacht

Ein Freibad mitten in der Altstadt

Nach dem Krieg gab es im Osten der Regensburger Altstadt einmal ein Freibad.

Das Schwimmbecken direkt am Minoritenweg war bis zur Eröffnung des Wöhrdbads 1952 das einzige Freibad abseits von Donau und Regen. Foto: privat

August. Hitzewelle und gerade in der steinerne Stadt Regensburg sind die Temperaturen noch um einiges höher als im Landkreis oder weiter draußen auf der Schillerwiese an der Donau. Da tut ein Sprung ins kühle Nass gut – zum Beispiel ins Schwimmbecken am Minoritenweg, direkt hinterm Neuen Rathaus. Bis Anfang der 50er Jahre, ehe das Wöhrdbad eröffnete, war das für ein paar Jahre Realität.

WERBUNG

Ab 1935: Behördengebäude statt Bürgerhäuser

Zwischen 1935 und 1939 wurden in der Ostnerwacht mehrere Bürgerhäuser abgerissen, um dort verschiedene Behördengebäude zu errichten. Immer mit dabei: der Kirchenzögling Hans Herrmann, zunächst als BVP, dann als NSDAP-Bürgermeister. Auch nach dem Krieg setzte Herrmann derartige Abbrüche fort – dann als CSU-Oberbürgermeister.

1935 wurde mit dem Bau des Neuen Rathauses und Räumen für die Sanitätskolonne entlang des Minoritenwegs und der D.-Martin-Luther-Straße begonnen, der ein Jahr später abgeschlossen war. Mehrere alte Behördengebäude und Bürgerhäuser wurden dafür abgeräumt.

Die Abbrüche im Stadtosten vor und nach dem Krieg. Blau eingezeichnet: Die Abrisse für die neuen Behördengebäude rund um den Minoritenweg.

Die damalige Entscheidung, den Sitz der Stadtregierung und weitere wichtige Behörden just an dieser Stelle zu platzieren, dürfte zum einen dem aus den 1920er Jahren stammenden Bauleitlinienplan des Münchner Architekten und Stadtplaners Otto Lasne geschuldet gewesen sein. Dieser sah vor, dass an der D.-Martin-Luther-Straße eine der künftigen Hauptverkehrsachsen für die Domstadt entstehen sollte.

Zum anderen gab es bereits vor Kriegsbeginn erste Pläne für die Reichsautobahn von Regensburg nach Nürnberg, an die es am Galgenberg einen Direktanschluss geben sollte. Die Hoffnung, dass der Führer das Rathaus auf so direktem Weg erreichen könnte, dürfte die Pläne geradezu beflügelt haben.

Wo heute das 1955 errichtete Quergebäude steht, grenzte bis dahin das Schwimmbecken direkt an den Minoritenweg an. Foto: Aigner

1937 zog die Polizei nach – seitdem erhebt sich im ehemaligen Klostergarten des Minoritenklosters die dreigeschossige Polizeidirektion mit ihrem mächtigen Satteldach. Zwei barocke Wohnhäuser in der Fahrbeckgasse mussten dafür weichen. 1939 wurde das neue Arbeitsamt fertiggestellt, für das vier Häuser im Minoritenweg und im Kirschgässchen abgebrochen wurden.

1939: Ein Löschteich muss her

Das heute fast verblasste Gemälde an der Westseite des Polizeigebäudes spiegelt den Zeitgeist wider, der all dies möglich machte. Die Judikative mit der Waage kniet devot vor dem Wächter, der Exekutive, der sich alles unterzuordnen hatte. Das Hakenkreuz im Lanzenwimpel wurde nach dem Krieg übertüncht. Eine Mahnung ist das Bild bis heute.

Das Polizeigebäude im Minoritenweg: die knieende Justitia ist mittlerweile fast vollständig verblasst. Foto: Aigner

Auf der damals noch existierenden Freifläche zwischen der Sanitätskolonne und dem Arbeitsamt wurde zum Schutz all dieser Behördengebäude ein Löschteich gebaut, der vom Stärzenbach gespeist wurde, an den heute noch der entsprechende Straßenname erinnert.

Stadt entdeckte das Schwimmbecken als Einnahmequelle

Nach dem Krieg entwickelte sich der Löschteich zur Badeanstalt für die Regensburgerinnen und Regensburger. Das Wöhrdbad wurde erst 1952 gebaut. Und abseits davon gab es lediglich die Flussbäder an Regen und Donau. Und so trafen sich hier nicht nur die Bürgerinnen und Bürger im Sommer zum Schwimmen und im Winter zum Eisstockschießen und Schlittschuhlaufen. Das Becken diente auch für Vergleichswettkämpfe unter Schwimmern, die später – 1956 – bei der Olympiade in Melbourne teilnahmen.

Das Schwimmbecken mit Holzzaun: Recht rasch musste Eintritt bezahlt werden. Foto: privat

Das zunächst kostenlose Schwimmvergnügen erkannte die Stadt rasch als Einnahmequelle. Flugs wurde ein Holzzaun um den einstigen Löschteich gebaut. Am Personeneinlass zwischen dem Gebäude der Sanitätskolonne und dem Arbeitsamt wurde fortan Eintritt verlangt.

Mit der Eröffnung des Wöhrdbads verlor das Schwimmbecken im Minoritenweg seine Bedeutung. Es wurde wieder zum Teich mit Algen, Fröschen und Kaulquappen, ehe 1955/56 ein weiterer Behördenquerbau entlang des Minoritenwegs entstand und er zugeschüttet werden musste.

Wo das kurzzeitige Schwimmbad einmal war sind heute die Tiefgarageneinfahrt für die Beschäftigten des Bürgerzentrums, ein paar Parkplätze und Bäume.

Heute ist das frühere Schwimmbecken ein Innenhof mit Parkplätzen und ein paar Bäumen. Foto: Aigner

Print Friendly, PDF & Email

SUPPORT

Ist dir unabhängiger Journalismus etwas wert?

Dann unterstütze unsere Arbeit!
Einmalig oder mit einer regelmäßigen Spende!

Per PayPal:
Per Überweisung oder Dauerauftrag:

 

Verein zur Förderung der Meinungs- und Informationsvielfalt e.V.
IBAN: DE14 7509 0000 0000 0633 63
BIC: GENODEF1R01

Kommentare (6)

  • Ludwig

    |

    Und wem gehört das Bürgerzentrum? Einem Regensburger Immobilienunternehmen für das die Stadt über zweijahrzehnte Millionen Miete zahlt. Deshalb der Name: Bürgerzentrum?

  • Spartacus

    |

    „Das Polizeigebäude im Minoritenweg: die knieende Justitia ist mittlerweile fast vollständig verblasst“

    Wen wunderts?

  • Hthik

    |

    @Spartacus 3. August 2022 um 16:19

    Ja, ein interessantes Symbol.

    Ein sehr schöner Artikel mal wieder, der das Alltagsleben und dessen Anhängigket von den damaliegen Machtstrukturen zeigt.

  • Lenzerl

    |

    Danke für den schönen Artikel. Stadtgeschichte des 20.Jahrhunderts am Minoritenweg, die kaum jemand kennt!

  • Wolfgang Soller

    |

    Der Generalbaulinienplan Regensburg und Umgebung wurde von Herrn Lansne in den Jahren 1912 bis 1917 erarbeitet und von Adolf Schmetzer fortgeschrieben.

  • Muggenthaler Markus

    |

    Wie lange war Adolf Hitler Ehrenbürger dieser Stadt?!
    Eine gute Sehhilfe ist in unserer Geschichte notwendig

Kommentare sind deaktiviert

drin