In Georgien ein Skandal, in Deutschland egal: „Zutiefst korrupter Akteur“ erhält Forschungsstipendium an der Universität Regensburg
Unabhängige Medien und zivilgesellschaftliche Organisationen in Georgien laufen Sturm gegen die Vergabe eines Forschungsstipendiums in Regensburg an einen fragwürdigen Juristen. Er sitzt in einem Gremium, das den undemokratischen Staatsumbau vorantreibt.
Verschweigt seine Mitgliedschaft im Hohen Justizrat: der georgische Forschungsstipendiat Goga K. Screenshot: LinkedIn
Am Mittwoch wurde Mzia Amaghlobeli zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Bereits seit dem 12. Januar saß die 49-Jährige in Untersuchungshaft. Sie gilt als erste weibliche politische Gefangene in Georgien seit 1991.
Ihr vermeintliches Vergehen: Sie hatte einen hochrangigen Polizeibeamten am Rande einer Demonstration geohrfeigt. Videoaufnahmen von Transparency International Georgia zeigen jedoch, dass diese angebliche Ohrfeige kaum als Grundlage für eine Anklage ausreicht. Zudem gibt es Aussagen, denen zufolge der Polizist zuvor selbst verbal und körperlich gewalttätig wurde. Der wahre Hintergrund: Mzia Amaghlobeli ist Journalistin und Mitbegründerin der unabhängigen Onlinezeitungen Batumelebi und Netgazeti.
Sie berichtet über Polizeigewalt, Korruption und Nepotismus in Georgien, über den autoritären Staatsumbau, den die populistische Partei „Georgischer Traum“ vorantreibt (mehr dazu hier bei der taz). Der „Georgische Traum“ ist eine populistische Partei, Gegnerin der EU und Unterstützerin von Russland und Wladimir Putin.
Der „Hohe Justizrat“: ein undemokratisches und korruptes Gremium
Maßgeblich beteiligt an diesem Um- und Abbau der georgischen Demokratie ist ein Gremium, das hier in Deutschland kaum öffentlich bekannt ist: der „Hohe Justizrat“. Ein Mitglied dieses Justizrats hat aktuell ein Forschungsstipendium an der Universität Regensburg erhalten.
Sein Name ist Goga K. Absolvieren wird er sein Forschungsstipendium bei Professor Alexander Graser, Lehrstuhlinhaber für öffentliches Recht in Regensburg.
Der junge Mann (35) scheint sich durchaus bewusst zu sein, welchem Gremium er angehört. Er hat es bei seiner Bewerbung verschwiegen. Ebenso verschweigt er diese Position auf seinen Social Media-Profilen, wo ansonsten mehr als ein Dutzend weit weniger bedeutsamer Tätigkeiten detailliert aufgelistet werden.
Kritik nicht nur in Georgien
Unabhängige georgische Medien sprechen angesichts des Stipendiums für Goga K. in Regensburg von einem Skandal. Doch dem DAAD, der das Stipendium vergab, und der Universität Regensburg ist das auch nach Bekanntwerden all dessen gleichgültig. Nur so kann man die Stellungnahmen, die unserer Redaktion vorliegen, interpretieren.
Der „Hohe Justizrat“ steht nicht nur in Georgien selbst in der Kritik, sondern auch in Deutschland. Zentraler Vorwurf: das Gremium untergräbt systematisch die Unabhängigkeit der georgischen Justiz. Es gibt zahlreiche Berichte darüber, dass Richter von dort aus angewiesen werden, wie sie zu entscheiden haben. Mehrere Mitglieder dieses Justizrats stehen wegen Menschenrechtsverletzungen auf verschiedenen Sanktionslisten.
Renommierter Jurist fordert Abschaffung des Justizrats
Ein sogenannter „Clan der Richter“, der eng mit dem georgischen Regime kooperiert, dominiert das Gremium. Widerspruch wird unterdrückt, notwendige Reformen bei der Justiz werden verhindert. Faktisch arbeitet der „Hohe Justizrat“ an der Demontage der georgischen Demokratie.
Zu diesem Schluss kommt der renommierte Historiker Ulrich Hagenloch, ehemaliger Präsident des Oberlandesgerichts Dresden und Mitglied des sächsischen Verfassungsgerichtshofs. Er fordert in einem Aufsatz, dass der Hohe Justizrat abgeschafft werden muss. Anders sei die Unabhängigkeit der georgischen Justiz nicht mehr zu retten – wenn überhaupt.
Berufung nach einem gefälligen Urteil des Vaters
Es ist auffällig, dass Goga K. als vergleichsweise junger Jurist den Sprung in den Hohen Justizrat schaffte. Über einen möglichen Hintergrund berichtet das Portal tiflis24. Fünf Tage vor seiner Berufung in diesen Richterclan hat der Vater von Goga K. in seiner Eigenschaft als Verfassungsrichter „ein Urteil gefällt, das vom Georgischen Traum so unbedingt gewünscht war“.
Der georgische Jurist Saba Brachveli, Mitglied der Civil Society Foundation, bezeichnet sowohl Goga K. wie auch seinen Vater gegenüber tiflis24 als „zutiefst korrupte Akteure“. Die Organisation Georgian Court Watch nennt Goga K.s Berufung in den Hohen Justizrat „ein klares Beispiel für Nepotismus im Gerichtswesen“.
Die Liste an Kritikern ließe sich weiter fortsetzen, ebenso die der Urteile nach dem Muster von Mzia Amaghlobeli, die unter Einflussnahme des Hohen Justizrats gegen Regierungskritiker und Demonstranten gefällt wurden, die wegen demokratischer Proteste zum Teil jahrelang hinter Gitter wandern. Unsere Redaktion steht in Kontakt mit georgischen Dissidenten.
Universität Regensburg hält sich nicht für verantwortlich
Weder der Deutsche Akademische Austauschdienst noch die Universität Regensburg lassen sich bislang von all dieser Kritik beeindrucken, ebenso wenig davon, dass Goga K. seine Mitarbeit in dem verlängerten Arm eines Unrechtsregimes verschwieg.
Die Universität zieht sich in einer Stellungnahme gegenüber unserer Redaktion auf den Standpunkt zurück, dass nicht sie, sondern der DAAD für das Stipendium verantwortlich sei. „Die gastgebenden Lehrstühle der Universität Regensburg prüfen bei solchen kurzzeitigen Aufenthalten grundsätzlich nur die wissenschaftliche Qualität und Passgenauigkeit des geplanten Forschungsvorhabens.“ Zum Zeitpunkt der Anfrage von Goga K. seien keine Informationen vorgelegen, die gegen ihn gesprochen hätten.
Bedenken „ernst“ nehmen ohne Konsequenzen
Weiter vertritt man den Standpunkt, dass die Bewertung des „Hohen Justizrats“, dem Goga K. angehört, „unterschiedlich“ ausfallen würde. Eine Quelle für eine positive Bewertung nennt die Universität Regensburg nicht und räumt dann doch ein, dass „die negativen Einschätzungen (…) jüngst zugenommen“ hätten und auch „plausibel“ erscheinen.
Einen Hinderungsgrund für das Gaststipendium in Regensburg sieht die Universität dennoch nicht. Man nehme die Bedenken aber „ernst“.
DAAD: Was ein Bewerber angibt, ist seine Sache
Deutlich dünner fällt die Stellungnahme des in Bonn ansässigen DAAD aus. Die Stipendien würden von unabhängigen Auswahlkommissionen vergeben, heißt es, auf Basis der wissenschaftlich-fachlichen Eignung. „Sofern keine strafrechtlich relevanten Vorwürfe oder Sanktionen gegen eine Person vorliegen, ist der DAAD bei der Auswahl von Stipendiatinnen und Stipendiaten der Wissenschaftsfreiheit und der politischen Neutralität verpflichtet. “ Dass Goga K. seine Mitgliedschaft im Hohen Justizrat verschwiegen hat, man könnte auch sagen: er hat gelogen, ist in den Augen des DAAD seine Sache.
Am gestrigen Mittwoch meldete Amnesty International, dass Mzia Amaghlobeli, die wegen fadenscheiniger Vorwürfe seit Januar in Haft sitzt und dort nun für zwei weitere Jahre bleiben muss, zu erblinden droht. Angemessene medizinische Versorgung wird ihr demnach verweigert.
Goga K. ist als Mitglied des „Hohen Justizrats“ mit verantwortlich dafür, dass solche Urteile gefällt werden. Doch das scheint DAAD und Universität schlicht egal zu sein.
Dokumentation: Stellungnahme der Universität Regensburg
Über die Anträge zur Finanzierung von Gastaufenthalten entscheidet die jeweils zuständige Förderinstitution nach eigenen Modalitäten – im vorliegenden Fall der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD). Die gastgebenden Lehrstühle der Universität Regensburg prüfen bei solchen kurzzeitigen Aufenthalten grundsätzlich nur die wissenschaftliche Qualität und Passgenauigkeit des geplanten Forschungsvorhabens. Zum Zeitpunkt der Anfrage lagen keine Informationen vor, die gegen eine Aufnahme Von Herrn Kikilashvili als Gastwissenschaftler gesprochen hätten.
Nach der Förderzusage durch den DAAD wandten sich Personen aus Georgien an den gastgebenden Lehrstuhlinhaber mit der Forderung, den Aufenthalt abzusagen. Diese Bedenken bezogen sich jedoch nicht auf die wissenschaftliche Eignung von Herrn Kikilashvili, sondern auf seine Stellung im georgischen Hohen Justizrat.
Die Bewertung dieser Institution fällt – wie in vielen Transformationsstaaten – seit jeher unterschiedlich aus. In der Vergangenheit wurde ihre Rolle nicht selten auch positiv beurteilt. Im Zuge des sich vollziehenden politischen Umbruchs in Georgien nehmen die negativen Einschätzungen des Hohen Justizrats jüngst zu. Diese Kritik erscheint durchaus plausibel, ist aber von außen angesichts der Dynamik der Vorgänge gegenwärtig kaum verlässlich zu beurteilen. Ob sie – sofern zutreffend – gegen eine wissenschaftliche Zusammenarbeit im Rahmen eines befristeten Forschungsaufenthalts spräche, ist fraglich. Zudem konnten seitens jener Personen, die sich an den Gastgeber gewandt haben, auch auf Nachfrage keine individualisierten Hinweise darauf gegeben werden, dass Herr Kikilashvili bei problematischen Entscheidungen dieser Institution eine führende Rolle eingenommen hätte.
Die Universität Regensburg nimmt die geäußerten Bedenken sehr ernst. Gleichzeitig jedoch fühlt sie sich der Wissenschaftsfreiheit sowie dem Prinzip eines offenen, unvoreingenommenen internationalen wissenschaftlichen Dialogs verpflichtet. Dies schließt zwar die Möglichkeit nicht aus, eine Gastgeberzusage an vom DAAD geförderte Personen im Falle von deren Beteiligung an rechtsstaatswidrigen Praktiken zurückzuziehen. Aber diese Option sollte auf Fälle beschränkt bleiben, in denen auf gesicherter Tatsachengrundlage vom Vorliegen gewichtiger individueller Beiträge zu solchen Praktiken ausgegangen werden kann.
Dokumentation: Stellungnahme des DAAD
Die Stipendien des DAAD werden von unabhängigen Auswahlkommissionen vergeben, die sich aus Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern deutscher Hochschulen zusammensetzen. Sie entscheiden auf Basis der wissenschaftlich-fachlichen Eignung der Bewerberinnen und Bewerber. Sofern keine strafrechtlich relevanten Vorwürfe oder Sanktionen gegen eine Person vorliegen, ist der DAAD bei der Auswahl von Stipendiatinnen und Stipendiaten der Wissenschaftsfreiheit und der politischen Neutralität verpflichtet. Die Entscheidung darüber, welche Stationen im Lebenslauf mit Blick auf die wissenschaftliche Eignung für die Bewerbung um ein Forschungsstipendium des DAAD relevant sind, liegt in der Verantwortung der Bewerberinnen und Bewerber.
Als Verein der deutschen Hochschulen übernimmt der DAAD zudem keine hoheitlichen Aufgaben der Bundesrepublik – etwa im Zusammenhang mit Visaanträgen oder möglichen Überprüfungen von Antragstellenden.
Trackback von deiner Website.
Paul
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Servus
toller Artikel super recherchiert, Kompliment.
Die wissenschaftliche Qualität und Passgenauigkeit des geplanten Forschungsvorhabens des Herrn ist geprüft ergo also Stipendium.
Er wird bei dem Lehrstuhlinhaber für öffentliches Recht in Regensburg lernen und
Goga K. als Mitglied des „Hohen Justizrats“ wird dann seine Erfahrungen in Bezug auf öffentliches Recht beim „Hohen Justizrats“ zum Einfluss bringen.
Der sich den Wolf schreibt
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Alles, was Recht ist.
„Die letzte Patrone der Demokratie“ (Markus Söder) der Bundesregierung klemmt, weitere Rohrkrepierer im Herbst sind nicht auszuschließen, wenn Lösungen großer Probleme anstehen. Rentenreform, Pflegereform, Gesundheitsreform, Reform des Wirtschaftsstrafrecht (Geldwäsche) sind die anstehenden großen zu lösenden Probleme.
Die wackeligen Mehrheitsverhältnisse und die unterirdischen (unwürdigen) „Angriffe“ mit gezielten Kampagnen, rechter Netzwerke im Internet, nehmen zu (siehe Brosius- Gersdorf-Wahl zur Verfassungsrichterin) und untergraben die Demokratie.
Der Frust der Bevölkerung, angesichts ungelöster Probleme wächst und entlädt sich (Gott behüte) letztendlich in der Wahl rechtsextremer Parteien und die Geschichte wiederholt sich.
Aktuell bekommt jetzt ein Mitglied des georgischen „Hohen Justizrat“ ein Forschungsstipendium an der Universität Regensburg.
WO LEBEN WIR DENN? IM PLEM-PLEM-LAND (Günter Grünwald), oder was?
tom lehner
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Zitat:
“Sofern keine strafrechtlich relevanten Vorwürfe oder Sanktionen gegen eine Person vorliegen, ist der DAAD bei der Auswahl von Stipendiatinnen und Stipendiaten der Wissenschaftsfreiheit und der politischen Neutralität verpflichtet.”
Nichts hören, nichts sehen… nichts sagen. Bei Menschenrechten muß die Neutralität aufhören. Ansonsten macht man sich mitschuldig.
Ich bin froh das die Universität Regensburg die “Bedenken ernst nimmt”
Bei aller Neutralität sollte auch die Wissenschaft zur Kenntnis nehmen, daß es ganz schnell vorbei sein kann mit der Möglichkeit unabhängig zu forschen und zu lehren. Das Beispiel Trump zeigt es uns mit einer Deutlichkeit wie wehrhaft eine Demokratie sein muß und wie leicht es ist sie auszuhebeln.
Markus P.
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Jeder, der mit seiner Konsumelektronik das Regime in China unterstützt, sollte hier mit Moralpredigten etwas zurückhaltender sein.
Mr. T.
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Zu Tom Lehners Beitrag erlaube ich mir, den linksgrün-versifften Desmond Tutu zu zitieren:
“If you are neutral in situations of injustice, you have chosen the side of the oppressor.”
Auf gut Deutsch:
“Wenn du neutral bist in Situationen der Ungerechtigkeit, hast du die Seite des Unterdrückers gewählt.”
Volker Artmann
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Werter Mr. T,
leider ist es nicht immer eindeutig, welche Seite im Konflikt “die des Unterdrückers” ist. In vielen komplexen, geopolitischen oder sozialen Konflikten sind die Wahrheiten oft mehrdeutig, und es gibt selten eine klare Trennung in “Gut” und “Böse”. Neutralität kann in solchen Fällen ein Mittel sein, sich eine differenzierte, nicht voreingenommene Position zu bewahren. Es ist möglich, dass eine Person in einem spezifischen Kontext keine ausreichenden Informationen hat, um eine fundierte Meinung zu bilden oder nicht die notwendigen Mittel, um sich effektiv in die Situation einzubringen.
Zudem muss auch der Gedanke in Betracht gezogen werden, dass es manchmal ethisch und strategisch sinnvoll sein kann, nicht direkt Stellung zu beziehen. Eine vorschnelle, undifferenzierte Haltung könnte unter Umständen sogar den vermeintlich “Guten” schaden, etwa wenn man auf eine Art und Weise handelt, die die Situation eskaliert oder ungewollte Konsequenzen nach sich zieht.
Der sich den Wolf schreibt
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@Markus P. 8. August 2025 um 09:08
Excuse me, sie haben sich zur moralischen Beurteilung anderer Kommentatoren, ebenfalls der zur Verfügung stehenden „Konsumelektronik“, als Werkzeug, bedient. Ihre Botschaften und moralischen Bewertungen anderer Kommentatoren haben sie auch nicht in Keilschrift oder Runenschriftzeichen oder Trommeln, verbreitet.
Ihre Einordnung von Kommentaren als „Moralprediger“ können sie sich sparen, sie unterliegen der Meinungsfreiheit im Forum, dass jedem anderen von RD genauso zugestanden wird wie Ihnen.
Mich würde interessieren, ob sie ihre strengen Maßstäbe auch bei verfassungsfeindlichen, vernetzten Agitatoren auf den digitalen Plattformen im Internet, wo sie ihre destruktiven Hass und Hetze-Kampagnen, Lügen und gezielten Desinformationen verbreiten, ebenfalls anwenden.
Mr. T.
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Volker Artmann, man kann natürlich Situationen nehmen, in denen es schwer ist, eine Seite zu beziehen, um sich grundsätzlich davor zu drücken, eine Seite beziehen zu müssen – oder zumindest dann, wenn man sich nicht hinter eine wohl “bessere” Sache stellen will. Es ist nicht verboten, bei jedem Konflikt die Schweiz zu spielen.
Markus P. hat seine nicht einmal mehr lächerliche Kritik bestens selbst entlarvt.
Max Kreitmair
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@Wolf es ist für einen selbsternannten Wächterrat immer unangenehm, wenn ihm der Spiegel vorgehalten wird. Naiv ist aber, wenn er dann auch noch ausweichend antwortet. Der Einwand von P. hat seine Berechtigung. Unsere Gesellschaft geht mit dem Regime in China um, wie mit einem guten Partner. Dagegen wird anderen Ländern, von denen man nicht abhängig ist, sehr schnell der moralische Spiegel vorgehalten. Darüber sollte man nachdenken
Volker Artmann
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Kommentar gelöscht. Bitte zum Thema.