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Ansichten eines ödp-Stadtrats

Konkurrenz des Gedenkens

Als “Häppchen” zwischen der Nicht-Diskussion um den Nicht-Skandal der Falsch-Abrechnung ging es im letzten Stadtratsplenum auch um die Regensburger Gedenkkultur. Angestoßen von ÖDP-Stadtrat Eberhard Dünninger stritten sich der honorable Professor a. D., OB Hans Schaidinger, der dritte Bürgermeister Joachim Wolbergs und Richard Spieß um Gedenktafeln, die Rolle des SPD-Bürgermeisters und der Privatperson Wolbergs und ganz am Rande auch um die Aktivitäten Verfassungsschutzes. Offenbar unterliegt auch das Gedenken an Opfer des NS-Regimes marktwirtschaftlichen und wettbewerbsorientierten Prinzipien. Denn wie sonst ist es zu erklären, dass ÖDP-Stadtrat Professor Dr. Eberhard Dünninger (Foto) den Gedenkmarsch des 23. April als “Konkurrenzveranstaltung” zum “offiziellen” Gedenken am Tag darauf bezeichnet? Kritikabel ist für Dünninger nicht nur, dass es überhaupt zwei Veranstaltungen gibt. Vor allem stört dem ÖDP-Stadtrat, dass Joachim Wolbergs, dritter Bürgermeister der Stadt, an diesem Gedenkmarsch teilnimmt. Er nennt ihn zwar nicht namentlich – aber dass ein “Vertreter der Stadt” in Stadtamhof mitmarschiert, stößt ihm sichtlich sauer auf. Immerhin werde der VVN (Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes), Mitveranstalter des Marschs, vom Verfassungsschutz beobachtet.

Wolbergs war kein Entsandter der Stadt

Ein “Vertreter der Stadt”, beruhigt ihn Schaidinger, sei nicht mitmarschiert. Der hätte nämlich von ihm höchstpersönlich entsandt werden müssen, und das habe er gewiss nicht getan. Der VVN werde schließlich “begründet” vom Verfassungsschutz beobachtet. Da würde er niemanden hinschicken. Wolbergs meldet sich selbstverständlich zu Wort. Er sei nicht als Bürgermeister dort gewesen, sondern als Privatperson. Der VVN sei außerdem nur einer von mehreren Veranstaltern. Für seine Teilnahme schämt er sich nicht. Im Gegenteil: Rabbi Josef Chaim Bloch und die Ilse Danziger, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Regensburg, hätten sich bei ihm für seine Gegenwart bedankt. Dünninger solle sich einmal mit den Mitgliedern der jüdischen Gemeinde unterhalten – “das würde ihnen gut zu Gesichte stehen”. Autsch. Das hat gesessen.

Tafel “nicht Ort des Gedenkens”

Und während der Rest des Stadtrates irgendwo zwischen Amüsement und Desinteresse die Abrechnungs-Posse wälzt, schneidet Dünninger erneut die Gedenkkultur an. Ob denn die Gedenktafel vor dem Colosseum endlich entfernt würde? Nein. Schaidingers Haltung ist klar. Die Inschrift sei schließlich nicht falsch. Es seien nur einige unzufrieden mit dem Text. Aber Meinungen, so der OB, seien nicht besonders wichtig. “Was zählt, sind Fakten.” Außerdem sei die Gedenktafel vor dem Colosseum nicht der eigentliche Ort des Gedenkens. Der sei der Gedenkstein – und das bleibt auch so. Die Tafel solle lediglich daran erinnern, welche Bedeutung dieses Haus hat.

Verfassungsfeind Spieß: Moralisches Problem für Dünninger?

Die Beteiligung des Stadtrates an der Diskussion um die konkurrierende Gedenkkultur ist spärlich. Das Interesse an 6.000 Euro in vier Jahren, verteilt auf drei Personen, ist wesentlich größer. Lediglich Richard Spieß mischt sich noch kurz ein, aber nur, um Dünningers Institutionengläubigkeit vorzuführen: Er – also Spieß – werde in Bayern schließlich auch als Extremist vom Verfassungsschutz beobachtet. Dann müsse also jedes Gespräch mit ihm Dünningers moralischen Vorstellungen zuwiderlaufen. Wer und wie man nun den Opfern der NS-Zeit besser gedenkt, wurde nicht geklärt. Die Organisatoren beider Veranstaltungen können sich ja nun schon mal rüsten. Sie haben jetzt ein knappes Jahr Zeit, um ihren “Konkurrenten” auszustechen.
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Kommentare (12)

  • Andreas Schmal

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    Es geht doch nicht im geringsten darum, ein “Konkurrenzgedenken auszustechen”. So ein Unsinn.

  • Neuromancerr

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    Lest mehr Haslbeck!

  • grace

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    naja, Prof. Dünninger wird halt von niemand beobachtet, auch nicht beachtet, stinkt ihm halt.
    und wie bei der schiessbude, jeder darf mal ran.
    im stadtrat gibts keine Piraten, da müssen halt die Linken herhalten für Ersatzhandlungen wg. Frustabbau etc.

  • Erich Tolli

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    Dünninger, ein antikommunistisch-konservativer Bayerischer Staatsbeamter a. D., wollte Wolbergs diskreditieren – man hasst sich gegenseitig, da ist jedes Mittel recht. Nichts Neues.
    Was diese Regensburger Episode aber deutlich zeigt, ist die Unsinnigkeit einer gemeinsamen, parteienübergreifenden Gedenkpolitik unter dem katholisch-konservativen Kulturreferenten Unger bzw. dem Reserveoffizier/OB Schaidinger, der jeden Gedenktag gerade so auslegt, wie es ihm persönlich am besten nützt.
    Anderseits ist es ein idealistischer, moralisierender Begriff von Gedenkpolitik, der viele der Aktivisten des 23.4. glauben lässt, man könne mit den Konservativen – auch Teile der SPD gehören dazu – ein gemeinsames vergangenheitspolitisches Ziel definieren und verfolgen. Nur etwa ein Promille der Regensburger interessiert sich /demonstriert für die Sachfragen, die auf dem Gedenkmarsch thematisiert wurden. So sind die Verhältnisse in der Boomtown, die in der Nazizeit zur Großstadt wurde.

  • Roland Hornung

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    Beim Gedenkweg am 23. April nehmen (meines Wissens immer) auch Vertreter der Jüdischen Gemeinde teil, wie auch dieses Jahr. Und von uns (Freundeskreis Israel in Regens- burg) sind auch immer einige dabei. Und anscheinend auch eine weitere israel-freundliche Gruppierung, wie die große Israelfahne zeigte. Also schon ein breiteres Bündnis als uns einige Leute erzählen…

  • MHH

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    Der übliche Blödsinn mit verfassungsfeindlich! Weil da vielleicht (auf Grund geschichtlicher Ursachen der Verfolgten des NS-Regimes) natürlich auch Kommunisten drin sind (wie der Name schon sagt) stehen diese natürlich in Bayern unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Das sind diejenigen, die Unterlagen im Fall der Leipziger Gruppe aus “Datenschutzgründen” vernichtet haben. Wären aus meinerSicht eher selbst ein Fall für den Verfassungsschutz bei den Elementen, die sich da offenbar rumtreiben?

    VVN heißt ja auch Vereinigung der Verfolgten des NS-Regimes.

    Wie sagte Martin Niemöller (bekannter Evang. Pfarrer) nach dem Krieg (der zu Beginn der NS-Zeit sogar diese unterstützte):
    „Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist.
    Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat.
    Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Gewerkschafter.
    Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“

    Nun ja, Herr Dönninger, von solchen Grundhaltungen sind sie offenbar meilenweit entfernt. Ist diese Haltung “ökologisch” oder eben nur Dönninger? Wenn nur Dönninger, sollten sie dies aber umgehend deutlich machen, dass sie nicht im Namen der ÖDP sprachen!

    Ob der Stadtrat auch schon observiert wird? Da sind ja Linke drin!

  • wahon

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    Der “Verfassungsschutz” hat mit dem Schutz der Verfassung so viel zu tun wie der “Zitronenfalter” mit dem Falten von Zitronen !

  • j.brandl

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    Positiv zu vermerken ist, dass Wolbergs auch als Bürgermeister seine alten “Traditionen” nicht ablegt und damit das Gedenken mit seiner Teilnahme aufwertet.

    Und wenn man sich nicht einigen kann, dann lieber 2 Veransaltungen zum Gedenken als keine.

  • Von Schande, Schinken und Hanswursten | Regensburg Digital

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    […] Gedenken drängt das eigentliche Ziel in den Hintergrund.“ Es könne nicht sein, dass – wie im letzten Jahr – ein Bürgermeister dafür kritisiert werde, dass er beim Gedenkweg am 23. April teilnehme. Es […]

  • Politischer Türsteher | Regensburg Digital

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    […] Vertrauen des 77jährigen in den Geheimdienst und dessen Berichte ist nicht neu. Im vergangenen Jahr brach Dünninger den Stab über der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregime… Eine Teilnahme am von der VVN organisierten Gedenkweg für die Opfer des Faschismus sei nicht […]

  • Christa Meier spricht beim Gedenkweg | Regensburg Digital

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    […] Wolbergs im vergangenen Jahr mitmarschierte, „als Privatperson“, wie er betonte, musste er sich von seinem Stadtratskollegen Eberhard Dünninger mit recht hanebüchenen Vorwürfen überziehen lass… Vermutlich hatte der 78jährige vergessen, dass er in der Vergangenheit selbst an der Veranstaltung […]

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    […] oder gar verdiente antifaschistische Organisationen von solchen Fördermitteln abzuschneiden. Das zeige etwa das Beispiel von CSU-Stadtrat Dr. Eberhard Dünninger, der in der Vergangenheit etwa … Und im Übrigen habe es seit der Sitzung des Kulturausschusses auch eine öffentliche Debatte über […]

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