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Landgericht Regensburg

Lebenslänglich für Mord an Lebensgefährtin

Lebenslänglich. So lautet das Urteil im Neutraublinger Mordprozess. Die Schwurkammer am Landgericht Regensburg bewertet die Tat als heimtückisch und aus niederen Beweggründen begangen. Von einer besonderen Schwere der Schuld geht das Gericht aber nicht aus.

Für den Mord an seiner Lebensgefährtin muss ein 37-Jähriger aus Neutraubling lebenslänglich ins Gefängnis. Foto: mb

„Wenn du das eingehst, mich dann aber hintergehst, dann passieren schlimme Sachen. Sowas muss dir bewusst sein.“ Zahlreiche Chats hat das Landgericht Regensburg im Prozess um die Tötung einer 27-Jährigen ausgewertet. Hunderte Nachrichten musste die Schwurkammer durchlesen und zueinander in Bezug setzen. Doch diese eine Nachricht, die der heute 37-jährige Angeklagte 2018 an sein späteres Opfer schrieb, stellt für das Gericht eine entscheidende Wegmarke dar.

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Seit 2012 kannten sich Täter und Opfer. Während die zehn Jahre jüngere Frau schnell weit mehr wollte, als nur eine gute Freundschaft, war der Mann immer wieder genervt von ihren Annäherungen. In seinem letzten Wort zeichnete der Angeklagte fast schon das Bild einer Stalkerin, die kaum die Finger von ihm lassen konnte. Er, das eigentliche Opfer damals, habe kaum gewusst, wie er sich ihr verwehren konnte.

„In solchen Momenten kommt der Hass.“

Um seinem Frauenbild zu entsprechen, verlor die Frau immer mehr an Gewicht. Sie legte sich sogar unters Messer. Mit Erfolg. 2018 werden beide ein Paar. Bis dahin soll es vor allem die Frau gewesen sein, die immer wieder eifersüchtig auf seine Liebschaften und Bekannten schielte. Fortan ist es der Angeklagte, den der Gedanke an zwei frühere Liebhaber seiner Partnerin – zwei ihm nahestehende Cousins – keine Ruhe mehr lassen sollte.

Es werde „immer um das scheiß Thema gehen“, schreibt er damals. Das Wissen um die Cousins mache ihn kaputt. „In solchen Momenten kommt der Hass.“ Die Freundin schlägt daraufhin eine Paartherapie vor. Der Angeklagte hat ein anderes Ansinnen.

Richter Dr. Michael Hammer spricht am Mittwoch in der Urteilsbegründung von einem klaren Machtverhältnis. Der Mann behält sich vor, mit anderen zu schlafen. Sollte sie so etwas tun, könne er nicht sagen, wie er damit umgehen werde. Das gibt er 2018 im Chat deutlich zu verstehen. „Ich habe nichts zu verlieren.“

Todesdrohungen gab es öfter

Die toxische Beziehung, die immer wieder auch von Gewalt geprägt gewesen sein soll, treibt die Frau mehr und mehr von ihrem früheren Umfeld weg. Zur eigenen Familie hält sie zwar weiter Kontakt. Immer wenn die Mutter aber nachfragt, woher die blauen Flecken stammen, oder sich negativ zum Angeklagten äußert, macht die 27-Jährige dicht. Noch Ende letzten Jahres habe sie damit gedroht, den Kontakt zu den Eltern abzubrechen, wenn man nicht gemeinsam vorbeikommen dürfe.

Einmal aber bekommt die Mutter direkt mit, wie aggressiv der Angeklagte ticken kann. Es ist 2020, als sich die 27-Jährige nachts bei ihr meldet. Aufgelöst und verängstigt bittet sie, mit ihrer Tochter vorbeikommen zu dürfen. Der Angeklagte soll ihr damals gedroht haben, sie zu töten. Am Telefon verteidigt er sich gegenüber der Mutter. Er habe nie gesagt, auch dem Kind etwas anzutun.

Sieben Tage lang hat sich die Kammer ein umfangreiches Bild gemacht, tief in die von Beginn an schwierige Beziehung zwischen Täter und Opfer geblickt. Am Mittwoch fügt Hammer Baustein an Baustein und entwickelt so nach und nach eine Erzählung, an deren Ende der 6. Februar dieses Jahres steht. Der Tag an dem der Angeklagte die junge Mutter im Beisein ihrer Tochter mit 24 Messerstichen in seiner Wohnung in Neutraubling umbringt.

Umfangreiche Chats zeichnen den Weg zur Tat nach

„Schmallippig“ (Hammer) äußert sich der Angeklagte diesen Montag zum einzigen Mal vor Gericht zur Beziehung. Die habe auch ihre guten Zeiten gehabt. Am Tatmorgen sei er „einfach ausgerastet“.

Die guten Zeiten, sie sollen zumindest in den Wochen vor der Tat nicht mehr häufig gewesen sein. Zunächst als Scherz gedacht, schreibt die junge Frau Ende letzten Jahres einem deutlich älteren Nachbarn einen anonymen Liebesbrief. Der ist davon völlig überfordert, will es auch zunächst nicht ernst nehmen. Doch schnell entwickelt sich ein enges Verhältnis. Man schreibt sich nahezu täglich, vor allem über Telegram.

Über 5.000 Wörter in zweieinhalb Monaten, hält Hammer am Mittwoch fest. Aufgrund der umfangreichen Chats zwischen der Frau und dem Angeklagten, beziehungsweise dem Nachbarn, kann der Vorlauf zur Tat und auch die Dreiecksbeziehung gut rekonstruiert werden.

Angeklagter kündigte die Tat an

Die 27-Jährige ist hin und her gerissen. Der Nachbar gibt ihr Halt, hört ihr zu. Während der Woche ist sie fast jeden Abend bei ihm. Weil ihre Tochter zeitgleich nebenan alleine zuhause ist, lassen sich die übrigen Nachbarn immer mehr über die vermeintlich schlimme Erziehung aus.

Am Freitag, 4. Februar, holt der Angeklagte wie so oft die Tochter seiner Partnerin von der Schule ab. Man fährt mittags noch kurz zum Wohnhaus der Frau, um etwas zu holen. Dabei sprechen die Nachbarn den Mann auf das Verhältnis seiner Freundin zum 53-jährigen Nachbarn an.

Für den Angeklagten bricht seine Welt zusammen. Zuhause ruft er einen Freund an, spricht über die untreue Freundin und dass er für „15 Jahre ins Gefängnis“ gehen werde. Der Frau droht er später alkoholisiert am Telefon, sie zu töten.

Frau fährt trotz Warnungen zu ihrem Mörder

Zwei Tage gärt es in ihm. Man telefoniert, einigt sich darauf, noch einmal in Ruhe zu reden. Im anderen Chat drängt der 53-Jährige die „Liebe seines Lebens“, sich endlich zu entscheiden, warnt aber auch davor, doch wieder nach Neutraubling zu fahren. Wenn was passiere, sei sie selber schuld.

Am Samstag fährt die Frau zurück nach Neutraubling, nicht sicher, was sie dort erwartet. Die Drohung vom Vortag nimmt sie durchaus ernst. Sie schaut zunächst in der Küche, ob noch alle Messer da sind. Wann genau der Angeklagte das Küchenmesser auf dem über zwei Meter hohen Schlafzimmerschrank deponierte, konnte vor Gericht nicht exakt festgestellt werden.

Gegen Mitternacht bringt die Frau ihre Tochter ins Bett. Irgendwann in der Nacht legt auch sie sich ins Schlafzimmer. Spätestens da habe sie nicht mehr mit einem Angriff auf sich gerechnet, so die Kammer. Womöglich habe sie auch die Anwesenheit ihres Kindes als eine Art Schutz empfunden. Der Angeklagte habe deshalb – trotz der vorherigen Geschehnisse – heimtückisch gehandelt.

Auch das Mordmerkmal der niederen Beweggründe sieht das Schwurgericht gegeben. Nicht aufgrund von Eifersucht. Auch nicht, weil die Freundin ihn für den Nachbarn hätte verlassen können. Das Opfer beteuert tags zuvor, dass sie ihn nicht verlassen werde.

Staatsanwaltschaft sieht „menschenverachtenden Vernichtungswillen“

Als auch der Angeklagte am Morgen ins Schlafzimmer kommt – durch 3,46 Promille im Blut enthemmt – konfrontiert er die Frau. Er will wissen, wie oft sie fremdgegangen ist. Dann fügt er ihr im Bett erste Verletzung zu. Die Blutspritzer an der Wand deutete ein Gerichtsmediziner als Folge von Abwehrbewegungen.

Die Frau springt auf, rennt zur Tür und macht das Licht an. Durch den Lärm wird das Kind wach, stellt sich aber weiter schlafend. Laut der jungen Zeugin habe der Angeklagte irgendwann die Tür verschlossen und im Dunkeln den Schlüssel weggeworfen. Dann sticht er in die Rumpfseite der Frau und fügt schwerwiegende Verletzungen zu.

Die Frau stolpert, geht zu Boden und bleibt bewusstlos liegen. Mehrfach noch sticht der Angeklagte auf den leblosen Körper ein. Staatsanwältin Kathrin Schilling spricht in ihrem Plädoyer von „menschenverachtendem Vernichtungswillen“, mit dem der Mann seine Partnerin „abgeschlachtet“ habe.

Wie 2018 bereits angekündigt, habe er seine Freundin bestrafen wollen, so die Überzeugung des Gerichts. Er habe sie getötet, „weil sie ungehorsam war, weil sie gegen die von ihm verhängten Regeln verstoßen hat“, sagt Hammer. So habe er das Machtverhältnis und sein „Selbstwertgefühl“ wieder herzustellen versucht. Aus niederen Beweggründen „opfert er seinem Ziel ein menschliches Leben“.

Grausamkeit nur im moralischen, nicht im juristischen Sinne

Schilling sowie die beiden Rechtsanwältinnen Claudia Schenk und Shirin Ameri als Vertreter der Nebenklage hatten in ihren Plädoyers auch das dritte Mordmerkmal der Grausamkeit und die besondere Schwere der Schuld gefordert.

Schon im Verlauf des Verfahrens hatte der Kammervorsitzende aber darauf verwiesen, dass es um die rechtliche Wertung gehen müsse, nicht um eine moralische Verurteilung. Ja, die Tat im Beisein der Tochter zu begehen sei grausam, gesteht Hammer – im alltäglichen Verständnis. Juristisch aber hebe sich die Tat am Ende nicht ausreichend von anderen vergleichbaren Fällen ab. Für die besondere Schwere der Schuld sieht das Gericht deshalb keine hinreichenden Gründe.

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