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Demo gegen Bestandsdatenauskunft

Protest bei eitel Sonnenschein

Die Regensburger Piratenpartei rief am Sonntag gemeinsam mit attac und den Grünen zu einer Demonstration gegen die Bestandsdatenauskunft auf. Ein Sonntagsspaziergang mit Transparenten und Polizeigeleit.
Am Sonntag protestierten die Regensburger Piraten gegen die Bestandsdatenauskunft (BDA). Grüne und attac waren angeblich auch dabei - blieben aber farb- und fahnenlos. Fotos: Liese

Am Sonntag protestierten die Regensburger Piraten gegen die Bestandsdatenauskunft (BDA). Grüne und attac waren angeblich auch dabei – blieben aber farb- und fahnenlos. Fotos: Liese

Kurz bevor man losmarschiert wird die Route noch einmal abgestimmt. Einer der beiden anwesenden Polizisten wechselt ein paar Worte mit den Organisatoren. Schilder und Fahnen mit dem Piratenpartei-Logo oder Schriftzügen wie „BDA am Arsch“ oder „Digital ist nicht egal“ werden verteilt. Auch ein Transparent aus den Protesten gegen das Datenschutzabkommen ACTA findet Wiederverwendung: Statt „ACTA ad acta“ steht dort nun, piratenuntypisch ganz analog mit Klebeband, Papier und Stift ausgebessert, „BDA ad acta“.

BDA: Überwachung plus

BDA, das ist die Bestandsdatenauskunft, die der Bundestag im März beschlossen hat: Polizei und andere staatliche Behörden sollen auf die von Privatpersonen gespeicherten Bestandsdaten zugreifen dürfen. Hierzu zählen Passwörter, PINs oder Bankdaten, aber auch IP-Adressen. Als Rechtfertigung reicht Ermittlern der Verweis auf die „Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben“. Die Gesetzesänderung wartet derzeit noch auf die Zustimmung im Bundesrat. Diese wollen sie verhindern an diesem ersten sonnigen, warmen Sonntagnachmittag des Jahres: Regensburger Piraten, aber auch Sympathisanten, „Digital Natives“, die ihre Privatsphäre in Gefahr sehen. Dazwischen kann man ein paar Punks und ältere Herren ausmachen. Mit ein paar Minuten Verzögerung setzt sich der Tross schließlich in Bewegung. Aber wird er auch als Demonstration wahrgenommen? Ein wenig erinnert der Zug an einen von der Polizei betreuten Frühlingsspaziergang. Fröhlich schwatzend und das schöne Wetter genießend trabt man in Richtung Maximilianstraße, über die der Demonstrationszug zum Neupfarrplatz gelangen soll. Dem Betrachter mag Eduard Mörike in den Sinn kommen: Frühling lässt sein blaues Band – in diesem Fall orange Fahnen – wieder flattern durch die Lüfte…

„Laut sind wir nicht wirklich“

Es sind fünfzig, vielleicht sechzig Personen, die sich dem fahnenschwenkenden Kern der Demo angeschlossen haben. Manchmal ist man sich nicht sicher, wer nun eigentlich mitdemonstriert und wer einfach nur Passant ist. Verhaltene Versuche, mithilfe eines Megafons Sprechchöre zu initiieren, scheitern. „Bist du bei der Polizei, mein Passwort lautet 1-2-3“ wird da gerufen, oder „Wir sind hier, wir sind laut, weil man unser Passwort klaut.“ „Laut sind wir nicht wirklich“, scherzt ein Fahnenträger.
 Ein altes ACTA-Transparent wurde beim Demonstrationszug recycelt.

Ein altes ACTA-Transparent wurde beim Demonstrationszug recycelt.

Bei der Abschlusskundgebung am Neupfarrplatz – man hat ihn in kaum mehr als einer Viertelstunde erreicht – sprechen der Bundestagsdirektkandidat der Regensburger Piraten, Jan Kastner, und Florian Eckert, Kreisvorsitzender der Grünen. Letzterer steht ziemlich allein auf weiter Flur; zumindest ist auf der gesamten Veranstaltung keine einzige Fahne, kein Plakat und kein Banner seiner Partei zu sehen. Auch die Anwesenheit von Attac, die im Vorfeld ebenfalls als Bündnispartner der Demonstration auftraten, vermisst man. Auf Nachfrage erklärt Eckert, der Parteitag in Würzburg sei Schuld an der fehlenden Präsenz der Grünen.

SPD stimmt mit FDP und CDU/ CSU

Das Thema sei aber nichtsdestotrotz sehr wichtig für die Partei, versichert er. Mit der SPD könne man in einer Sachfrage wie der BDA nicht rechnen, da wollten sich die Sozialdemokraten lieber ein Hintertürchen für eine große Koalition aufhalten – „hinter dem Rücken der Grünen“. In der Tat haben die Sozialdemokraten der strittigen Gesetzesänderung im Bundestag zugestimmt.
 Pirat Jan Kastner: "Gefährdet ist das intimste, was wir haben - unsere Passwörter!"

Pirat Jan Kastner: “Gefährdet ist das intimste, was wir haben – unsere Passwörter!”

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Kastner, der selbst nicht an seine Chancen als Direktkandidat in Regensburg glaubt, spricht von der Errichtung eines Überwachungsstaates durch CDU/CSU, FDP und SPD. Bedroht sei das „intimste, was wir haben – unsere Passwörter“. Das dürfe man nicht kampflos hinnehmen. Ein aufrichtiger, aber etwas müde wirkender Beifall der Demonstranten unterstreicht seine Worte. Nachdem im Anschluss auch Eckert seine Botschaft, der „unkontrollierbare Datenaustausch“ müsse dringend verhindert werden, via Megafon in den sonnigen Nachmittagshimmel geschickt hat, wird die Versammlung einvernehmlich aufgelöst; gerade einmal eine reichliche halbe Stunde, nachdem man am Hauptbahnhof aufgebrochen ist. Es wird noch ein wenig darüber diskutiert, wer welche Email nicht weitergeleitet hat und warum die Demonstration keine größere Breitenwirkung entfalten konnte. Am 27. April will man erneut gegen die BDA protestieren.
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Kommentare (4)

  • Patrick K.

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    Das ist ja mal wieder typisch für Piratenpartei, attac und so weiter…
    Ende letzten Jahres wurde in Köln das “Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum” gegründet. Mit dabei sind BKA, Bundespolizei, Generalbundesanwalt, Zoll, Verfassungsschutz von Bund und Länder, der Militärische Abschirmdienst, die Landeskriminalämter und noch mehr. Eine Zusammenarbeit von Polizeien und Geheimdienst ist von den Alliierten durch die bittere Erfahrung der Nazi-Zeit in der BRD verboten worden. Das hier mal eben wie schon öfter demokratische Grundsätze über Bord geworfen werden, scheint die Piraten und Freunden anscheinend nicht zu interessieren. Ebensowenig habe ich was von ihnen gehört als das Verfassungsgericht mal kurz nebenbei den Einsatz der Bundeswehr im Inland erlaubt hat. Oder wenn die Bundeswehr mal wieder Soldaten in irgendein Land dieser Welt schickt….

    Liebe Piraten, es wäre schön, wenn man von auch mal was hören würde, wenn es nicht um eure individuelle Angst geht, dass euch der Staat euer Passwort klaut!

  • Harald Klimenta

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    Attac Regensburg hat das unterstützt, obwohl ich gleichzeitig Tina Lorenz, einer der OrganisatorInnen sagte, dass wir unsere Ressourcen auf Samstag und die UmFAIRteilen-Demo legen und sie besser nicht mit uns rechnen möge. Und kommenden Samstag auf die Aktion “Regensburg neu gestalten” im EBW. Gleichzeitig war ich deutlich verwundert über den Termin (sonntag nachmittag??) und den werbeflyer (eine wirre aneinanderreihung von – für viele Menschen – fremdworten).

    Und “@jan”: das intimste, was ich “habe” (?) – sind ganz sicher nicht meine Passwörter…

  • Gondrino

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    @Patrick K. Entschuldigung, wenn wir uns für Deine und unsere Privatsphäre einsetzen und das für Dich nicht genug ist.

    Btw., wenn man von “uns” nicht viel hört, dann liegt das häufig daran, dass die Mainstream-Medien unsere Pressemitteilungen nicht veröffentlichen, was natürlich auch ihr gutes Recht ist.

    Aber daraus zu schließen, dass die Piraten nichts machen, ist falsch.

  • erik

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    das wofür die DDR von der BRD kritisirt wurde, nämlich die Bespitzelung der Bürger auf Verdacht hat sich im Nachwende-Deutschland schon längst wieder etabliert. Die Bespitzelungs-Maschinerie läuft auf Hochturen, die Datenbestände wachsen und wachsen, in der DDR war aus nachrichtendienstlicher Sicht offenbar nicht alles schlecht, man bedient sich nur zu gerne ihrer Methoden und der Schüler übertrifft mittlerweilen seinen Lehrmeister. Kaum ereignet sich etwas irgendwo auf der Welt, wird dies vom schizophrenen Wasserkopf zum Anlass genommen in Deutschland die Bürgerrechte einzuschränken. Die Mielkes und Himmlers hätten an diesen Entwicklungen ihre Freude gehabt.

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drin