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"Wo ich herkomme, hört man solche Musik."

Volksverhetzung nicht überblickt?

Wegen des lautstarken Abspielens eines rassistischen Liedes wurde ein 29jähriger Anfang des Jahres zu vier Monaten Haft verurteilt. Er macht seine geistige Behinderung geltend und ging in Berufung, um eine Gefängnisstrafe abzuwenden.

„Ich gehe nicht einmal wählen.“ Kevin R. will nicht noch einmal in den Knast. Foto: as

„Ich gehe nicht einmal wählen.“ Kevin R. will nicht noch einmal in den Knast. Foto: as

„Ich will da auf keinen Fall mehr hin“, murmelt Kevin R. (Name geändert), als ihn sein Rechtsanwalt auf die Erfahrungen in der JVA Cottbus anspricht. Dort hat der 29jährige schon rund zwei Jahre verbracht, nachdem er sich mit mehreren Polizeibeamten eine Prügelei geliefert und der Streifenwagen demoliert hatte. 

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Vorstrafe wegen Kindsmissbrauch

Auch ansonsten hat der Eisenhüttenstädter schon Einiges auf dem Kerbholz: angefangen bei Diebstählen und Sachbeschädigungen über Nötigung und gefährliche Körperverletzung bis hin zu sexuellem Missbrauch von Kindern. Zwei Bewährungsstrafen laufen noch und könnten nun fällig werden, sollte das Landgericht Regensburg die Haftstrafe bestätigen, die in erster Instanz gegen R. verhängt wurde.

Schuldfähigkeit „erheblich vermindert“

Vergangenen Oktober ließ Kevin R., bekleidet mit Militärklamotten und geschmückt mit einem Eisernen Kreuz, auf einem Bahnsteig am Regensburger Hauptbahnhof lautstark das rassistische und mit Mord-Aufrufen gespickte „Obama-Lied“ der rechtsextremen Hooligan-Band Kategorie C über die Bluetooth-Boxen seines Handys laufen. Das Amtsgericht Regensburg verurteilte ihn deshalb zu vier Monaten Haft. In seinem Urteil hatte das Gericht bereits berücksichtigt, dass der 29jährige aufgrund einer geistigen Behinderung „stark entwicklungsverzögert“ ist, seit Jahren unter gesetzlicher Betreuung steht und das bei ihm die Schuldfähigkeit „erheblich vermindert“ ist.

Kevin R. könne kaum lesen und schreiben, habe keinen Überblick über die Konsequenzen seiner Handlungen und könne diese auch „nicht kontrollieren“, heißt es in einer Stellungnahme seiner Bewährungshelferin.

“Ich bin nicht politisch.”

In seiner Berufungsklage wendet sich R.’s Rechtsanwalt Helmut Oertel am Dienstag denn auch nicht gegen den Tatvorwurf als solchen – diesen räumt sein Mandant in vollem Umfang ein – sondern gegen das Strafmaß. Kevin R. will nicht noch einmal in den Knast.

Er sei nicht politisch, erklärt der mit der Situation sichtlich überforderte Mann dem Vorsitzende Richter Robert Rösl. „Ich gehe nicht einmal wählen.“ Dass das Lied verboten sei, habe er nicht gewusst. Er habe ja „nicht einmal was gegen Ausländer“ oder den US-Präsidenten. „Seine Politik find ich einigermaßen ok.“ Das mit den Militär-Outfit und dem Eisernen Kreuz habe nichts zu bedeuten. Er möge nur dieses „Camouflage“ und diese Verdienstabzeichen, so „wie alles, was mit dem Militär zu tun hat“. Er habe da jede Menge Matchbox-Autos und sogar Videos aus dem II. Weltkrieg zuhause.

Das besagte Obama-Lied habe er „irgendwann einmal“ per WhatsApp geschickt bekommen und sich ab und zu angehört. Er höre aber auch Musik von Shakira. „Das Pech“ am Regensburger Hauptbahnhof sei gewesen, dass er vergessen habe, die Bluetooth-Boxen abzuschalten. Und als schließlich ein Beamter der Bundespolizei neben ihm stand und darauf ansprach, da sei es „schon zu spät“ gewesen.

Zeuge: Angeklagter fühlt sich “eher der AfD zugehörig”

Der als Zeuge geladene Oberkommissar schildert das Ganze am Dienstag allerdings etwas anders. Als er und ein Kollege nach einem Hinweis zum Bahnsteig eilten, habe er das Lied schon von Weitem gehört und mehrere Textpassagen, in denen von „Nigger-Schwein“ und „Erhängen“ die Rede war, deutlich wahrgenommen. Der Angeklagte sei mit einer Box in der Hand wippend am Bahnsteig gestanden. Auf Nachfrage habe er erklärt, dass er „politisch eher rechts“ stehe und sich der AfD zugehörig fühle. „Er hat sich auf die Meinungsfreiheit berufen und gemeint: ‘Da, wo ich herkomme, hört man solche Musik’. Das wolle er auch hier kundtun“, so der Polizeibeamte.

Unmittelbar vor seiner erstinstanzlichen Verhandlung habe er begonnen, in der Flüchtlingshilfe zu arbeiten, so Kevin R. zu seiner Entlastung. Er habe seit seiner Verurteilung auch mehrere neue Freunde, darunter seien „sogar Afrikaner“. Auch seinen Alkoholkonsum habe er etwas gezügelt. „Ich trinke nur noch mein Cola-Bier.“ Etwas verärgert und mit abwinkenden Handbewegungen reagiert R.s Rechtsanwalt, als dieser sich etwas abfällig darüber auslässt, dass die Flüchtlinge doch „so viele Sachen geschenkt“ bekämen.

Drei neue Ermittlungsverfahren gegen Kevin R.

Weil der Betreuer des 29jährigen nicht zur Verhandlung erschienen ist und weil Kevin R. keinen Beleg für sein Engagement in der Flüchtlingshilfe mitgebracht hat, setzt Richter Rösl für kommende Woche einen weiteren Verhandlungstermin an, um dazu den Betreuer zu vernehmen.

Doch selbst wenn das Urteil milder ausfallen sollte als in erster Instanz sieht es mit Kevin R.s Wunsch, nicht noch einmal in den Knast zu kommen, eher schlecht aus. Bei der Staatsanwaltschaft in Frankfurt (Oder) laufen drei weitere Ermittlungsverfahren gegen ihn: wegen Freiheitsberaubung, einer Steuerstrafsache und Verstoß gegen das Waffengesetz.

Die Verhandlung wird am Mittwoch kommende Woche fortgesetzt.

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Kommentare (5)

  • Lothgaßler

    |

    Keine Frage, ein eher schwieriger und für viele unsympathischer Zeitgenosse, aber kein Grund sich über seine kommende Haftstrafe zu freuen! Die jahrelange gesetzliche Betreuung scheint ihr Geld nicht wert zu sein. Was leistet diese Betreuung eigentlich? Dem Schreiben der Bewährungshelferin und der Urteilsbegründung des Amtsgerichts zufolge wird die Haft die Tat nicht sühnen und den Kerl nicht bessern. Schwierige Sache und keine Lösung in Sicht. Die Gesellschaft wird von ihm wieder hören.

  • Mathilde Vietze

    |

    Zu “Lothgaßler” – Die “Alternative” zur ambulanten Betreuung wäre die
    Einweisung in die Psychiatrie. Es frägt sich allerdings, ob er da gebessert
    würde, da es sich beim Täter offenbar um einen Uneinsichtigen handelt,
    für dessen “Schicksal” nur immer alle anderen verantwortlich sind.

  • der mit offenem Mund surft...

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    das is so grotesk und absurd.. seid ihr sicher, dass ihr da nicht ´ner Werbung für das kommende HGichT-Konzert aufgesessen seid ?

  • Ronald McDonald

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    Für eine noch kleinere Verpixelung hat’s nicht gereicht?

  • Volksverhetzung: Angeklagter schwänzt Verhandlung » Regensburg Digital

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    […] Hauptbahnhof zunächst vom Amtsgericht Regensburg wegen Volksverhetzung verurteilt worden. In seiner Berufung machte der 29jährige seine geistige und seelische Behinderung geltend. Er habe nicht überblickt, was er da tat, so die Begründung seines Rechtsanwalts Helmut Oertel. […]

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