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Archiv für 10. Juli 2014

„Das ist ein bisschen Folklore.“

Mollaths beschädigter Kronzeuge

Ein wichtiger Zeuge beschädigt ohne Not die eigene Glaubwürdigkeit. Am Ende schwört er einen Eid. Ein Ärztin, die Mollath für psychisch krank erklärt hat, ohne ihn je gesehen zu haben, zieht sich ganz gut aus der Affäre. Vierter Tag im Mollath-Prozess. (Alle Prozessberichte gibt es hier.)  

„Das ist Drehbuch.“ Mit seinen flapsigen Aussagen redete sich Edward Braun um Kopf und Kragen. Foto: as

„Das ist Drehbuch.“ Mit seinen flapsigen Aussagen redete sich Edward Braun um Kopf und Kragen. Foto: as

Das Thema, mit dem Gustl Mollaths wichtigster Zeuge am vierten Verhandlungstag seine eigene Glaubwürdigkeit untergräbt, ist für das Wiederaufnahmeverfahren vor dem Landgericht Regensburg eher von untergeordneter Bedeutung. Dennoch wird es am Ende des Tages die Schlagzeilen mehrerer Zeitungen bestimmen.

„Das ist Drehbuch. Das ist ein bisschen Folklore.“

Gegen Ende seiner dreieinhalbstündigen Vernehmung räumt Edward Braun ein, dass er mit Blick auf die Schwarzgeldvorwürfe gegen Mollaths Ex-Frau Petra M. und die Hypovereinsbank etwas übertrieben hat. Nicht vor Gericht, nicht gegenüber offiziellen Stellen, aber vor einem Millionenpublikum. Im Rahmen der preisgekrönten ARD-Reportage „Der Fall Mollath – In den Fängen von Justiz, Politik und Psychiatrie“ hatte der langjährige Bekannte der Eheleute Mollath erklärt:

„Weil ich ja von Petra Mollath persönlich das Angebot bekommen habe, ihr 100.000 DM zu überreichen und diese 100.000 würde sie mit Auto in die Schweiz verbringen. Das mache sie schon seit längerem, das wäre ihre Aufgabe im Privatkundenbereich. Genau so hat sie das gesagt.“

Nach bohrenden Nachfragen von Oberstaatsanwalt Wolfhard Meindl räumt Braun am Donnerstag ein: „Es ist durchaus möglich, dass meine Aussage vor dem Fernsehteam nicht richtig war.“ Von der Schweiz oder davon, dass Petra M. das Geld mit dem Auto dorthin bringen werde, sei in Gesprächen mit ihr nie die Rede gewesen. Lediglich davon, dass sie ab einer Summe von 100.000 DM Geld für ihn anlegen könne. „Das habe ich ja auch bei meinen Vernehmungen gesagt.“ Warum dann diese Äußerung im Fernsehen?, will Meindl wissen. „Das ist Drehbuch. Das ist ein bisschen Folklore.“ Später bekräftigt er gegenüber Medienvertretern: „Die ARD-Sendung interessiert mich nicht. Wichtig sind meine Aussagen gegenüber der Staatsanwaltschaft.“

Braun: Ex-Frau bot 500.000, wenn Gustl die Klappe hält.“

Wichtig waren diese Aussagen in der Tat für Gustl Mollath. Seit 1985 habe er das Ehepaar Mollath gekannt, sagt Braun. Und im Rahmen von unregelmäßig stattfindenden Events habe man sich immer wieder getroffen. Am Donnerstag hat Braun sogar Fotos von den gemeinsamen Festivitäten mitgebracht, um das zu untermauern.

Ein Telefonat mit Petra M., dessen Inhalt Braun an Eides Statt versichert hat, spielte eine zentrale Rolle im Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft. Am 31. Mai 2002 habe Petra M. zu ihm gesagt:

„Wenn Gustl meine Bank und mich anzeigt, mache ich ihn fertig. Ich habe sehr gute Beziehungen. Dann zeige ich ihn auch an, das kannst Du ihm sagen. Der ist doch irre, den lasse ich auf seinen Geisteszustand überprüfen, dann hänge ich ihm was an, ich weiß auch schon wie. Wenn der Gustl seine Klappe hält, kann er 500.000 Euro von seinem Vermögen behalten, das ist mein letztes Wort.“

Schon oft hat Edward Braun diese Aussage wiederholt. In Briefen an die bayerische Justiz. Im Rahmen einer mehrstündigen Vernehmung bei der Regensburger Staatsanwaltschaft. Und bei seiner Aussage vor dem Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags. Erstmals öffentlich geäußert hat er sich aber erst neun Jahre nach besagtem Telefonat, im Jahr 2011. Er habe die Mollaths einfach aus den Augen verloren, sagt Braun. Erst durch einen Anruf von Gustl Mollath im Jahr 2010 habe er von dessen Schicksal erfahren und begonnen, etwas zu unternehmen. „Das war meine Bürgerpflicht.“

Ein Kalender, eine Unterlage und ein Schmierzettel

Das Datum des Telefonats wisse er trotz des langen Zeitraums noch ganz genau, sagt Braun am Donnerstag. Er habe sich den Anruf nämlich damals in seinem Kalender notiert. „Das ist so eine Eigenart von mir.“ Der 66jährige legt dem Gericht das besagt Büchlein vor, in dem am 31. Mai 2002 lediglich „Petra Anruf —> Gustl“ notiert ist. Zusätzlich präsentiert er das Kalenderblatt seiner damaligen Schreibtischunterlage, auf dem er wesentliche, aber nicht alle Inhalte des besagten Telefonats notiert hat. Ein „Schmierzettel“, auf dem der gesamte Inhalt vermerkt gewesen sei und der ihm – im Jahr 2011 – noch als Grundlage für seine eidesstattliche Versicherung gedient hatte, sei bei einer Aufräumaktion in seinen Büroräumen verloren gegangen.

Versteht er nicht oder will er nicht verstehen?

Intensiv nimmt das Gericht den Zahnarzt in die Zange. „Ich muss Sie das jetzt fragen, verstehen Sie es nicht falsch“, sagt die Vorsitzende Richterin Elke Escher. „Stimmt das tatsächlich?“ „Genau so hat es sich zugetragen“, bekräftigt Braun. „Da gibt es gar nichts zu deuteln.“ Auch als Oberstaatsanwalt Meindl ihm später vorhält, dass seine Aussage „auswendig gelernt“ wirke, weicht Braun nicht davon ab.

Warum er dann nicht gleich bei den Eheleuten interveniert habe, wird gefragt. „Ja. Das muss ich mir zum Vorwurf machen“, erklärt Braun mehrfach. „Aber ich bin doch nicht der Mediator der Eheleute Mollath. Das geht mich nichts an“, ergänzt er später. Selbst bei einem Besuch von Gustl Mollath 2004 habe man nicht darüber geredet. „Ich habe versucht, das Thema anzutippen. Er war nicht zugänglich.“ Braun wurde zudem am Tag zuvor überfallen. „Da war mir nicht wirklich danach, über unangenehme Themen zu sprechen.“

Als Braun nach manchen Details gefragt wird, wirkt er immer wieder unsicher. Manchmal hat man den Eindruck, er verstehe die Frage nicht, oder er wolle sie nicht verstehen.

Braun wird vereidigt

Wofür Mollath die 500.000 Euro bekommen sollte? „Wenn er die Klappe hält.“ Worüber? „Fragen Sie ihn doch selber“, sagt Braun. Man wisse doch, was da passiert sei. Dass es da „Superkonstruktion“ gegeben habe, um Mollath in die Psychiatrie zu stecken. Über die Vorwürfe gegen Mollath habe er mit ihm nie intensiv gesprochen. „Er hat mir gesagt, das stimmt nicht.“ Das habe er ihm auch geglaubt. „Ich kenne seinen Charakter.“

Mehrfach geht Mollaths Rechtsanwalt Gerhard Strate dazwischen, während Gericht und Staatsanwaltschaft Braun befragen und versucht, dessen Aussagen auf den Punkt zu bringen. Am Ende meldet sich auch Mollath selbst zu Wort. Er selbst habe „große Hoffnungen“ in dieses Treffen mit Braun im Jahr 2004 gesetzt. „Ich hatte damals große Probleme.“ Seine Ehe war zu diesem Zeitpunkt gescheitert. Die Körperverletzungsvorwürfe wurden bereits vor Gericht verhandelt. „Das war eine Apokalypse.“ Doch am Ende habe er sich nicht öffnen können. Braun sei ein ehrlicher Mann, „ein echter Herr“. Und wenn er jetzt vor Gericht manchmal unsicher sei, dann liege das daran, dass er schwer krank sei. „Er könnte jeden Tag tot umfallen.“

Meldete sich am Donnerstag mehrfach zu Wort: Gustl Mollath. Foto: dl

Meldete sich am Donnerstag mehrfach zu Wort: Gustl Mollath. Foto: dl

Am Ende von Brauns Aussage beantragt Gerhard Strate, ihn zu vereidigen. „Können Sie mir meine Aussagen nochmal vorlesen?“, fragt er Richterin Escher. „Das geht nicht. Wir haben ja kein Wortprotokoll.“ Das hält Braun nicht ab. Er schwört, die Wahrheit gesagt zu haben. „So wahr mir Gott helfe.“

Eine Stellungnahme für die Bankberaterin

Die Vernehmung der zweiten Zeugin des Tages dauert bei Weitem nicht so lange und sie verläuft auch etwas harmonischer. Dabei war das, was Gabriele K. getan hat, nicht nur fragwürdig, sondern auch ein wichtiger Mosaikstein auf dem Weg von Mollath in die Psychiatrie. Die Fachärztin für Psychiatrie sitzt mit Rechtsanwalt im Zeugenstand. Sie arbeitete in der Ambulanz des Erlanger Klinikums, als sie im September 2003 eine ärztliche Stellungnahme abgab. In dieser sie bescheint sie, dass bei Mollath „mit großer Wahrscheinlichkeit eine schwerwiegende psychiatrische Erkrankung vorliegt und eine Fremdgefährdung zu erwarten ist“. Petra M. indes habe eine hohe Glaubwürdigkeit.

Gekannt hatte Gabriele K. Mollath nicht und ihn auch nie gesehen. Das räumt sie vor Gericht ein. Mollaths Frau sei damals ihre Bankberaterin gewesen, habe ihr bei einem Kaffee von Misshandlungen ihres Ehemannes erzählt und um Rat gebeten. „Mir fiel auf, dass sie schlecht aussah und ratlos wirkte“, sagt K.. Verletzungen habe sie aber keine gesehen. Ein Jahr später sei Petra M. erneut auf sie zugekommen und habe sie um besagte Stellungnahme gebeten. Sie solle in einem Verfahren gegen ihren Mann aussagen, weil der auf ihren Bruder eingeschlagen habe. Und die Stellungnahme trage vielleicht zur Deeskalation bei.

Schilderungen „wie aus dem Lehrbuch“

„Ich habe mir gedacht: Wie würde man an mich herantreten, wenn ich nichts schreibe und sie kommt ums Leben“, versucht sich K. Zu rechtfertigen. Die Schilderungen über Mollaths Persönlichkeitsentwicklung seien zudem „wie aus dem Lehrbuch“ gewesen. „Das kann sich ein Laie nicht ausdenken. Der weiß so etwas nicht.“

Davon, dass die Stellungnahme explizit in ein Strafverfahren gegen Gustl Mollath eingebracht werden würde, habe sie nichts gewusst, sagt Gabriele K.. „Das war kein Thema.“ Ausgehend von K.’s Stellungnahme und Mollaths Verhalten vor Gericht wurde schließlich dessen Zwangsbegutachtung angeordnet.

 „Die Hypovereinsbank hat mir nicht viel Glück gebracht.“

Es sei unglaublich, dass K. diese Stellungnahme aufgrund der Aussagen einer Person abgegeben habe, empört sich Mollath-Anwalt Gerhard Strate. „Sie (Petra M.) hat Ihnen bei zentralen Punkten die Unwahrheit gesagt.“ Bei der Rangelei zwischen Mollath und ihrem Bruder etwa war Petra M. gar nicht dabei. „Wie würden Sie jetzt ihre Glaubwürdigkeit beurteilen?“, fragt Strate, ohne wirklich auf eine Antwort zu warten.

Wiederum meldet sich auch Mollath zu Wort. K.’s Stellungnahme sei der Startschuss all dessen gewesen, „was ich erleiden musste“. Ob sie sich mit der Diagnose Borderline auskenne? „Ja.“ Ob ihr bekannt sei, dass Petra M. in ihrer Jugend an Bulimie gelitten habe? „Nein.“ Welche Bankberater sie außer seiner Frau bei der Hypovereinsbank gehabt habe, will Mollath wissen und zählt einige Namen auf. Ob sie von Geldverschiebungen in die Schweiz gewusst habe? Nein, sagt K.. und schiebt nach, dass sie die Bank gewechselt habe. „Die Hypovereinsbank hat mir nicht viel Glück gebracht.“ Gelächter im Raum. „Da sind sie nicht die einzige“, raunt jemand. Wenig später wird K. als Zeugin entlassen.

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