Bauherren zuerst? Geschäftsleute klagen über rücksichtslosen Umgang bei Baustellen in Regensburgs Altstadt
Kurzfristige oder gar keine Information, keine Unterstützung durch die Stadt und keine Rücksicht auf ihre wirtschaftliche Existenz: Müssen Bauherren in Regensburgs Altstadt keinerlei Rücksicht auf betroffene Geschäftsleute nehmen?

Ende Mai wurde beim Don Jua-Denkmal ein Kran augfgestellt. Wie lang der dort bleibt, weiß von den betroffenen Anliegern niemand.
Eine Baustelle vor der Haustür kann für Gastronomen und Einzelhändler schnell zur Existenzbedrohung werden. Jüngst konnte man dies in der Brückstraße beobachten. Seit 2023 wird dort das Wiedamann-Haus saniert. Erst kam ein Kran, dann ein Gerüst, immer wieder Container, Lärm, Dreck und zugestellte Schaufenster.
Für die Moccabar bedeutete dies das Aus. Pächter Maximilian Türk gab auf. „Die Anliegen von Bauherren sind offenbar wichtiger als die von Gewerbetreibenden“, sagt er. „Es gab so gut wie keine Kommunikation und auch keine Unterstützung durch die Stadt.“ Auch das Café Rauscher schloss seine Türen. Und das Bekleidungsgeschäft „Bayrisch Wild“, immerhin seit acht Jahren in der Brückstraße, wird seine Räume wohl ebenfalls verlassen.
Stadt wird „in der Regel frühzeitig proaktiv“ – bei ihren eigenen Baustellen
„Seit 2023 leben wir hier mit Dreck und Lärm“, klagt Inhaberin Sandra Helgath. „Und wenn wir die Stadt um Unterstützung bitten, zum Beispiel, dass wir mit unseren regionalen Produkten auch am Sonntag ein paar Stunden öffnen dürfen, dann wird das abgeblockt.“
Die Stadt Regensburg verweist darauf, dass sie selbst bei ihren Baustellen „in der Regel frühzeitig proaktiv“ auf die Gewerbetreibenden zugehe, „um sie nach Möglichkeit bereits in die Planung der Baustelle einzubinden“. Dies sei aktuell zum Beispiel in der Gesandtenstraße der Fall, wo man unter anderem bunte Wimpel aufgehängt hat. Doch bei privaten Baustellen scheint man die Interessen der Bauherren über die der betroffenen Geschäftsleute zu stellen – nicht nur in der Brückstraße.
Anlieger wurden eher zufällig informiert
Seit Ende Mai steht ein Kran auf dem Kohlenmarkt. Die Schwinger Immobilien GmbH & Co. KG hat dort begonnen, die beiden Häuser im Fischgässel 5 und 7 zu sanieren. Doch die betroffenen Gastronomen – immerhin vier im unmittelbaren Umfeld – erfuhren davon eher zufällig oder über Umwege. Ebenso der Eigentümer des Nachbargebäudes Fischgässel 4, in dem sich das El Sombrero und die Piratenhöhle befinden.
„Mir hat einer unserer Pächter gesagt, dass dort ein Kran aufgestellt werden soll“, berichtet Gerhard Wingerter. „Offiziell informiert wurden wir darüber nicht.“ Der erwähnte Pächter ist Josef Schlaffer. Er hat 2020 das El Sombrero mit seinen Freisitzen am Don Juan-Denkmal übernommen. Er erfuhr von der geplanten Sanierung des Nachbargebäudes, weil er dort einen Lagerraum gepachtet hatte und der gekündigt wurde.
Josef Schlaffer ist sich nicht sicher, dass er diese Baustelle wirtschaftlich überleben wird.
„Damals, im Februar, hieß es noch, dass vielleicht im August angefangen wird und das erst einmal kein Stress sei.“ Und so machte Schlaffer sich keine Sorgen – noch im März wurde sein turnusgemäßer Antrag für den Freisitz von der Stadt genehmigt.
„Beim Hinweis, dass es hier um meine Existenz geht, bekommst du ein Schulterzucken.“
Dieser Freisitz wurde ihm im Mai wieder entzogen. Denn nach langem Hin und Her stand nun fest, dass Ende Mai der Kran aufgestellt wird. „Zuvor hat es noch geheißen, dass der Freisitz während des Bürgerfests stehenbleiben kann.“ Den konkreten Termin für die Aufstellung des Krans bekam Schlaffer wenige Tage vorher per WhatsApp, als er gerade in Betriebsurlaub war.
„Ich bin dafür, dass an den Häusern was gemacht wird. Wir brauchen ja bezahlbaren Wohnraum“, sagt Schlaffer. Er sei aber über die Rücksichtslosigkeit, mit der der Bauherr vorgehe, schockiert. „Mal wird der eine Termin genannt, mal ein anderer. Beim Hinweis, dass es hier um meine Existenz geht, bekommst du ein Schulterzucken. Null Entgegenkommen. Null Kommunikation.“ Selbst den Zuschuss für ein Plakat am Bauzaun, das auf die Gastrobetriebe hinweist, habe der Bauleiter abgelehnt.
Ähnlich sieht das Freddy Löw, seit 17 Jahren Pächter der Piratenhöhle, deren Zugang jetzt eingerüstet ist. „Ich hab das von Josef Schlaffer erfahren. Sonst hat keiner mit mir geredet. Hätte ich das vorher erfahren, hätte ich den Pachtvertrag wahrscheinlich nicht verlängert.“ Jetzt wirft Löw hin. Er sucht einen Nachfolger.
Stadt verlässt sich auf Angaben des Bauherrn
Schlaffer rechnet derweil hin und her, wie er die Baustelle überstehen soll. „Ich warte im Moment noch, ob die Stadt mir ein paar Tische weiter oben am Kohlenmarkt genehmigt.“ Eine Antwort hat er noch nicht. „Aber selbst dann ist es fraglich, ob ich das wirtschaftlich überlebe.“ Denn auch das koste Geld und die weitere Strecke sei eine Herausforderung.
Bei der Stadt Regensburg zeigt man kein sonderliches Interesse daran, ob Schwinger Immobilien seiner Verpflichtung nachkam, die von der Baustelle Betroffenen rechtzeitig zu informieren. Es gebe dafür keine Frist, heißt es. Der Bauherr habe der Stadt mitgeteilt, dass die Gastronem im Februar informiert worden seien. Und darauf scheint man sich einfach verlassen zu haben. Bei der Stadt weiß man auch nicht, wie lange der Kran überhaupt stehen bleibt.
Der Altstadtkümmerer soll es richten…
„Um einen reibungslosen Ablauf des Antragsverfahrens und im Nachgang der Baustelle zu gewährleisten, empfiehlt es sich für die Bauherren allerdings im eigenen Interesse, möglichst früh den Kontakt zu suchen“, so die Stadt weiter. Es liege grundsätzlich in der Verantwortung des Bauherren, die Baustelle für Anlieger „erträglich“ zu gestalten. Und wenn dies, so wie hier, nicht der Fall ist?
Dann könne man sich an den Altstadtkümmerer wenden, „um Möglichkeiten aufzuzeigen und bei Bedarf die Abstimmung mit den Ämtern und der Baufirma zu koordinieren“. Doch welche Handhabe hat der? Und wie soll das funktionieren, wenn ein Bauherr es offenbar nicht einmal für nötig befindet, mit allen Betroffenen zu kommunizieren?
Dem Nachbar wurde ein Kran untersagt
Schwinger Immobilien antwortet nicht auf eine Anfrage unserer Redaktion. Bemerkenswert ist ohnehin, dass für das Bauvorhaben an der Stelle ein Kran aufgestellt werden durfte. „Als wir vor circa 15 Jahren das Dach unseres Gebäudes am Fischgässl 4 saniert haben, wurde uns das noch untersagt“, sagt Gerhard Wingerter. Aus Gründen des Denkmalschutzes – wegen der Don Juan-Statue.
Bei der Stadt Regensburg kann man die damalige Auflage nicht mehr nachvollziehen. „Aktuell wurden von den beteiligten Behörden keine speziellen Auflagen für die Statue festgelegt.“ Und auch nicht für den Umgang mit den betroffenen Anliegern.
Eddy
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Es scheint, als habe sich in Regensburg über Jahre hinweg ein System etabliert, in dem Vorteilsnahme zulasten anderer nicht nur geduldet, sondern durch eine passive bis wohlwollende Haltung der Stadtverwaltung begünstigt wurde, eine Tradition, die tief verankert scheint.
Realist
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Geht es hier um die Schwinger Immobilien GmbH, oder um die Schwinger Immobilien GmbH & Co. KG. Sollte es sich um letztere handeln, kann ich nur sagen, schaut alle in das Unternehmensregister im Internet rein (kostet nichts) und gebt die Firma, die wohl aus Rossbach Wald stammt ins Suchfeld ein. Anlagevermögen laut Bilanz 2022 ca. 80 Mio…nach Abzug der Schulden bleibt ein Eigenkapital (also Reinvermögen) von ca. 65 Mio Euro. Ich geh mal davon aus, dass es sich beim Anlagevermögen um die Immobilienwerte der Firma handelt (Immobilien Gmbh….), dann sind hier natürlich nur die Buchwerte der Immobilien bilanziert. Die Verkehrswerte und damit dann auch das Eigenkapital dürften damit um ein vielfaches höher sein wie in der Bilanz ausgewiesen. Aber selbst wenn das Reinvermögen der Firma nur einen Wert von 65 Mio hätte, ist hier das Auftreten dieser Gesellschafter (wenn die Aussagen im RD Artikel stimmen) gegenüber den Anwohner nicht nachvollziehbar und für mich armselig. Ich kenn diese beiden Herren Schwinger nicht, aber sie sollten sich eigentlich auch ihrer Rolle gegenüber der öffentlichen Gesellschaft bewußt sein. Anscheinend sind sie es nicht. Ihr Verhalten ist nicht unbedingt dass was bei der Bevölkerung (und hoffentlich auch bei den Freunden der Schwingers) ankommt.
Und die Stadt, muß in solchen Fällen auch anders reagieren. Die sollen halt Gebühren pro Monat von z.B. 10 oder 20 T€ verlangen, und diese Gelder dann an die betroffenen Anwohnerfirmen weitergeben. Wenn diese Summen von vornherein feststehen, können diese Mehrkosten die Bauherren in ihren Kalkulationen berücksichtigen. Also die Stadt muß hier sicherlich auch handeln und ein Konzept entwickeln (laufzeitabhängige Kosten), damit die Bauherren einen gewissen zeitlichen Druck verspüren.
Oleg
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Ja, eine Baustelle will vor der Nase keiner haben soviel sollte klar sein, ebenso dass das so verträglich und kurz wie möglich gestaltet wird.
Es müssen aber nun einmal Arbeiten durchgeführt werden und das ist leider mit Platz, Dreck und Lärm verbunden.
Das die Eigentümer mehr über ihr Eigentum bestimmen können, als Mieter/ Pächter aus umliegenden Häusern sollte auch klar sein.
Im Artikel fehlt mir eine vernünftige Lösung wie damit (besser)umgegangen werden soll. Laut Angabe wurde ja im Februar (die angrenzenden Eigentümer) über die Baumaße informiert.
Madame
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Einst Kneippendichte, jetzt ? Lokale machen dicht. Das Geld lwird nicht mehr so locker ausgegeben. Die Preise steigen..
tom lehner
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Mir ist das was da passiert nicht ganz klar. Wenn ein Privatperson für eine Baumaßnahme einen Kran bestellt, z.B. um Träger über ein bereits bestehendes Gebäudeteil zu heben, darf sich noch nicht mal ein drehendes Teil, ungefragt über einem anderen Grundstück bewegen. Geschweige denn Stützen, Gegengewichte, Teile des Krans abgestellt werden.
Wenn über Wochen und Monate ein Kran vor einem Eingang eines Geschäfts oder einem Restaurant steht ohne das etwas passiert, riecht das für mich nach “Wegschauender, vermeidender Unterlassung” seitens der Genehmigungsbehörde.
Mich würde interessieren ob es in diesem Falle Vorort-Termine der zuständigen Behörden mit den Anliegern und dem Unternehmen gab, bzw. die verschiedenen Möglichkeiten für die Durchführung der Baumaßnahmen besprochen wurden.
Für mich ist immer wieder bezeichnend wie unterschiedlich Behörden bei Privatpersonen, Kleinunternehmen und Bauträgern oder Baufirmen bei derartigen Baumaßnahmen vorgehen.
Vor allem wenn wie in diesem Falle Existenzen auf dem Spiel stehen. Gastronomen, Geschäftsleute und Kleinunternehmen dürften durchaus einen Anspruch auf Gleichbehandlung haben.
Punkt ist aber auch, daß Bauarbeiten in irgendeiner Weise ermöglicht werden müssen. Wenn ein Kran benötigt wird macht es schon Sinn direkt vor dem Gebäude zu stehen. Die Dimensionen können “Erträglicher” gestaltet werden. Ein größerer Kran, weiter entfernt, braucht eine weite Auslage und wird somit mit hoher Wahrscheinlichkeit auch mehr Platz benötigen. Zudem steigt die Unfallgefahr.
Für mich wäre eine Entschädigung der Kleinunternehmer und Gastronomen eine elegante Lösung.
Das die Stadt den Freisitz zunächst erlaubt und die Genehmigung dann wieder kassiert ist ein Witz. Hier scheint die Kommunikation zwischen den Bereichen der Behörden verbesserungswürdig zu sein..
growth mindset
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Bei aller Entrüstung gegen die Sallerner Regenbrücke, im Stadtnorden, der Verkehrsfluss auf der A93 „flutscht“ (gelinde ausgedrückt) zu Spitzenzeiten schon lange nicht mehr. Bei Pannen, Unfällen, Baustellen auf der Stadtautobahn A93 mit seinen Zu- und Ausfahrten hat dies gravierende negative Auswirkungen bis zum Autobahnkreuz, für den überregionalen Fernverkehr, sowie auf den innerstädtischen Verkehr für Pendler/Handwerker/Lieferdienste/Rettungsdienste/Studenten/Schüler/Senioren/Mobilitätseingeschränkte, usw.
Merke: Das Fahrrad allein, löst die Mobilitätsbedürfnisse nicht, ebenso wenig ständig im Stau stehende RVV und Regionalbusse.
Eine funktionierende Volkswirtschaft ist zwingend auf eine kalkulierbares, Verkehrs-Management (vertretbaren Verkehrsmix).
Vorausschauende Planungen (längst überfällig) sollten durch sinnvolle Entzerrung des Verkehrs, einen drohenden Stillstand und Verkehrsinfarkt, in und um Regensburg, vorzubeugen.
Es bleibt zu hoffen, dass das Abstimmungsverhalten der Bürger/innen, beim Bürgerbegehren des Bündniss „Mobilität neu denken“, durch nüchterne Überlegungen für einen beabsichtigten Bürgerentscheid zur Sallerner Regenbrücke, miteinfließen.
Josef
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@tom Lehner
Nein fanden keine vor Ort Termine statt. Mein Vermieter selbst hat es von mir erfahren da ich in dem zu renovierenden Objekt ein kleines Lager angemietet hatte. Hätte ich dieses Lager nicht dann hätte ich erst davon erfahren als die Stadt Regensburg mir mein Freisitz gekündigt hat. Der Kran sollte auch erst nach dem bürgerfest aufgebaut werden. Das dies früher passiert habe ich auch erst erfahren als ich im Betriebsurlaub war. Und dies nur wieder durch Zufall von einem Bauarbeiter. Und dieser sagte mir dass der Kran extra neu erworben wurden ist um diesen vor dem bürgerfest aufzustellen.
R.G.
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Hoffentlich ist das Wetter gnädig und der Kran hält. Wenn da bloß mal kein größerer Sturm kommt…..
Mr. T.
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Die Bauherren müssten dazu gezwungen werden, in enger Absprache mit allen Anliegern minimalinvasiv vorzugehen. Mit guter Planung ist da sicher einiges zu erreichen. So lässt man aber gerne mal einen Kran oder ein Gerüst monatelang an für andere massiv störenden Stellen stehen. Kostet ja fast nix.
Die Stadt hat hier wohl alle Möglichkeiten, den Bauherren komplett freie Hand unter Ignoranz der Bedürfnisse von Betroffenen zu geben, bis hin zu sehr restriktiven Vorgaben im Sinne der Allgemeinheit. Leider tendiert die Stadt Regensburg im Moment wohl stark zu ersterem. Keine Ahnung, ob das noch der sehr Bauträger-freundlichen Einstellung der Stadtverwaltung geschuldet ist, von der man ja gehofft hat, dass sie langsam der Vergangenheit angehören. Den Schaidinger-Wolbergs-Strukturen wurde wohl nur der Kopf rasiert.
tom lehner
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@ Josef
das ist übel. Gerade die Gastronomie hat in den letzten Jahren unter den Corona Beschränkungen, Ausgangs- und Kontaktverboten schon genug gelitten. Dann steht auch noch ein Baukran im Freisitz.
Ein bisschen mehr Sensibilität seitens der Behörden würde da nicht schaden. Vorschriften einzuhalten ist das Eine. Kommunikation und Lösungen zu finden die beide Seiten akzeptieren könnten das Andere.
Schließlich verdient Ihr Euren Lebensunterhalt damit und zahlt auch Steuern. Da kann ich Deinen Frust schon gut nachvollziehen.