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Uni erhält Nachilfe im Arbeitsrecht

„…dann wäre auch ein Hausmeister Wissenschaftler“

Erneut gerät die Universität Regensburg wegen ihrer fragwürdigen Befristungspraxis in den Fokus. Am Dienstag klagte eine Lehrkraft erfolgreich auf Festanstellung. Die Uni scheint die einschlägige Rechtsprechung entweder nicht zu verstehen oder bewusst zu ignorieren.

Uni„Viele schöne Worte, aber keinerlei Substanz.“ Es ist nicht das einzige Mal, dass der Richter derart deutlich wird. Am Dienstag musste die Universität Regensburg vor dem Arbeitsgericht eine herbe Schlappe hinnehmen. Erneut ging es um fragwürdige befristete Beschäftigungsverhältnisse. Wie berichtet, musste die Universität Anfang des Jahres 14 Studiengangskoordinatoren festanstellen. Deren Befristung nach dem „Gesetz über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft“ (WissZeitVG) sei „rechtsfehlerhaft“, schrieb Wissenschaftsminister Dr. Ludwig Spänle der Universitätsleitung ins Stammbuch. Nur künstlerisches und wissenschaftliches Personal dürfen nämlich auf Basis des WissZeitVG beschäftigt werden. Ein Umstand, der bei Studiengangskoordinatoren offenkundig nicht gegeben ist.

Kreativer Umgang mit dem WissZeitVG

Nach der Verhandlung am Dienstag zeichnet sich nun ab, dass die Uni dieses Gesetz auch bei der Befristung von Lehrpersonal recht eigenwillig angewandt hat.

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Geklagt hatte Dr. Rainer Barbey. Fünf Jahre lang war er als Lehrkraft für besondere Aufgaben an der Universität beschäftigt (Mehr dazu). Immer wieder befristet – auf Basis des WissZeitVG. Im September 2013 lief sein letzter Arbeitsvertrag aus. Anträge auf eine Entfristung, die auch von Barbeys Vorgesetzten und Studenten unterstützt wurden, stießen bei der Universitätsleitung auf taube Ohren.

 Urteil nicht verstanden?

Der Literaturwissenschaftler klagte und berief sich auf ein Urteil aus dem Jahr 2011. Das Bundesarbeitsgericht hat darin unter anderem sehr detailliert festgelegt, was unter Wissenschaft bzw. wissenschaftlicher Tätigkeit zu verstehen ist, die wiederum Voraussetzung dafür ist, um nach dem WissZeitVG befristet beschäftigt zu werden. Und folgt man den Ausführungen des Richters am Dienstag, dann hat die Universitätsleitung dieses Urteil entweder nicht verstanden oder einfach ignoriert.

Weder aus dem Arbeitsvertrag noch aus dem gesamten Gepräge von Barbeys Tätigkeit lasse sich ableiten, dass er wissenschaftlich tätig sei, so der Vorsitzende Richter, der sich auch von den immer wieder laut werdenden Einwänden der Univertreter nicht beirren ließ. Wenn man das WissZeitVG so auslegen würde, wie die Universität dies in Barbeys Fall versuche, „dann hieße das auch, dass ein Hausmeister, der nebenbei noch Zeit zur wissenschaftlichen Arbeit hat, ein Wissenschaftler wäre“, so der Richter.

Universität kündigt Berufung an

Die Forderung der Univertreter eine Frist einzuräumen, um weitere Schriftsätze einzureichen, lehnte das Gericht ebenso ab wie die Forderung nach einem Sachverständigengutachten, das Barbeys wissenschaftliche Tätigkeit belegen solle. „Wir haben genug Schriftsätze gewechselt. Aber von ihnen kommt keinerlei Substanz. Es ist auch nicht erkennbar, zu welcher konkreten Tatsache Sie ein Gutachten haben wollen.“

Ein Urteil wurde am Dienstag noch nicht gefällt, allerdings ließ das Gericht eindeutig durchblicken, dass Barbey festangestellt werden muss.

Im Gegenzug erklärten die Vertreter der Universität noch im Gerichtssaal, Berufung einzulegen. Es ist indes nicht besonders erstaunlich, dass die Universität hier mit aller Härte vorgeht: Barbey ist nicht der einzige Dozent, der auf Basis des WissZeitVG von der Universität befristet angestellt wurde. Allerdings ist er der erste, der gegen diese fragwürdige Praxis der Universität Regensburg klagt. Am Dienstag folgten mehrere weitere Betroffene der Verhandlung. Und für sie hat Barbeys Fall Vorbildcharakter.

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Kommentare (20)

  • Remission

    |

    Mir ist ja jede Form von postfeudaler Ausbeutung wissenschaftlichen Personals zuwider. Die Abschaffung des HRG durch die Föderalismusreform I hat den Ländern noch mehr Möglichkeiten eröffnet, möglichst billig möglichst viele Studenten durch die Unis zu schleußen. Statt chronischer Unterfinanzierung Bologna und Billiglöhner, Drittmittel und Brain-Drain. (Wissenschafts-)Politisch völlig daneben.

    Aber vorliegend ist die Rechtslage ist nun wirklich nicht gerade einfach. Als Uni hätte ich die Anwendbarkeit zumindest bei Abschluss des Vertrages nicht in Zweifel gezogen (wie man sich jetzt verhält, ist eine andere Frage).

    Aus dem BAG-Urteil ergibt sich jedenfalls, dass Lehrkräfte für besondere Aufgaben z.B. nach dem Hochschulgesetz Baden-Württemberg “wissenschaftliches Personal” seien. Da aber befristete Lehrkräfte nicht festangestellt seien und das WissZeitVG ein Bundesgesetz sei, sei diese Zuordnung nicht verbindlich, so das BAG. Dann stellt das Gericht fest, die Tätigkeit sei nicht wissenschaftlich, da keine Forschung vorgenommen würde.

    Das kann man so sehen. Aber zwingend ist das wirklich nicht. Ein Blick in die Kommentare zu Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz zeigt, dass “Wissenschaft” denkbar weit und denkbar eng verstanden werden kann. Je nachdem, wie es der Verfassungsinterpret braucht. Soll Wissenschaftsfreiheit begrenzt werden, ist man genauso kreativ, wie wenn es um Rechte von Drittmittelgebern, staatliche Gängelung von Universitäten oder die Privilegien von Ordinarien geht.

    Hier wird nun vom BAG jede Lehrtätigkeit, die nicht eigene Forschungsergebnisse thematisch zum Gegenstand hat, zur “nichtwissenschaftlichen” Lehre degradiert. Schön für das Ergebnis und die Betroffenen. Aber damit gibt es auch Hilfswissenschaftler zweiter Klasse, die trotz Promotion keine Lehrfreiheit für sich in Anspruch nehmen dürfen. Wissenschaftstheoretisch sehr unbefriedigend.

  • Sigi

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    Diese weitervererbte Wiesner’sche Selbstherrlichkeit wird wohl noch jahrelang so weiter gehen. Der Laden gehört einfach mal richtig durch geputzt.

    (aber bitte nicht vom blitzblanken “Doktor”, der macht das schon seit Jahren nur in seinem Sinne ;) )

    Spass beiseite: An der Uni gehören primär Personalrat und Gewerkschaft gestärkt. Nach Jahrzehnten von Dornröschenschlaf beginnt man nun seit einigen Jahren auch dort aufzuwachen. Leider hat Lehrpersonal und Wissenschaftspersonal häufig nicht das Gefühl von Gewerkschaft und Personalrat vertreten zu werden. Standesdünkel? .. oder der Nachhall der von Wiesner eingelullten früheren Arbeitnehmervertreter?

    Wie dem auch sei: Ziehen ALLE Arbeitnehmer der Uni mit Personalrat und Gewerkschaft an einem Strang, dann wird sich auch dort unvermeidlich etwas tun. Das betrifft auch die häufig unsäglichen Eingruppierungen an der Universität, zB bei Sekretärinnen oder Technikern.
    Auch da pflegt die Uni Regensburg einen sehr eigenen Stil

  • Kerstin Lange

    |

    “Hier wird nun vom BAG jede Lehrtätigkeit, die nicht eigene Forschungsergebnisse thematisch zum Gegenstand hat, zur “nichtwissenschaftlichen” Lehre degradiert.”

    Dann ist auch jede Einführungsvorlesung eines Professors oder einer Professorin, die Studierende mit den bekannten Grundlagen eines Faches vetraut macht, nicht- wissenschaftliche Lehre?

    Dass in der Lehre eigene Forschungsergebnisse vorgestellt werden, dürfte wohl nur in entsprechenden Doktorandenkolloquien oder den Oberseminaren der Fall sein.

    Das Politikum ist: dann ist auch die Lehre an Fachhochschulen, auch der Prestigehochschule OTH Regensburg keine wissenschaftliche Lehre. Warum gibt es dann dort überhaupt Professoren?

  • MagicMike

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    Warum hört man bei all den Personalskandalen nichts vom Personalrat ? Es drängt sich der Verdacht auf, dass dieser Teil des Systems ist. Andere Personalräte hätten bei solchen Skandalen schon längst laut aufgeschrien.

  • fh

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    Das Regensburger Arbeitsgericht hat sehr gut erkannt, dass die Grundlehre keine wissenschaftliche Lehre darstellt, sondern nur die Vermittlung bereits vorhandenem Wissen. Daher gibt es keine Rechtfertigung für eine befristete Anstellung, zumal die Grundlehre auch immer vorhanden ist. Nur logisch und konsequent !

  • Remission

    |

    @Kerstin Lange: <>

    Ja. Nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Siehe auch den letzten Post hier.

    Das ist höchst bedenklich, weil Lehrinhalte an der Uni damit nicht mehr durch die Wissenschaftsfreiheit geschützt wären. Das gilt für den gesamten Mittelbau. In bestimmten Fächern, die fast ausschließlich durch Vermittlung tradierten Wissens gelehrt werden (z.B. Jura), gäbe es im Hörsaal sowieso keine Wissenschaft mehr. Der Staat (oder Vorgesetzte) könnten nunmehr beliebig auf Inhalt und Vermittlung Einfluss nehmen. Wie in der Schule.

    Der Zweck heiligt vielleicht die Mittel. Für wissenschaftlich qualifiziertes Personal (das unterscheidet es vom Hausmeister) ist das jedoch eine inkonsistente (siehe die materiell widersprechenden Regelungen im BayHSchPG, dort v.a. Art. 1 Abs. 2) und letztlich fatale Argumentation.

  • MC

    |

    @ Remission

    Impliziert dieses Urteil tatsächlich eine “Zweiklassenteilung” der wissenschaftlichen Arbeit? So wie ich den Artikel verstanden habe, bemängelt das Gericht doch nur die befristete Anstellung von nicht AUSSCHLIEßLICH wissenschaftlich tätigem Personal. Diese Aussage legt das zumindest nahe:

    “Wenn man das WissZeitVG so auslegen würde, wie die Universität dies in Barbeys Fall versuche, „dann hieße das auch, dass ein Hausmeister, der nebenbei noch Zeit zur wissenschaftlichen Arbeit hat, ein Wissenschaftler wäre“, so der Richter.”

    Damit wird doch nicht zwingend die wissenschaftliche Position der Betroffenen herabgesetzt. Nach meinem Verständnis wird nur verlangt, dass wer ZUSÄTZLICH auch administrative Aufgaben (Studiengangskoordination) übernimmt, fest angestellt werden muss.

  • Remission

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    @MC: Dem Artikel kann ich das so nicht entnehmen. Auch der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts nicht. Und der Vergleich mit dem Hausmeister hinkt von vorneherein, weil dieser nicht wissenschaftlich qualifiziert ist.

    Ansonsten ist nahezu jeder, der an der Hochschule forschend und lehrend tätig ist, auch “Nichtwissenschaftler”: Am Kopierer, beim Schreiben eines Lehrbuchs, bei Prüfungen und Korrekturen usw.

    Das WissZeitVG sollte vorrangig die Tätigkeit von Personen regeln, die sog. “wissenschaftlicher Nachwuchs” sind. Also Doktoranden und Habilitanden. Deren Anstellung wird hierdurch auf jeweils 6 Jahre begrenzt. Das war früher ähnlich im HRG (Hochschulrahmengesetz) geregelt. Nachdem aber die Länder die alleinige Kompetenz in Sachen Hochschulen bekommen haben (völlig bekloppt, im übrigen), wollte der Bundesgesetzgeber ein Mindestmaß an status quo retten.

    Es war vermutlich nicht die Absicht des Bundesgesetzgebers, dass auch sonstiges (eigentlich ebenfalls wissenschaftlich tätiges) Personal unter Berufung auf das WissZeitVG eingestellt werden. Die Länder haben es aber getan. Dann hat sich das BAG die Sache zurecht gebogen. Vielleicht auch, weil die Merkel-Regierung nicht das WissZeitVG präzisieren wollte. Dann hätte man nämlich nicht den Begriff der “wissenschaftlichen Lehre” entwerten brauchen…

  • Dubh

    |

    MC: “Impliziert dieses Urteil tatsächlich eine “Zweiklassenteilung” der wissenschaftlichen Arbeit? ”

    Nein, natürlich nicht.

    “Damit wird doch nicht zwingend die wissenschaftliche Position der Betroffenen herabgesetzt. Nach meinem Verständnis wird nur verlangt, dass wer ZUSÄTZLICH auch administrative Aufgaben (Studiengangskoordination) übernimmt, fest angestellt werden muss.”

    Richtig, weil die Studienkoordination eben nicht mal abgeschlossen sein wird (jedenfalls solange es die Studien gibt), im Gegensatz zu einer Promotion oder einem Forschungsprojekt.

    Davon abgesehen gab es immer auch Stellen an der Uni, die gar nicht der Forschung dienten und die Studienordnungen abdeckten, Lektoren, Dozenten….und die keineswegs lehren konnten, was sie individuell lustig waren.

    Lehre ist keine wissenschaftliche Tätigkeit (Forschung) – auch wenn sie Wissenschaft lehrt und von dann zwangsläufig von Wissenschaftlern ausgeübt wird, die das gelernt haben.
    Ein ausschließlich gelernter Metzger, lehrt hingegen selten an der Uni, weil er vermutlich von z.B. Quantenmechanik oder Adorno selten was versteht, und Metzgereiwesen meines Wissens noch an keiner Uni Studienfach ist – im Gegensatz zur Hausmeisterei – Facility Managment…………..

    Aber wenn der Facility Manager univ. an der Uni als Hausmeister arbeitet, ist er zwar Wissenschaftler, aber nicht wissenschaftlich tätig :-)

  • fh

    |

    Ist mir nicht wirklich klar, warum nach Ansicht von Remission durch das Urteil Lehrinhalte an der Uni durch die Wissenschaftsfreiheit nicht mehr geschützt sind. Hier ein kleiner Auszug aus Artikel 5 Grundgesetz:

    (3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

    Die Lehre ist also in jedem Fall durch das Grundgesetz geschützt, egal ob wissenschaftlich oder nichtwissenschaftlich. MC hat das Urteil richtig ausgelegt. Das Gericht bemängelt bei Herrn Barbey, dass seine Tätigkeiten an der UR nicht überwiegend (Gepräge) wissenschaftlich waren. Der Vergleich mit dem Hausmeister war nur dazu da, um die Sache dem Nichtjuristen klar zu machen.

  • Remission

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    So deutlich wollte ich nicht werden: Ja, ich meine die Rechtsprechung des BAG widerspricht dem Grundgesetz.

    Art. 5 Abs. 3 GG spricht von “Wissenschaft, Forschung und Lehre”. Nach überwiegender Ansicht ist “Wissenschaft” der Oberbegriff von “Forschung und Lehre”. D.h. Wissenschaft besteht aus “wissenschaftlicher Forschung und wissenschaftlicher Lehre”.

    Klassischer Ort wissenschaftlicher Forschung und Lehre ist die Universität. Und ausgehend von Humboldtschen Bildungsideal sind “Forschung UND Lehre” eine Einheit. Auf einen Abschluss eines Projekts kommt es nicht an. Sondern die Suche nach wissenschaftlicher Erkenntnis ist ein fortlaufender Prozess, genauso wie die Vermittlung (Veröffentlichung) wissenschaftlicher Erkenntnisse. Zumindest an der Uni ist der Anknüpfungspunkt der Wissenschaftler, d.h. der in Forschung und Lehre Tätige mit einer wissenschaftlichen Qualifikation (berufsqualifizierender Abschluss).

    Weiter gedacht bin ich der Meinung, Forschung ohne Lehre ist keine Wissenschaft. Industrieforschung, Rüstungsforschung, geheime Drittmittelforschung, Patentforschung – hier sollen wissenschaftliche Erkenntnisse zwar gewonnen, aber geheimgehalten und kommerziell verwertet werden.

    Gesetzgeber, Gerichte und ein großer Teil der Rechtswissenschaftler sehen das anders. Sie bevorzugen eine Differenzierung nach dem Prinzip des politischen Mainstreams: Dient Forschung irgendwie der Volkswirtschaft, soll sie selbstverständlich auch freie Wissenschaft nach Art. 5 Abs. 3 GG sein. Spart der Staat Geld bei der Grundlagenforschung, installiert er Hochschulräte, lässt er Studiengänge akkreditieren oder müssen sich Professoren den Forderungen von Drittmittelgebern unterwerfen, ist das alles kein Problem für die Wissenschaftsfreiheit.

    Der Zweck heiligt die Mittel. Das BAG hat sich hier eben auch keine Gedanken gemacht, sondern wollte den befristeten Kräften was Gutes tun. Das kann aber nun dem Staat wieder als Argument dienen, die Wissenschaftsfreiheit von Universitätsangehörigen einzuschränken. Vom Grundrecht der Universitäten wird es zum Grundrecht kommerzieller Forschung…

  • MC

    |

    @ Remission

    Ich stimme Ihnen in diesem Punkt, der auch schon in den vorherigen Kommentaren aufgeworfen wurde, absolut zu. Forschung und Lehre als Einheit zu betrachten erscheint auch mir sinnvoll.

    Mir ist jedoch noch nicht klar, inwiefern dieses beschriebene Ideal der universitären Wissenschaft durch das Gerichtsurteil in diesem Fall angegriffen werden soll.
    Vielleicht stehe ich auf der Leitung. Könnten sie den Bezug nochmal verdeutlichen?

  • fh

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    Das BAG hat nicht die Wünsche bestimmter Interessensgruppen zu berücksichtigen, sondern nur die Absicht des Gesetzgebers. Übereinstimmend mit Remission geht das BAG davon aus, dass in der Wissenschaft nach dem Humboldtschen Bildungsideal die Forschung und Lehre eine Einheit bilden. Wenn also, wie bei Herrn Barbey, keine Forschung gemacht wird, kann die Lehre auch nicht als wissenschaftliche Tätigkeit aufgefasst werden. Folglich ist das WissZeitVG hier nicht anwendbar und das BAG-Urteil nicht im Widerspruch zur Interpretation des Artikels 5 Abs. (3) Grundgesetz von Remission. Genauer genommen ist die Wissenschaft die Erweiterung des Wissens durch Forschung, seine Weitergabe durch Lehre. Demzufolge muss das Wissen aus der Forschung des Dozenten in seine Lehre eingehen, ansonsten kann nicht von wissenschaftlicher Tätigkeit gesprochen werden. Aus welchem Grunde sollten sonst Forschung und Lehre eine Einheit bilden ?

  • Remission

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    Nein. Falsche Schlussfolgerung. Ist hier nicht der Rahmen für grundrechtsdogmatische Vorlesungen. Und ich verstehe jetzt nicht alle Einwände. Aber die Einheit von Forschung und Lehre ist eine institutionelle, keine situative oder persönliche Einheit. Es ist eben ein falsches, formalistisches, Verständnis, wenn man sagt, Lehre ohne Forschung bei einer Person oder einer Lehrveranstaltung ist nichtwissenschaftlich. Das BAG macht das aber so. Und kümmert sich nicht um Sinn und Zweck von Wissenschaftsfreiheit.

    Die Wissenschaftsfreiheit, deren Wortlaut wesentlich auf der Paulskirchenverfassung von 1849 beruht, sollte Wissenschaftler und Universitäten vor staatlicher Gängelung schützen. Wohlgemerkt: Vor inhaltlicher Gängelung. Deshalb hat die Wissenschaftsfreiheit zwei Funktionen:

    1. Die Meinungsfreiheit des Wissenschaftlers. Auch an der Universität. 2. Die Freiheit der Institution Universität vor staatlicher Gängelung (Inhalte von Lehrveranstaltungen, Prüfungen, Autonomie der Hochschulen). Nur an der Uni findet sich die Einheit von Forschung UND Lehre. Idealtypisch in der Gestalt des Professors. Und die Professoren haben lange für sich in Anspruch genommen, alleinige Träger der Wissenschaftsfreiheit zu sein. Das Bundesverfassungsgericht auch, mit dem Hochschulurteil von 1973.

    Die erste Funktion würde aber geschleift, wenn man annimmt, an der Uni gäbe es nichtwissenschaftliche Lehre. Dann darf der Lehrende auch nicht mehr seine Meinung sagen. Er darf nicht mehr bewerten, Schwerpunkte setzen, eigenständige Schlussfolgerungen ziehen. Das dürften nur Professoren. So hätte ich an der Uni nicht ordentlich lehren können. Das ist an der Schule, bei der Nachhilfe oder beim Repetitor anders. Das ist in der Tat nichtwissenschaftliche Lehre. Wie auch jede Art beruflicher Ausbildung, auch wenn dabei auf wissenschaftliche Erkenntnisse vermittelt werden (z.B. Polizist und Kriminalistik).

    Die zweite Funktion wurde schon geschleift. Die Ökonomisierung der Hochschulen wurde 2004 vom Bundesverfassungsgericht gebilligt. Seitdem ist die Autonomie der Hochschulen nicht mal mehr eine leere Hülle. Sie ist tot. Viele Professoren haben tatkräftig dazu beigetragen, v.a. die, die sich dem Wissenschaftsmanagement und dem Kommerz zugewandt hatten. Sie haben sich im Übrigen dabei auch auf ihre Wissenschaftsfreiheit berufen…

  • Remission

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    PS: Anders beim Studienkoordinator. Das würde ich in der Tat als Verwaltungstätigkeit qualifizieren. Nicht als wissenschaftliche Tätigkeit.

    Im Übrigen: Auch das nicht mehr geltende Hochschulrahmengesetz des Bundes ordnete Lehrkräfte für besondere Aufgaben als “wissenschaftliches Personal” ein (§ 42 HRG). Und zur Lehrfreiheit hieß es (§ 4 Abs. 3 HRG):

    “Die Freiheit der Lehre (Artikel 5 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes) umfaßt, unbeschadet des Artikels 5 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes, im Rahmen der zu erfüllenden Lehraufgaben insbesondere die Abhaltung von Lehrveranstaltungen und deren inhaltliche und methodische Gestaltung sowie das Recht auf Äußerung von wissenschaftlichen und künstlerischen Lehrmeinungen. Entscheidungen der zuständigen Hochschulorgane
    in Fragen der Lehre sind insoweit zulässig, als sie sich auf die Organisation des Lehrbetriebes und auf die Aufstellung und Einhaltung von Studien- und Prüfungsordnungen beziehen; sie dürfen die Freiheit im Sinne von Satz 1 nicht beeinträchtigen.”

    Die BAG-Entscheidung lässt sich damit ebenfalls nur schwer vereinbaren.

  • fh

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    Lehrer können gleichermaßen wie Professoren Schwerpunkte setzen, Lehrinhalte bestimmen und eigenständige Schlussfolgerungen ziehen. Das dürfen nicht nur Professoren. Grundrechte gelten nunmal für alle und somit gilt auch für Lehrer und Hausmeister der Artikel 5 Abs. (3) Grundgesetz. Jedoch machen sie keine Wissenschaft, da sie ihr Wissen normalerweise nicht durch Forschung erweitern und dieses Wissen durch ihre Lehre weitergeben. Dies unterscheidet wissenschaftliche und nicht-wissenschaftliche Lehre.
    Nach Ansicht des Bundesverband für Bildung, Wissenschaft und Forschung (http://bbwf.de/ct-menu-item-33.html) ist Wissenschaft definiert als die Erweiterung des Wissens durch Forschung, seine Weitergabe durch Lehre, was dem Humboldtschen Bildungsideal entspricht. Demzufolge ist Lehre, in der kein neuerforschtes Wissen des Dozenten miteinfließt, keine wissenschaftliche Lehre. So sehen es auch die Grundrechtsdogmatiker des BAGs !
    Die Wissenschaftlichkeit der Lehre kann auch nicht, wie von Remission behauptet, institutionsabhängig sein, da sonst auch Lektoren an Universitäten als Wissenschaftler angesehen werden müssten, was aber nach Ansicht des BAGs nicht der Fall ist. Das schränkt natürlich den Geltungsbereich des WissZeitVG erheblich ein und somit auch die Gültigkeit vieler Befristungen im Hochschulbereich.
    Da der Staat infolge dieser Gerichtsurteile wieder mehr Dauerstellen schaffen muss, wird es aber insgesamt zu eine Verbesserung der Lage nachkommender Wissenschaftlergenerationen und letztendlich auch zu einer Verbesserung der Situation der Universitätsleitung führen.

  • Prozess-Hanselei an der Uni Regensburg | Regensburg Digital

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    […] Knapp sechs Monate ist es her, seit die Universität Regensburg gerichtliche Nachhilfe in Sachen Arb…. Geklagt hatte Dr. Rainer Barbey. Fünf Jahre lang war der Germanist als „Lehrkraft für besondere Aufgaben“ an der Universität beschäftigt. Immer wieder befristet – auf Basis des WissZeitVG („Gesetz über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft“). […]

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