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Demonstration

„Ich bin unglaublich müde.“ 600 Regensburger kritisieren Stadtbild-Aussage des Bundeskanzlers

„Töchter gegen Merz“, „Saubere Altstadt? Fang bei deiner Rhetorik an“, „Nicht die Demokratie ausmerzen.“ Keine Parteipolitik, dafür Menschen mit Migrationshintergrund dominierten die Reden bei einer Kundgebung am Samstag in Regensburg.

Vom Dachplatz zogen die Menschen vorbei am Bayernmuseum über die Thundorferstraße zurück zum Domplatz.

Rund 600 Menschen haben nach Polizeiangaben am vergangenen Samstag in Regensburg die „Stadtbild“-Äußerungen von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) kritisiert. Die Veranstalter hatten mit lediglich 400 Teilnehmerinnen gerechnet.

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Zur Erinnerung: Bei einer Veranstaltung in Brandenburg erklärte Merz am 14. Oktober zunächst, seine Regierung habe beim Thema Migration viel erreicht. Die Zahlen der neuen Asylanträge von August 2024 auf August 2025 seien um 60 Prozent gesunken. Dann fügte er hinzu: „Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen.“ Eine Aussage, offen für rassistische Interpretationen, so die Kritiker.

Der Kanzler trug lange nicht zur Klärung bei

Merz trug zunächst wenig zur Klärung bei. Nach erster Kritik sagte er auf einer Pressekonferenz am 20. Oktober: „Fragen Sie mal Ihre Töchter, was ich damit gemeint haben könnte. Ich vermute, Sie kriegen eine ziemlich klare und deutliche Antwort. Ich habe gar nichts zurückzunehmen.“ Eine Konkretisierung lehnte er zunächst ab.

Erst am 22. Oktober, acht Tage später, sah sich der Kanzler zu einer Klarstellung veranlasst. Beim Westbalkan-Gipfel in London ließ Merz wissen:

„Probleme machen uns diejenigen, […] die keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus haben, die nicht arbeiten und die sich auch nicht an unsere Regeln halten. Viele von diesen bestimmen auch das öffentliche Bild in unseren Städten. Deshalb haben mittlerweile so viele Menschen […] einfach Angst, sich im öffentlichen Raum zu bewegen. Das betrifft Bahnhöfe, das betrifft U-Bahnen, das betrifft bestimmte Parkanlagen, das bestimmt ganze Stadtteile…“

Sehr spät. Von Beginn an hagelte es Kritik, auch vom Koalitionspartner SPD. Bundesweit gab es Demonstrationen.

ZDF-Umfrage sorgte für Verwirrung

Eine Umfrage des ZDF-Politbarometers sorgte für einen falschen Eindruck. Angeblich sollte sie belegen, dass eine Mehrheit der Deutschen dem Bundeskanzler bei seiner ursprünglichen Aussage recht gibt.

Tatsächlich waren Fragestellung und Antworten differenzierter, als Überschriften und viele Medienberichte nahelegten. Nur ein Beispiel: Eine deutliche Mehrheit – 74 Prozent – sieht in der eigenen Wohngegend „keine“ oder „keine so großen“ Probleme mit Geflüchteten (ausführlich bei Übermedien).

Zu dieser Mehrheit dürfte auch der Großteil der Demonstrierenden gehören, die sich am Samstagnachmittag auf dem Dachauplatz trafen. Parteipolitische Rednerinnen waren nicht zugelassen. Stattdessen sprachen direkt Betroffene der „Stadtbild“-Aussage – Menschen mit Migrationshintergrund.

„Ich habe einfach keine Erwartungen mehr.“

Partei-Fahnen blieben unten. Es dominierten Schilder: „Töchter gegen Merz“, „Saubere Altstadt? Fang bei deiner Rhetorik an“, „Nicht die Demokratie ausmerzen“.

Josh, jung, schwarz, ein Mann, sagt, er habe sich erst gar nicht mit der Aussage befassen wollen. Obwohl der Kanzler ihn vermutlich nicht gemeint habe – er hat einen deutschen Pass – „wollte ich die Gefühle, die diese unsägliche Debatte in mir auslöst, nicht fühlen“. Merz treffe ihn mit seiner Aussage direkt. Er sei sprachlos und „unglaublich müde“.

Als nicht-weißer Mann erlebe er Alltagsrassismus. „Für viele Deutsche werde ich wohl nie dazugehören.“ Auch für den Bundeskanzler sei sein Deutsch-Sein an sein Verhalten geknüpft, so Josh. „Für Weiße gilt das nicht.“ Merz befördere mit seiner Aussage das Ziel der AfD, den Diskurs weiter nach rechts zu verschieben. Mittlerweile sei er nicht einmal mehr enttäuscht. „Ich habe einfach keine Erwartungen mehr.“

„Rassistische Instrumentalisierung von sexualisierter Gewalt“

Eine Rednerin der feministischen Gruppe Eben.Widerspruch kritisiert die „rassistische Instrumentalisierung von sexualisierter Gewalt“, derer sich auch Merz bedient habe. „Jeden einzelnen Tag versucht ein Mann, eine Frau zu töten“, sagt sie und nennt mehrere Beispiele aus der Region.

Im Januar 2024 erstach in Burgweinting ein Mann seine Ehefrau. Im Mai desselben Jahres tötete ein Mann eine 19-Jährige. Man fand sie im Kofferraum seines Autos in einem Parkhaus im Stadtnorden. Im August 2024 stieß ein 48-Jähriger aus Regenstauf seine 36-jährige Ehefrau aus dem Fenster. Sie überlebte schwer verletzt.

Dazu kämen sexuelle Übergriffe, Catcalling, KO-Tropfen. „Wir haben aufgehört zu zählen“, sagt die Rednerin. Diese Probleme ließen sich nicht durch „Deportationsphantasien“ lösen, in denen sich „Merz und seine Gesinnungsgenossen“ ergingen. Der aufgeklärte weiße Mann als Beschützer sei ein „koloniales Zerrbild“. Gleichzeitig mobilisiere die extreme Rechte seit Langem mit Aufrufen „zum Schutz der weißen Frau“. Dort, bei der extremen Rechten, fänden Merz’ Worte reichlich Resonanz.

„Schöne Grüße an Peter Aumer“

Dogan Cetinkaya, Vorstandsmitglied des Internationalen Kultur- und Solidaritätsvereins und langjährig im Integrationsbeirat, kam mit seinen Eltern – Gastarbeiter – nach Deutschland. Dieselbe Debatte habe es schon damals gegeben. „Es wurde viel Hass und Hetze geschürt.“ Und das sei vielfach auf fruchtbaren Boden gefallen.

Cetinkaya erinnert an die Brandanschläge von Schwandorf und Mölln, an die Morde des NSU. Trotz alledem werde die „reale Gefahr durch rassistische Gewalt und rechten Terror nicht gesehen“, sagt er. „Wir sollen gegen Geflüchtete ausgespielt werden.“ Und er schickt „schöne Grüße an Peter Aumer“.

Der Regensburger Bundestagsabgeordnete (CSU), der sich seit geraumer Zeit als Rechtsaußen zu profilieren versucht, hatte Merz unmittelbar nach dessen Aussage zugestimmt. Cetinkaya hält ihm entgegen: „Wir alle gemeinsam sind das Stadtbild.“

Im Anschluss ziehen die 600 Menschen vom Dachauplatz los, vorbei am Bayernmuseum, über Thundorferstraße und Brückstraße zum Dom. Ein Ruf: „Wir haben’s satt, denn wir sind die Stadt.“

Innenministerium sieht Hauptbahnhof mittlerweile als Positivbeispiel

Der Hauptbahnhof – in Regensburg regelmäßig Aufhänger für Debatten über Migration und Gegenstand überregionaler Berichterstattung angesichts der zeitweise tunesisch dominierten Drogenszene, von Intensivtätern und zwei erfundenen Vergewaltigungen – gilt der bayerischen Staatsregierung mittlerweile als Positivbeispiel dafür, dass gezielte Maßnahmen wirken.

Die „Verstärkung der polizeilichen Präsenz durch Streifendienst, aber auch ein Ausbau des Einsatzes von Videoüberwachung“ habe sich in Parkanlagen wie dem Alten Botanischen Garten in München und dem Fürst-Anselm-Park in Regensburg „bewährt“, so das Innenministerium auf eine Anfrage des vom Verfassungsschutz beobachteten AfD-Abgeordneten Rene Dierkes.

Dierkes ist unter anderem bekannt durch ein Video, das AfD-Politiker zeigt, die nach dem Münchner Auto-Anschlag im Februar Blumen niederlegen wollten, dort, wo eine Mutter und ihr Kind starben. AfD-Chef Stephan Protschka ist auf dem Video unter anderem mit der Aussage zu hören: „Wir stellen uns hin, legen die Blumen nieder und gehen wieder. Unsere Show haben wir gehabt.“ Dierkes sekundiert: „Das können wir gut verwerten.“

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Kommentare (8)

  • Mr. T.

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    Die Stadtbild-Debatte ist wieder mal ein perfekter Indikator für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit – nicht nur bei Merz, sondern bei allen Teilnehmern. Mitnichten hat Merz bei seinen viel zu spät hinterhergeworfenen Erklärungsversuchen irgendetwas klargestellt. Es ist unbestritten, dass sich an vielen Orten Menschen befinden, die bei anderen Menschen Unwohlsein und teilweise auch gerechtfertigte Ängste auslösen. Dies aber an der Hautfarbe, an der Staatsangehörigkeit, an der Ethnie, der Sprache oder gar am Aufenthaltsstatus festzumachen, ist purer Rassismus. Was diese Menschen eint, ist hauptsächlich Armut und – damit einhergehend – wenig bis kein Wohnraum. Diese Menschen haben kaum Möglichkeiten, ein soziales Leben zu führen, sie können nicht in Restaurants, Theater, Stadien, Festivitäten oder einfach nur Besuch zu Freunden. Sie treffen sich an Orten, die auch von Wohlhabenden frequentiert werden, um sich auch etwas an deren Wohlstand aufzuwärmen, am sozialen Leben zumindest etwas teilzunehmen, um wenigstens Menschen mit ähnlichen Problemen zu treffen. Es ist unbestritten, dass diese Menschen überdurchschnittlich kriminell sind, aber auch dies ist durch deren Not zu begründen, welche die Hemmschwelle zur Kriminalität herabsetzt. Was haben sie schon noch zu verlieren? Auch Abhängigkeiten von Drogen wie Alkohol begünstigen die Senkung der Hemmschwelle und den Armutsdruck. Genauso unbestritten ist auch, dass der Anteil von als “fremd” gelesenen Menschen höher ist. Aber diese Menschen haben auf Grund ungleicher Chancen auch ein höheres Armutsrisiko. Sie finden schwerer Arbeit und Wohnraum und haben auch geringere Chancen im sozialen Aufstieg. Neu zugezogene Menschen dürfen oft auch überhaupt nicht arbeiten.
    Wenn man diese “Probleme” im Stadtbild irgendwie angehen will, muss man vor allem die Armut bekämpfen, man muss Sozialpolitik betreiben. Auf keinen Fall lässt es sich mit Abschiebungen lösen, da sicher nur ein kleiner Anteil dieser Menschen überhaupt abgeschoben werden könnte. Am Bahnhof und anderen solchen Orten war es auch schon 2015 oftmals nicht angenehm genauso wie auch 1985. Es liegt also sicher nicht daran, dass “Merkel die Türen geöffnet” hat. Es liegt daran, dass man das Hauptaugenmerk darauf legt, Vermögen von unten nach oben zu verteilen, statt Armut, Arbeitslosigkeit, schlechte Bezahlung, Wohnraumnot oder Suchtkrankheiten zu bekämpfen.

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  • Günther Herzig

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    Heute: Ein Syrer wird wegen des Verdachts einen Anschlag vorzubereiten festgenommen. Endlich hat auch dieses Thema r-d erreicht. Mittlerweile steht fest, dass deutlich über die Hälfte unserer Mitbürger, zu denen auch integrierte und eingebürgerte Asylsuchende zählen, alles andere als einen Fehler des Bundeskanzlers Friedrich Merz sehen.
    Die Stadtbildäußerung, traf von Anfang an zu, erst Recht haben das viele erkannt nach der Konkretisierung.

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  • Paul

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    Kommentar gelöscht. Zum Thema bitte.

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  • Christian Huber

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    Mr. T zieht das richtige Fazit: “…, man muß Sozialpolitik betreiben” um die Probleme im Stadtbild zu lösen. Auch Stefan hat gestern im Podcast deutlich gesagt, “das solche Parteien [Afd] immer besser werden, weil die anderen immer schlechter werden”.

    Eine SPD ist seit 1998 (mit Ausnahme von 2009 bis 2013) in der Bundesregierung, bis heute! Aber trotzdem schaut es bei Sozialpolitik sehr mau aus. Warum?

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  • capdiver

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    Mr. T
    Vom Parteiprogramm der Linken abgeschrieben?
    Wer die Probleme in deutschen Großstädten nicht sieht, muss Betriebsblind sein. Oder politisch verpeilt.
    Ach ja, ist ja die Umverteilung von Unten nach Oben. Ansonsten sind die Guten ja alle ganz ganz liebe Zeitgenossen. Erkennt aber nur die Mehrheit der Deuschen schon lange nicht mehr. Wie naiv die gemeine Bevölkerung aber auch ist.
    Und noch dazu:
    “Es ist unbestritten, dass sich an vielen Orten Menschen befinden, die bei anderen Menschen Unwohlsein und teilweise auch gerechtfertigte Ängste auslösen. Dies aber an der Hautfarbe, an der Staatsangehörigkeit, an der Ethnie, der Sprache oder gar am Aufenthaltsstatus festzumachen, ist purer Rassismus”
    Nein kein Rassismus – es sind Tatsachen und als was Sie die bezeichnen, ist Ihre Angelegenheit.
    Übrigens war ich auch schon vor Jahrzehnten regelmäßig des Nächtens unterwegs – allerdings mit mindestens 90% weniger Angst.

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  • Gerhard Hain

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    Wer ein Stadtbild mit Menschen mit Migrationshintergrund nicht verträgt, hat in Deutschland keine Zukunft. Die deutsche Gesellschaft altert immer schneller und nur junge Migrant*innen können noch dazu beitragen, das Rentensystem und unseren Wohlstand zu sichern. So einfach ist das. Deutsche die nicht geboren wurden, zeugen keine Kinder. Zwei Wissenschaften dienen hier der Beweisführung: Biologie und Mathematik.

    In Regensburg leben rund ein Drittel Menschen mit Migrationshintergrund. Das sind über 50.000 Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt. Allein die Nennung dieser Zahl sollte dazu führen, dass Stadtbild-Argumentierer verstummen. Einfach mal faktenbasiert diskutieren und nicht jeder rechten Stimmungsmacherei hinterherlaufen.

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  • Woitl

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    Selbst erlebt und erfahren: Nach einer Abendveranstaltung im Diözesanzentrum gegen 22 Uhr bat mich eine Teilnehmerin der Veranstaltung, ob ich sie bitte zum Parkhaus am Petersweg begleiten wolle, weil in der Obermünsterstraße doch sehr viele Personen aus anderen Kulturkreisen dort herumstehen und sie Angst hat.
    Was ist das für ein Stadtbild? Warum gehen diese Demonstranten nicht mit verängstigen Frauen nach Hause oder zum Parkhaus. Das wäre eine Hilfestellung um deren Angst zu nehmen.

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  • Paul

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    Servus

    was war das Ziel der Demonstration?

    was soll erreicht werden ?

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