Entdecke Veranstaltungen in Regensburg Alle Kultur Oekologie Soziales Kino

Herr Dr. Pätz und das Politbüro

Stinksauer! Dr. Jürgen Pätz. Foto: AignerFrüher war Dr. Jürgen Pätz lange Jahre als Kämmerer für die Finanzen der Stadt zuständig, heute – zwei Jahre nach seiner Pensionierung – sitzt er für die FDP im Stadtrat in der Opposition, quasi auf der anderen Seite. Und das Investitionsprogramm, das seine Nachfolger in der Verwaltung in Absprache mit der großen Koalition am Mittwoch im Schulausschuss vorlegte, war so gar nicht nach dem Geschmack des 67jährigen. Er war nicht der einzige. In Teilen war Pätz sich sogar mit Bürgermeister Gerhard Weber einig, der zu Beginn der Sitzung erklärte, einen Teil des Investitionsprogramms nicht mittragen zu wollen. Knapp 62 Millionen investiert die Stadt der Vorlage nach bis Ende 2012 in Schulen, Bau- und Sanierungsmaßnahmen. Das hört sich zunächst gut an. Allerdings wurden einige Maßnahmen, die in der Vergangenheit früher geplant waren, zurückgestellt. Allen voran der Neubau eines Schulgebäudes für Fachoberschule und Berufsoberschule an der Plato-Wild-Straße. Während das Wahlkampfs hatte Oberbürgermeister Hans Schaidinger nach Protesten von Schülern entsprechende Pläne vorgelegt. Im Investitionsprogramm finden sich für FOS/BOS allerdings lediglich „Konzeptmittel“ in Höhe von 150.000 Euro. Wofür die sind? Nicht einmal Sportbürgermeister Weber weiß es, wie er in der Sitzung erklärt. Die Kosten eines Neubaus liegen laut Weber bei rund zwölf Millionen Euro. Weber forderte, Mittel dafür einzustellen, zunächst zwei Millionen für das laufende Haushaltsjahr. Zur Verwaltungsvorlage erklärt Weber: “Das trage ich nicht mit.” Das bedeutet Streit. Der Leiter des Finanzreferats, Karl Eckert, erklärte im Gegenzug, dass man Webers Forderung nicht folgen könne. Eckert hat das Spardiktat der großen Koalition im Nacken. Bis 2012 soll die Verschuldung der Stadt Regensburg 350 Millionen Euro nicht übersteigen. Dem folgt laut Eckert auch das Investitionsprogramm mit einem Volumen von 345 Millionen Euro. Damit sei das angekündigte Sparziel der Koalition zu erreichen, wenn die städtischen Steuereinnahmen um zwölf Millionen Euro jährlich (!) stiegen. Ein eher theoretisches Modell… Webers Antrag, zunächst keine Entscheidung über die Mittel für FOS/BOS zu treffen, stimmte der Stadtrat schließlich zu. Die CSU musste sich allerdings im Rahmen einer Sitzungsunterbrechung erst beraten. Alle zufrieden? Mitnichten. Als ehemaliger Finanzreferent zeigte sich Jürgen Pätz mehrfach „sehr enttäuscht“ über die Vorlage. Der Aufschub von FOS/BOS-Gebäudes sei nämlich bei weitem nicht das einzige Problem. Kontinuierlich seien die Investitionen für Bildung seit 2004 zurückgefahren worden, so der FDP-Stadtrat in mehreren wütenden Wortmeldungen. Seien es 2004 noch 80 Millionen Euro und damit 27,5 Prozent des Gesamthaushalts gewesen, den die Stadt Regensburg für Bildung veranschlagt habe, sei dieser Betrag auf mittlerweile 61,8 Millionen – 18 Prozent des Gesamthaushalts – gesunken. Aktuell verzögert sich unter anderem die Sanierung des Goethe-Gymnasiums, ebenso der Neubau des Osttrakts für das Von-Siemens-Gymnasium. Pätz in Richtung Koalition: „Das kann doch nicht ihr Ernst sein.“ Pätz schlägt vor, die Neugestaltung des Arnulfsplatzes zurückzustellen und dieses Geld – 2,5 Millionen Euro – in Schulen zu investieren. Dabei betont Pätz, dass er gern mehr Einsparungsvorschläge gemacht hätte, allerdings habe er die Unterlagen für das gesamte Investitionsprogramm viel zu spät erhalten. Ein Punkt der schon in der Vergangenheit, auch von anderen Stadträten, moniert worden war. Ob es sich, als Oppositionspolitiker überhaupt lohne, Vorschläge und Diskussionsbeiträge einzubringen, bezweifelte Pätz mehrfach. Die große Koalition sei ein „Politbüro“. „Die haben beschlossen und das gilt.“ Pätz lehnte das Investitionsprogramm als einziger ab. Einige andere Stadträte hätten das offenbar auch gerne getan, allerdings gab es (erneut) Unklarheiten über den Abstimmungsmodus. Ging es nun um Webers Änderunsvorschlag oder die Vorlage insgesamt … Nachzufragen traute sich vom Plenum offenbar niemand. Eine ähnliche Diskussion fand zwei Stunden später im Sportausschuss statt. Dort wurden zehn Millionen Euro für ein neues Fußballstadion beschlossen. Mehr vom „Politbüro“ und „Panem et Circenses“ lesen Sie morgen.
Print Friendly, PDF & Email

SUPPORT

Ist dir unabhängiger Journalismus etwas wert?

Dann unterstütze unsere Arbeit!
Einmalig oder mit einer regelmäßigen Spende!

Per PayPal:
Per Überweisung oder Dauerauftrag:

 

Verein zur Förderung der Meinungs- und Informationsvielfalt e.V.
IBAN: DE14 7509 0000 0000 0633 63
BIC: GENODEF1R01

Kommentare (7)

  • Schreiner F.

    |

    Es ist schon verwunderlich, als Herr Dr. Pätz noch Finanzreferent war hat er nie von seinem Antragsrecht als berufsmäßiger Stadtrat Gebrauch gemacht, obwohl es sicherlich durchaus das eine oder andere Mal Anlaß dazu gegeben hätte um die damalige Stadtratsmehrheit (CSU und OB Schaidinger) zum Umdenken oder zum Nachdenken zu bringen.
    Jetzt scheint für ihn alles schlecht zu sein, was er zu seiner aktiven Zeit wiederspruchslos mitgetragen hat. Das vorgehen des “Politbüros” CSU hatte ihn offenbar nie gestört.

  • Veits M.

    |

    ” …allerdings gab es (erneut) Unklarheiten über den Abstimmungsmodus ..” heißt es da.
    Ich wüsste gern mehr Details darüber. DANKE.

  • Johann

    |

    Gute Artikel,
    Herr Pätz sollte wirklich mal als ehemaliger Insider die Einsparpotentiale auf den Tisch legen.
    Der “Normalbürger” kann ja – selbst wenn er interessiert ist- die hundert Seiten des städtischen Haushalts nie und nimmer versthen. So wie die meisten Sadträte eben auch nicht.

  • Rudolf Schmtizer

    |

    Sehr geehrter H. Aigner,
    sehr guter Artikel, der einem Außenstehenden, über die Abläufe und Inhalte dieser Sitzungen im “Stadtparlament” informiert.

    Verwunderlich, wie man 10 Mio. EUR bereits ausgeben will, für eine Fussballstadion,
    – dessen Standort nicht feststeht
    – dessen Aussehen nicht feststeht
    – dessen Finanzierung nicht feststeht
    – dessen Aufwandsträger für die
    Unterhaltskosten nicht feststehen

    Da,
    – der SV Jahn Regensburg hierzu wahrscheinlich
    keinen finanziellen Beitrag leisten kann,
    – die PPP-Projekte in anderen Kommunen nicht
    die finanziellen Einsparungseffekte hatten,
    wie den Bürgern dies im Vorfeld dargestellt
    wurde,
    wird der steuerzahlende Bürger Regensburgs, quasi als Bürge, den Bau und/oder Unterhalt finanzieren müssen.

  • Joachim Datko

    |

    Ich habe die FOS in einem alten Gebäude in der Amberger Strasse besucht. Das Gebäude hat mich nicht interessiert, ich wollte lernen und das Abschlusszeugnis.
    Meiner Ansicht nach wird schon viel zu viel in Bildung investiert. Wir erleben gerade einen Bildungsfetischismus, der an den tatsächlichen Bedürfnissen der Gesellschaft vorbeigeht.

  • Schreiner F.

    |

    zu Datko

    Gibt´s eigentlich mal was, was sie nicht in Frage stellen Herr Datko?

    Wer Bildungsinvestitionen so wie sie dies hier tun in Frage stellt, stellt die Zukunft unseres Landes in Frage.
    Kinder haben sie wohl keine, sonst könnten sie nicht so bildungs- bzw. kinder- und jugendfeindlich argumentieren.

    Vielleicht sollten Sie mal hinterfragen, ob Sie wirklich in allen Fällen alles besser wissen und ihren Senf dazugeben müssen.

  • Joachim Datko

    |

    Zu “02. Okt 2008, 20:46

    Ich versuche nur aus meiner Sicht auf Fehlentwicklungen aufmerksam zu machen. Die Kritikpunkte sind leicht nachzuvollziehen und werden von vielen Mensch geteilt:

    – Schornsteinfegermonopol mit oft unsinnigen Tätigkeiten
    – Energieversorgung über Oligopole
    – Landwirtschaftssubventionen
    – Katholische Kirche

    Zur Zeit versuchen sich fast alle Politiker mit dem Ruf nach mehr Schulbildung zu profilieren. Dadurch entsteht der Bildungsfetischismus, vor dem ich warne.

    In den Schulen passieren eigenartige Dinge. So wurde z.B. in der Grundschule Burgweinting eine Sekretärin von den Lehrern während der Unterrichtszeit verabschiedet. Da hat man sich auch noch vor den wenigen Arbeitsstunden gedrückt. Gerechnet wird in der ersten Klasse zwischen 0 und 20. Manche Kinder sind da schon sieben Jahre alt. Damit schickt man die Kinder auf das geistige Abstellgleis.

Kommentare sind deaktiviert

drin