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Bischöfliche (K)lagebewertung: Missbrauchsopfer sind bestürzt

Klagt gern, bald auch gegen Missbrauchsopfer? Bischof Müller.

„Ist das Naivität, Dummheit oder eine Drohung?“ Johannes Heibel ist außer sich. Eine Stellungnahme, die das bischöfliche Ordinariat Regensburg gegenüber der Bayerischen Staatszeitung abgegeben hat, sorgt für Bestürzung und Wut bei Missbrauchsopfern. Es geht um das Buch „Ohne Fehl und Tadel Kirche, klerikale Täter und deren Opfer“, das im September in Regensburg der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Mehrere Betroffene schildern in dem Buch ihr Schicksal, ihre Gefühle und berichten davon, wie die offiziellen Stellen bei der Kirche mit ihnen umgegangen sind – drei davon stammen aus der Diözese Regensburg.

Folgt man dem Bericht des Journalisten Florian Sendtner vom 7. Oktober, schließt das Ordinariat eine Klage gegen das Buch nicht aus. Zwar gebe es dafür „im Moment keine Planung“, wird Pressesprecher Clemens Neck von der Bayerischen Staatszeitung zitiert. „Sollte es (das Buch, Anm. d. Red.) allerdings öffentliches Interesse auf sich ziehen, werde das Ordinariat die Lage neu bewerten“, heißt es weiter.

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Reden erlaubt, wenn’s niemand mitkriegt?

„Das ist unerhört“, sagt Johannes Heibel, der das Buch mit der „Initiative gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen“ herausgegeben hat. „Wie kann man nach all dem was seit dem letzten Jahr passiert ist, was diskutiert und versprochen wurde, so eine Aussage treffen?“

Mehrere Betroffene hätten sich bereits bei ihm gemeldet, so Heibel. Sie seien „wütend und bestürzt“ über die Aussagen des Ordinariats. „In dieser Diözese verfährt man mit Missbrauchsopfern anscheinend nach dem Motto: Ihr dürft schon etwas sagen, so lange es keiner mitkriegt.“

Konkret befragt wurde Pressesprecher Neck zu den Missbrauchsfällen in Viechtach und Riekofen, die in dem Buch zur Sprache kommen.

Viechtach, Riekofen und das Schweigen

Eine “Lagebewertung” von Bischofssprecher Clemens Neck sorgt für Empörung. Foto: Archiv

Benedikt Treimer, der 1999 von dem Kaplan Peter K. in Viechtach sexuell missbraucht wurde, äußert sich sehr persönlich und deutlich dazu, wie er das alles erlebt hat und aus heutiger Sicht einschätzt.

K. hatte sich an dem damals zwölfjährigen Benedikt beim „Verstecken spielen“ vergangen. Familie und bischöfliches Ordinariat unterzeichneten seinerzeit eine Stillschweigevereinbarung. Auch die Übernahme von Therapiekosten und ein Schmerzensgeld von 5.000 D-Mark wurden darin festgelegt. K. wurde zu einer Bewährungsstrafe verurteilt und war bereits zwei Jahre später – entgegen der Bewährungsauflagen – wieder in der Kinder- und Jugendarbeit tätig, in der Gemeinde Riekofen. Hier wurde er 2007 festgenommen und schließlich wegen mehrfachen sexuellen Missbrauchs zu drei Jahren Haft verurteilt. K. flog unter anderem deshalb auf, weil Familie Treimer an die Öffentlichkeit ging. Seitdem hat das Ordinariat die Übernahme von weiteren Therapiekosten hartnäckig verweigert.

Benedikt Treimer schreibt nun in dem Buch:

„Meiner Meinung nach war die Schmerzensgeldzahlung jedoch ein von der Kirche auferlegtes Schweigegeld, und der Bischof wie auch das Ordinariat waren sehr froh, dass ich den Missbrauch vor lauter Scham nicht zur Anzeige brachte. Auch wenn das Ordinariat immer mein Recht auf Anzeige betonte, wurden kirchenintern keine Schritte unternommen P. K. anzuzeigen und den Fall somit an die Öffentlichkeit zu tragen.“

„Machtwort aus dem Vatikan“ gefordert

„Wie es den Opfern geht, scheint die Kleriker wohl kaum näher zu interessieren.” Johannes Heibel.Foto: Herbert Baumgärtner

Bereits bei der Buchvorstellung in Regensburg hatte Johannes Heibel das Ordinariat aufgefordert, sich dazu zu äußern. Der dabei anwesende Bischofssprecher Clemens Neck meldete sich jedoch nicht zu Wort. Von der Bayerischen Staatszeitung erneut mit Benedikt Treimers Aussagen konfrontiert, schloss Neck nun eine Klage nicht grundsätzlich aus.

„Wenn man so etwas wie Benedikt Treimer nicht mehr sagen darf, können wir in Deutschland einpacken“, sagt Heibel. „Wie es den Opfern geht, scheint die Kleriker wohl kaum näher zu interessieren, aber man wird möglicherweise alles tun, damit man sie zum Schweigen bringt.“ Heibel fordert ein „Machtwort aus dem Vatikan“.

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Kommentare (19)

  • Mathilde Vietze

    |

    Da kann man ja nur hoffen, daß das Buch “Ohne Fehl und Tadel” besonders populär wird,
    damit sich unser “Hirte” wieder medienwirksam in Szene setzen kann.

  • Herbert

    |

    Tja, da hat sich der Einkauf des bischöflichen “den falschen Dope angedreht”- Pressesprechers mit Bischofsgehalt auf Steuerzahlerkosten ja mal richtig gelohnt!
    Seit Herr Neck Pressesprecher ist, steht das Bistum deutlich besser in der Öffentlichkeit da, kann die Missbrauchsgeschichten besser handeln und ist sensibler im Umgang mit den Medien *Ironie aus*

  • W.Müller

    |

    Bischof L. Müller, Viechtach, Riekofen und das Schweigen werden in der Diöze Regensburg und darüber hinaus in ganz Deutschland immer mehr bekannt. Der Bischof scheint das Bonmont von Oskar Wilde zu beherzigen:”Es gibt nur Eines das peinlicher ist als in aller Munde zu sein, nicht in aller Munde zu sein.” Leider schadet er mit diesem unchristlichen Auftreten ( Demut scheint ihm unbekannt zu sein) der katholischen Kirche ungemein. Ein großer Teil der Ausgetretenen geht sicher auf sein Konto. Dass viele Schäflein aus purer Angst in den katholischen Provinzen der Oberpfalz( wo Hochwürden noch den Exorzismus huldigt, wie von Ratzinger früher gelehrt) weiterhin treu zu dieser Organisation stehen, ist bei der wöchentlichen Gehirnwäsche mit Einschüchterung in der sonntäglichen Messe nicht verwunderlich. Viele Menschen trauen sich bei einem Missbrauch durch die Kirchenoberen nicht an die Öffentlichkeit. zu gehen, vielfach wird schon in den Pfarr- Gemeinden über lange zurückliegende Missbräuche heute noch abgestimmt. Zumal die beweisbarkeit lange zurückliegender Vorfälle äusserst schwierig ist.Um so wichtiger sind mutige Zeitungen, wie Regensburg Digital, der Spiegel etc. ( als Antichristliche Machwerke verschrien) die ungefilterte Schweinereien der katholischen Kirche veröffentlichen. Unangenehme Wahrheiten sind in der heutigen Zeit nicht mehr wie seit 2000 Jahren zu unterdrücken.
    Packen wir es Alle an und vertreiben die seit 2000 Jahren ungestört tätigen Kinderficker von den Päpsten (die Allerschlimmsten bis vor kurzer Zeit, jetzt nehmen sie ja nur ganz Alte, die nicht mehr können) bis zu den niedrigsten Klosterbrudern.
    Danke fürs Lesen
    W.Müller

  • Wolfgang

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    Der Papst und die Kirche haben ihr Machtwort längst und immer gesprochen: Schaden von der Organisation abwenden!

    Einiges wird hier aufgedeckt:
    http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2010-04/dokumente-bertone/seite-1

    Deshalb ist der Täter nicht nur der einzelne Priester, sondern die Institution.

    Unser Bischof spricht hier und heute von “Sippenhaft” in die die Kirche genommen würde:
    http://www.rp-online.de/politik/deutschland/C-Parteien-fehlt-christliches-Profil_aid_812569.html

    Schuld und Schaden muß von der Kirche abgewendet werden. Das ist das Ziel. Das ist alles.

  • Wolfgang

    |

    Zusatz.
    In seiner Erfurter Rede hat der Papst wieder deutlich ausgesprochen:
    “Gefährlich wird es, wenn diese Skandale an die Stelle des primären Skandalon des Kreuzes treten…”
    http://www.epd.de/landesdienst/landesdienst-südwest/schwerpunktartikel/papst-benedikt-kirche-soll-sich-sorgen-der-welt

    Entscheidend sei der Tod eines Menschen vor 2000 Jahren.
    Das sei der Skandal.
    Was da heute geschieht, mißbraucht oder geschunden wird – das ist für den Gläubigen ein vergleichsweise Geringfügiges.

    Das ist der Trick. Über diesen Fixpunkt läßt sich alles kleinreden, kleinglauben…
    Wie man es braucht.

  • Ein gebranntes Kind

    |

    http://www.zeit.de/2011/41/Konzern-Kirche
    Die Kirche ist nach VW der größte Konzern im Land. Umsatz 125 Milliarden pro Jahr, ihr Vermögen 500 Milliarden Euro.
    Wir sind 99 %, nicht Ihr!

  • Luna Schneck

    |

    Da haben sich Neck und Müller kurz vor der Verhandlung in Hamburg wohl wieder mal ein Eigentor geschossen. Diese “nächstenliebenden Herren” habe doch keinerlei Interesse an Menschen, denen sind wir alle lästig. Man hat das Gefühl die Inquisition würde in Regensburg zurück gewünscht. Man sollte sich dafür einsetzen, dass Kirche und Staat endgültig getrennt werden. Es kann nicht angehen, dass sich hier irgendwelche Bischöfe und sonstige sich so auserordentlich wichtig vorkommenden “Männer” überall einmischen.
    Opfer sind nur lästig, sie kratzen am inzwischen doch etwas stumpf gewordenen Lack der “Männlein mit den Kleidchen und Mützchen”.
    Ich brauch keine Kirche, niemand den ich kenne, braucht eine Kirche und deren Abgesandten.
    Lasst uns eine Initiative aufziehen, zur Trennung von Staat und Kirche. Sollten Opfer verklagt werden, lasst uns ebenfalls hinter ihnen stehen und echte Nächstenliebe leben.
    Ich hab noch immer eine zersplitterte Tür und einen zerborstenen Türrahmen, die ein liebevoller, guter Herr Pfarrer eingetreten hat, in einem seiner zahlreichen cholerischen Ausraster. Wer zahlt nun die Tür.
    Er wurde mit großem Pomp und Festlobeshymnen verabschiedet und versetzt. Bis er wieder jemanden verprügelt. Ein Therapie lehnt der Pfarrer ab, er halte nichts von dem Psychoscheiß (seine Worte). Wars wohl auch so bei den Kinderschändern? Wenn sie selbst eine Therapie ablehnen, werden sie halt weiter versetzt. In der Hoffnung man könne die Opfer dann stumm drohen.
    Ich mach jedenfalls Werbung für Herrn Heibels Buch und bedanke mich bei allen die in diesem Buch den Mut fanden ihre Geschichte zu erzählen. Wahrheit wird von der Kirche sofort bestraft. Ich kenn das selbst.

    Demut, Respekt, Einfühlungsvermögen und Nächstenliebe sind Charaktereigenschaften die einigen Kirchenmitarbeitern gänzlich abgehen. Die wahrhaft guten Menschen habe ich bisher nur ausserhalb kirchlichen Instiutionen kennen gelernt.
    So nun könnt ihr mich wieder beschimpfen, viel Spaß.

  • Luna Schneck

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    Hi Nanny, ich wurd schon öfters beschimpft und bedroht (aktuell seit 2008 bis heute hier im Ort von Christen und von Kirchenmitarbeitern – Drohanrufe – Drohbriefe – üble Nachrede, bösartige Briefe bis an meinen Arbeitgeber, Geschäftsführer in München usw.). Üble Nachrede ist noch das Harmloseste. Auch hier in Leserbriefen durch wen auch immer. Aber wer seine Meinung sagt hat nicht nur Befürworter. Das ist halt so.
    Ich freu mich, dass der Spiegel gewonnen hat. Müllers Sternchen sinkt langsam doch hoffentlich stetig. Wenn wirklich Missbrauchsopfer verklagt werden, könnt ihr bald meine Geschichte überall lesen. Den Brief vom Rechtsanwalt über Stillschweigen hab ich schon seit letztem Jahr.
    LG U

  • Immanuel K. Anti

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    “Wir sind 99 %, nicht Ihr!”

    Vielen Dank, das war das erste Mal, dass ich diesen Spruch auf Deutsch gelesen habe, mein Herz hat einen Sprung gemacht.

    Es ist schön zu sehen, um wieviel schneller sich neue Gedanken und Ideen heutzutage dank www verbreiten.

    Und, damit ich nicht vollends, sondern nur größtenteils off-topic kommentiere: Das Konzept, eine neue gedankliche Einheit als “Mem” zu bemessen und seine Ausbreitung zu beobachten, haben wir Richard Dawkins zu verdanken.

  • Veronika

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    Liebe Freunde, es wird peinlich für die Diözese Regensburg! Es wird sehr peinlich werden, wenn die Diözese nicht bald, schleunigst die Dinge aufklärt! Man kann es von OD leider nicht anders erwarten, aber ob dies Früchte bringen wird, steht in Frage. Jedenfalls – für Eingeweihte – habe ich von der grossen Festmesse in Waldsassen “mit Äbtissinnen und Äbten der sog. Mehrerauer Kongregation” Nichts mehr gehört. Die Predigt eines HWST. H. Anselm van der Heide hätte mich brennend interessiert. ;-)

  • Buchinger

    |

    @ all ;-)

    Klagt gern, bald auch gegen Missbrauchsopfer? Bischof Müller…

    Vorbezeichneter Feststellung der Redaktion kann ich folgen. Allerdings frage ich grundsätzlich nach dem
    Warum …!
    Warum klagt der Bischof gerne, womöglich bald auch gegen Missbrauchsopfer?
    Vielleicht und wirklich nur vielleicht liegt es verborgen in seiner Vita – ausgelebt durch seinen Habitus, zu streiten ohne Rücksicht auf Verluste, bald so als gebe es für ihn und die Diözese kein Morgen mehr?

    Es wäre doch möglich, ohne den hochdekorierten Professor der Theologie zu nahe treten zu wollen,
    dass er selbst am eigenen Leib und Seele ähnliches erlebt hat, und alles was mit Missbrauch zu tun hat
    weit von sich stellt.

    Bedauerlicherweise Menschen die zivilcouragiert über dieses Tabus berichten, dagegen
    vorgehen – als “Feindbild” fehlinterpretiert?

    Mit besten Grüssen Eduard Buchinger ;-(

  • Veronika

    |

    Oder kann man dies ganz einfach damit erklären, dass – wie mir unlängst ein Geistlicher eher südlicher Provenienz sagte – “Priester in Deutschland über Leichen gehen können müssen!” Meine Anmerkung zum Zitat: Wie könnte man sonst auch jemanden beerdigen?

  • Der Uneinsichtige meldet sich wieder zu Wort | Regensburg Digital

    |

    […] Dokumentiert sind solche Fälle etwa in dem Buch „Ohne Fehl und Tadel“, das sogar in Regensburg vorgestellt wurde. Statt sich damit auseinanderzusetzen, schwieg die Diözese zunächst. Auf Nachfrage fabulierte Bischofssprecher Clemens Neck von der Möglichkeit, gegen das Buch zu klagen. […]

  • Georg Ritterbach

    |

    Ich hoffe,Papst Franziskus diesen Kardinal und auch den ” Geist” der dahinter steht endlich entmachtet .Die wirklich Glaubenden hätten es verdient ! Ehrlicherweise muss ich gestehen,das ich an keinen Gott glaube.

Kommentare sind deaktiviert

drin