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Leerstehende Stadtbauwohnungen

„Praxistest“ für obdachlose Menschen

Bürgermeisterin Maltz-Schwarzfischer: "Ein kleiner Baustein, aber nicht die Lösung des Mangels an bezahlbarem Wohnraum."  Foto: Archiv

Bürgermeisterin Maltz-Schwarzfischer: “Ein kleiner Baustein, aber nicht die Lösung des Mangels an bezahlbarem Wohnraum.” Foto: Archiv

Die Stadt mietet 13 leerstehende Stadtbau-Wohnungen als Erweiterung der Notwohnanlage an. Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer spricht von einem „Praxistest“, um obdachlose Menschen wieder in den normalen Mietmarkt zu vermitteln.

Einhellige Zustimmung im Sozialausschuss des Regensburger Stadtrats. Ab 1. März wird die Stadt 13 leerstehende Stadtbauwohnungen anmieten und befristet als Notwohnungen für Obdachlose nutzen. „In die Wohnungen sollen vorrangig Personen bzw. Familien mit positiver sozialer Prognose zugewiesen werden“, heißt es in der Vorlage. „Damit soll den Betroffenen ein Neuanfang in einem regulären Mietverhältnis im Anschluss an die Zwischenlösung ermöglicht werden.“

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Alleinerziehende und Frauen aus dem Frauenhaus betroffen

Derzeit verfügt die Stadt über 55 Notwohnungen, von denen laut Sozialamtsleiter Wilhelm Weinmann 15 leerstehen. In der Obdachlosenunterkunft gibt es zusätzlich 26 Übernachtungsplätze, vornehmlich für Männer. Es fehlt vor allem an kleineren Notwohnungen mit einem, zwei oder drei Zimmern.

Bedarf bestehe insbesondere für Alleinerziehende, Frauen aus dem Frauenhaus und Einzelpersonen, die aufgrund von Krankheit nicht in der bestehenden Obdachlosenunterkunft übernachten können, heißt es in der Vorlage. Sie sollen, so der Plan, zum größten Teil aus der Notwohnanlage in der Aussiger Straße in die Stadtbau-Wohnungen umziehen und dort durch den kürzlich ins Leben gerufenen „Allgemeinen Sozialdienst“ betreut werden, um sie so wieder in ein normales Mietverhältnis zu bringen.

Amtsleiter Weinmann relativierte in der Sitzung Befürchtungen, denen zufolge, wie es in der Vorlage heißt, „eine verstärkte Nachfrage nach Notwohnungen von Familien aus osteuropäischen Ländern zu verzeichnen“ sei. Bislang habe es Zuweisungen für drei Familien gegeben und etliche weitere Anfragen – unter anderem aus dem Landkreis – hätten die Vermutung bestätigt, dass die Familien untereinander gut vernetzt seien und über diesen Weg nach Regensburg ziehen wollten. Rechtlich gelten aber Menschen, die neu nach Regensburg ziehen wollen nicht als obdachlos und erfüllten denn auch nicht die Voraussetzungen, um in einer Notwohnung untergebracht zu werden.

„Wohnungen, die ansonsten leerstehen würden.“

"Mit guter Betreuung geht das." CSU-Stadtrat Josef Troidl. Foto: Archiv

“Mit guter Betreuung geht das.” CSU-Stadtrat Josef Troidl. Foto: Archiv

Die Anmietung ist vorerst befristet bis Ende Juni 2017. Es sei auch nicht geplant, diesen Wohnungspool zu erweitern. Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer sprach von einem „Praxistest“. „Wir nutzen Wohnungen, die ansonsten leerstehen würden.“ Das Schlimmste, was passieren könne, sei, dass die Betroffenen am Ende wieder in die Aussiger Straße ziehen müssten.

Trotz einiger Nachfragen begrüßt auch die CSU den Vorstoß. Er habe aus seinen Erfahrungen beim Obdachlosenhilfe-Verein Strohhalm die Erfahrung gemacht, dass es durchaus möglich sei, die Leute wieder im regulären Mietmarkt unterzubringen, so Stadtrat Josef Troidl. „Wichtig dabei ist vor allem die Betreuung.“ Kritik kam von Stadtrat Richard Spieß (Linke). Zwar begrüße er diesen Vorschlag. Die Vorlage zeige aber auch, dass man viel zu spät angefangen habe, sich um zusätzliche Notwohnungen zu kümmern.

Zurück geht die nun beschlossene Anmietung auf eine Eingabe des Mieterbunds. Dieser hatte im Oktober vorgeschlagen, leerstehende Stadtbauwohnungen für Menschen in schwierigen Lebenssituationen, insbesondere Flüchtlinge, zu nutzen. Damals stand die Zahl von 300 leerstehenden Stadtbau-Wohnungen im Raum. Eine Prüfung Anfang November ergab, dass laut Stadtbau-Chef Joachim Becker – der dieser Idee eher ablehnend gegenüberstand – lediglich 13 Wohnungen für diese Maßnahme zur Verfügung stehen.

Erst nach dieser Prüfung wurde der Mieterbund-Vorschlag im Stadtrat behandelt und einstimmig abgelehnt, da man die Wohnungen einerseits gerade nicht zur Unterbringung von Flüchtlingen nutzen wolle und weil, so Oberbürgermeister Joachim Wolbergs damals, die geplante Anmietung „nichts, aber auch gar nichts mit dem Vorschlag des Mieterbunds zu tun“ habe. Ungeachtet davon, mit wem diese Idee nun tatsächlich zu tun hat, wurde sie am Mittwoch dennoch einhellig beschlossen. „Das sei nur ein kleiner Baustein“, um einigen Menschen zu helfen so Bürgermeisterin Maltz-Schwarzfischer. Den allgemein bekannten Mangel an bezahlbarem Wohnraum, der angesichts der notwendigen Unterbringung von Flüchtlingen umso mehr angegangen werden muss, werde man damit aber nicht lösen.

„Eigenartige Berichterstattung“

Irritiert zeigte sich die Bürgermeisterin über manche Berichterstattung zu dem nun vollzogenem Beschluss. „Das Wochenblatt hat da ein bisschen eigenartig berichtet.“ Es sei weder geplant psychisch kranke Straftäter, noch Flüchtlinge in den 13 angemieteten Wohnungen unterzubringen.

Tatsächlich hatte das Blatt mit entsprechenden Schlagzeilen („Sozial Schwache müssen weichen – zugunsten von noch ärmeren“ oder „Hohe Zahl an Asylbewerbern führt zu Notstand bei Notunterkünften für sozial Schwache“) zum Teil Ängste und Ressentiments unter Bewohnern von Stadtbau-Wohnungen geschürt. An einer Stelle wurde gar suggeriert, dass die Stadtbau – eine 100prozentige Tochter der Stadt Regensburg – von dieser „enteignet“ werde.

"Ein bisschen eigenartig": Schlagzeilen zu dem Thema beim Regensburger Wochenblatt.

“Ein bisschen eigenartig”: Schlagzeilen zu dem Thema beim Regensburger Wochenblatt.

Dass die Eingabe des Mieterbunds zum Zeitpunkt all dieser Berichte bereits öffentlich im Stadtrat diskutiert worden war, verschwieg das Wochenblatt und fabulierte:

„Es ist eben das Schweigen der Politik, das ‘besorgte Bürger’ schafft.“

Ach so…

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Kommentare (6)

  • Betonkopf

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    Das lokale Anzeigenblatt hat in dieser “eigenartigen Berichterstattung” mal wieder alle Themen durchgenudelt, die dem prominenten und promovierten Chefredakteur so auf der Seele brennen: Flüchtlinge, Straftäter und psychisch Kranke, wobei letztere – Obacht! – durch das böse Europa frei gekommen sind.

  • Rentnerin

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    Wunderbar, das ist ein weiterer kleiner Baustein den Ärmsten und Hilfsbedürftigen in dieser Stadt zu helfen.
    Keiner von uns weiss, ob er nicht auch einmal in die Situation der Obdachlosigkeit kommt.
    In diesen Stadtbauwohnungen wohnen viele gutsituierte Bürger, die ihr Geld durch günstige Mieten in andere Mietobjekte angelegt haben und an der Ausbeutung der kleinen Leute beteiligt sind.
    Dem sollte wirklich ein Ende gesetzt werden.
    Nur so wird die SPD wieder glaubwürdig.

  • Grips

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    Wie ich vor einigen Tagen in der SZ las, hätten 30 % der Menschen in Bayern auf Grund geringen Einkommens/Vermögens einen Anspruch auf eine Sozialwohnung. Tatsächlich gibt es aber nur für 8 % Sozialwohnungen.
    Zu dieser Sozialwohnungsnot hat die frühere CSU/SPD-Stadtregierung ihren Beitrag geleistet, in dem sie das profitorientierte Bauen der städtischen Stadtbau GmbH abgesegnet hat. Und es ist der alte Stadtbau-Chef Becker an der Spitze geblieben, der dieses Konzept weiterhin vorgibt. Insofern ist das mit den 13 zusätzlichen Notwohnungen eher ein netter schlechter Scherz . In den Asylbewerber- und Flüchtlingslagern in Regensburg sitzen mehrere hundert bereits anerkannte Asylbewerber und Flüchtlinge fest, als “Fehlbelegung”, da es keine Wohnungen für sie gibt.
    Beim Sozialwohnungsbau steht die Abwendung der Stadtregierung von der CSU-Politik noch aus, hier wird weiter gekleckert statt geklotzt.

  • Renter

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    @ Rentnerin, Sie haben völlig Recht. Deshalb sind Sozialwohnungen nicht die Problemlösung schlechthin. Der Genossenschaftswohnungsbau und manch anderes Instrument könnte in der Kombination helfen. Es erforet aber Fantasie und Mut.

    In München tritt eine Referentin nicht mehr zur Wahl an, weil ihr der Gegenwind zu sehr ins Gesicht bläst. http://www.sueddeutsche.de/muenchen/sozialreferentin-erklaert-rueckzug-brigitte-meier-geht-1.2868420 Ein Vorgang, der in regensburg nicht vorstellbar ist, wenn man sich nur an 2005 oder 2009 und die Wiederwahl des Kulturreferenten erinnert.

  • Erste Kehrtwende im Umgang mit Obdachlosigkeit » Regensburg Digital

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    […] Hoffnungen setzt die Bürgermeisterin auf den bis Juli 2017 laufenden Modellversuch, Menschen mit positiver Sozialprognose von der Notwohnanlage in 14 leerstehenden Stadtbau-Wohnungen z…, um sie von dort wieder in den normalen Wohnungsmarkt zu integrieren. „Wenn jemand mit der […]

  • „Durchaus positiv“ oder „Rohrkrepierer“? » Regensburg Digital

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    […] Es sollte ein „Praxistest“ für obdachlose Menschen sein, wie Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Sch… Im März 2016 mietete die Stadt Regensburg 13 Wohnungen ihrer 100prozentigen Tochter Stadtbau an, um dort Menschen aus den städtischen Notwohnungen unterzubringen und sie von dort in ein reguläres Mietverhältnis zu vermitteln. Bevorzugt werden sollten dabei „vorrangig Personen bzw. Familien mit positiver sozialer Prognose“. Der Schwerpunkt auf Familien ist wenig verwunderlich. Aussagen von städtischen Mitarbeitern gegenüber unserer Redaktion belegen: Das Regensburger Jugendamt beurteilt die Notwohnungen in der Aussiger Straße als nicht geeignet, um Kinder aufzuziehen. Diesem wenig überraschenden Urteil gegenüber steht allerdings eine Zahl von 48 Kindern und Jugendlichen, die derzeit dort leben müssen – über 40 Prozent der gesamten Bewohnerschaft. […]

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