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„Dann gehen Sie doch”

Eine Abrechnung: Der spektakuläre Abschiedsvortrag von Professor Marx „Was erlauben Sie sich.” Als CSU-Fraktionschef Herbert Schlegl im Thon-Dittmer-Palais, sichtlich um Fassung ringend, zu Sprechen anhob, war der Vortrag von Professor Detlef Marx schon beendet. Der Verein Pro Regensburg hatte Hans Schaidinger und Joachim Wolbergs ins Thon-Dittmer-Palais geladen, um mit den beiden über die wichtigen politischen Themen in Regensburg zu diskutieren – Verkehr, Stadtplanung, Kultur, Schulen … Pro Regensburg – das ist in erster Linie Professor Marx. Der ehemalige Planungsreferent der Stadt München hat den Verein ins Leben gerufen. Seit zehn Jahren begleitet Pro Regensburg die Stadtentwicklungen mit wissenschaftlichen Veröffentlichungen, Vorträgen und Diskussionsveranstaltungen. Manchem war der Verein und damit Marx wegen seiner vielfach betonten Sachlichkeit oder der Diskussionsbereitschaft über eine Stadthalle am Donaumarkt bisweilen zu nah dran an der Stadtspitze, zu sehr auf CSU-Linie. Gestern änderte sich diese Meinung bei vielen schlagartig. Für Marx war die gestrige Veranstaltung auch eine Art Abschied. Er hat seinen Vorsitz kürzlich abgegeben. Doch im Thon-Dittmer-Palais stand Marx noch einmal am Mikro. Eingefunden hatte sich die Haute Volée der CSU, allen voran Herbert Schlegl, sekundiert von seinem Ziehsohn Armin Zimmermann. Die SPD, mit Parteichefin Margit Wild an der Spitze, Professor Dünninger von der ödp und OB-Kandidat Ludwig Artinger, begleitet von seinem getreuen Entdecker Günther Riepl. Beschwerden hatte es gegeben von den übrigen vier OB-Kandidaten, weil sie nicht aufs Podium geladen worden waren. Nach der Overtüre, mit der Marx den Abend einleitete, wussten sie warum. Es war eine Abrechnung, die nicht ihnen galt. Stillschweigend, in spür- und sichtbarer Distanz zueinander, auf dem langen Podium sitzend, mussten Joachim Wolbergs und vor allem Hans Schaidinger im zu einem guten Drittel gefüllten Thon-Dittmer-Palais, von Marx – der pünktlichst um 20 Uhr mit begann – einen reichlich gefüllten Köcher voll gut zugespitzter Pfeile auf sich abfeuern lassen. Philosophen, Schriftsteller und Staatsmänner – „seit langem bekannte Demokraten” – zog Marx als Kronzeugen für seine mit Zitaten und Beispielen untermauerte These heran, die da lautet: „Schlechteste Demokratie kann man derzeit in Regensburg erleben.” Deutlich vernehmbar klagte denn auch mancher grantige CSU-Anhänger im Publikum: „Hören Sie auf. Ich kann das nicht mehr hören.” Den Professor konnte das nicht beirren. „Dann gehen Sie doch”, rief er den Klagenden zu und fuhr fort. „Demokratie lebt von den Menschen”, die Politiker seien die Vertreter dieser Menschen und nicht ihre Chefs. Doch in Regensburg werde ein Politikstil praktiziert, den Marx „als jedem Bürger in der Zwischenzeit geläufig” bezeichnete und mit drei Kernaussagen umschrieb: „Nicht zuhören”, „Mit Mehrheit entscheiden”, „keine Kompromisse, keine Diskussion”. Versteinerte Mienen: Kreidebleich war Schaidinger, peinlich berührt wirkte Wolbergs, als sich Marx nach 45 Minuten setzte. Und als Zurechtweisungen von Hans Schaidinger kamen, die Diskussion – die nur noch ein von Spitzen begleiteter Epilog war – begann und Herbert Schlegl mehrfach zum Angriff gegen Marx und zur Verteidigung des Oberbürgermeisters blies, winkte der ansonsten kompromiss- und diskussionsbereite Professor gelassen ab und lehnte sich erst einmal – zufrieden blickend – zurück. Es war schließlich sein Abschiedsvortrag. Den hatte er sich erlaubt …
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Kommentare (2)

  • Mathilde Vietze

    |

    Typisch! Was für ein Demokratieverständnis
    haben denn diese Politiker?

  • Barbara Junghans

    |

    Liebe Frau Vietze,

    da uns das seit einem Jahr praktisch täglich durch die Medien vor Augen geführt wird, gibt’s nur eins:

    Leute, geht zur Wahl macht Euer Kreuz’l bei denjenigen, die Demokratie nicht nur auf den Lippen tragen (die gibt’s nämlich auch!)und schickt die anderen auf den Mond!

    Barbara Junghans

Kommentare sind deaktiviert

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