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Archiv für 4. August 2013

NPD-Vize Roßmüller ist kein Einzelfall

Rechte, Rocker, Sicherheitsdienstler

Am Donnerstag ist der NPD-Landesvize und „Secretary“ der Bandidos Regensburg Sascha Roßmüller vor dem Verwaltungsgericht Regensburg abgeblitzt. Das Landratsamt Straubing-Bogen hatte ihm die Erlaubnis für den Betrieb eines Sicherheitsunternehmens entzogen. Das Gericht wies Roßmüllers Klage dagegen ab. Roßmüller ist allerdings nicht die einzige Verbindung in Ostbayern, die zwischen rechtsextremer Einstellung, Motorradclubs und/ oder Sicherheitsunternehmen besteht.

"!-Prozenter" in einem regionalen Motorradclub und bekennender Neonazi: Sebastian B..

“1-Prozenter” in einem regionalen Motorradclub und bekennender Neonazi: Sebastian B..

Sascha Roßmüller betreibt seit 2008 zusammen mit einem Partner in Rain bei Straubing die Taranis Sicherheitsdienst GbR, deren Geschäftsbereiche mittlerweile unter anderem auf Internetversandhandel und Arbeitnehmerüberlassung ausgeweitet wurden. Roßmüller ist einer der führenden Funktionäre der rechtsextremen NPD.

Nach dem Verbot des Nationalen Blocks 1993, dessen Kreisverband Straubing er mit gegründet hatte, brachte er es über den Vorsitz der NPD-Jugend Junge Nationaldemokraten (JN) zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden der NPD. Von 2004 bis 2009 gehörte er dem Bundesvorstand an. In Bayern ist er seit längerem Stellvertreter des Landesvorsitzenden. Die Wahlunterlagen zur kommenden Landtagswahl führen ihn als „Parlamentarischen Berater“ der NPD-Landtagsfraktion in Sachsen.

Roßmüllers zweifelhafte Zuverlässigkeit

2008 sah das Landratsamt Straubing-Bogen in der politischen Betätigungen von Sascha Roßmüller insgesamt keinen Grund, die Bewachungserlaubnis zu versagen. Neuere Entwicklungen führten nun zu einer Überprüfung von Roßmüllers Zuverlässigkeit.

Die Gewerbeordnung und die zugehörige Verordnung nennen eine Reihe von Regelbeispielen, die zur Unzuverlässigkeit führen. Dazu zählen natürlich einschlägige Straftaten, aber auch (frühere) Mitgliedschaften in verbotenen Organisationen und Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Für die Prognose der Zuverlässigkeit dürfen aber, das betonte der Richter im Lauf der Verhandlung, auch private Umstände herangezogen werden, wenn sie sich auf die Tätigkeit als Bewacher auswirken können, sowie eingestellte Ermittlungsverfahren.

2010: Verwicklung in Messerstecherei

Seit 2009 war Roßmüller Mitglied bei den Bandidos Regensburg, was 2010 behördlich bekannt wurde. Einbezogen wurde in die Verhandlung auch eine Messerstecherei in Straubing an Weihnachten 2010. Nach Medienberichten handelte es sich hier um eine Auseinandersetzungen zwischen den Bandidos Regensburg und dem Gremium MC Straubing. Zwei Personen wurden schwer verletzt. Alle Beteiligten hüllten sich in Schweigen. Das Ermittlungsverfahren gegen Roßmüller wurde zwar eingestellt, das Landratsamt durfte es aber zur Bewertung heranziehen.

Darf kein  Sicherheitsunternehmen mehr führen: Sascha Roßmüller (re., neben dem NPD-Landesvorsitzendem Karl Richter). Foto: tw

Darf kein Sicherheitsunternehmen mehr führen: Sascha Roßmüller (re., neben dem NPD-Landesvorsitzendem Karl Richter bei der “NPD-Bayerntour” 2013 in Straubing). Foto: tw

Vor Gericht wurde daran erinnert, dass die Beteiligung an Revierkämpfen sich nicht mit dem Bewachungsgewerbe vereinbaren lassen, auch gelte es gerade dort das Gewaltmonopol des Staates zu achten. Roßmüller bekenne sich als Funktionsträger bei den Bandidos zu deren Ausrichtung. Der Verfassungsschutz grenzt die Bandidos und wenige andere Gruppen als „Outlaw Motorcycle Gangs“ (OMCGs) von der Masse der Rockergruppen ab. Auf Roßmüllers politische Aktivitäten gingen die Vertreter des Freistaats dagegen nicht ein.

Gericht weist Roßmüllers Einwände ab

Roßmüllers und sein Rechtsbeistand Frank Miksch verwiesen auf die fehlenden Vorstrafen, fehlende Beschwerden und die ordentliche Unternehmensführung. Ebenso sei der Verfassungsschutzbericht nicht relevant, da Roßmüller mit Mitgliedern anderer Motorradgruppen keine Probleme habe. Das Gericht ließ sich davon nicht überzeugen und wies Roßmüllers Klage ab. Da Tenor und Entscheidungsgründe nicht verkündet wurden, bleibt unklar, was für das Gericht entscheidend war. Die Berufung wurde zugelassen.

Roßmüller ist indes nicht der einzige Fall im ostbayerischen Raum, bei dem es auffällige Verbindungen zwischen Rechtsextremismus mit Bewachungsgewerbe und oder Rockergruppe gibt. Bei Taranis beschäftigte Roßmüller laut der Antwort der Staatsregierung auf eine Anfrage des Landtagsabgeordneten Florian Ritter (SPD) insgesamt vier Mitarbeiter mit rechtsextremen Einstellungen, darunter mit Patrick Schröder den Betreiber des rechtsextremen FSN-TV. (Stand der Antwort: 16.4.2012).

Sicherheitsdienst, Nazi-Klamotten, Rocker

Bereits 2009 berichtete Regensburg Digital über die Burglengenfelder Sicherheitsfirma „B.O.P.D. Security Management“, an die ein rechtsextremer Textilshop („Support Wear Germany“) angeschlossen war. Als Subunternehmer wollte er schon namhafte Persönlichkeiten beschützt haben. Der Shop wurde mittlerweile aufgegeben. Auf seinem FB-Profil posiert der damalige Betreiber nun als Rocker.

Seite von "Support Wear Germany" im Jahr 2009. Der damalige Betreiber geriert sich jetzt als Rocker.

Seite von “Support Wear Germany” im Jahr 2009. Der damalige Betreiber geriert sich jetzt als Rocker.

2008 stellte die NPD in der Oberpfalz einen Stimmkreiskandidaten auf, dessen Berufsbezeichnung mit „Sicherheitspersonal-Ausbilder“ angegeben wurde. Auch nahm er in dieser Zeit an Kundgebungen teil. Bei der kommenden Wahl kandidiert er nicht mehr.

2009 wollten Neonazis aus Schwandorf als Security ausgerechnet ein linkes Konzert in Weiden bewacht haben. Die auskunftsfreudigen Gäste hätten die Aktivisten mit zahlreichen Informationen versorgt. Fotos sollten die Anwesenheit beweisen. Die Veranstalter legten allerdings die Hand für den beauftragten Sicherheitsdienst ins Feuer. Man vermutete, dass die Neonazis kurz das Gelände betraten, Fotos machten und dann wieder abzogen.

Ein ehemaliger Bezirksvorsitzender der NPD, der nach seinem Ausscheiden aus dem Amt nicht mehr größer politisch in Erscheinung getreten ist, bewarb auf Facebook ein Sicherheitsunternehmen, das mit auf seinen Namen lief.

Der Nazi W. ist ein Multitalent

Daniel W., führender Aktivist des rechtsextremen Freien Netz Süd, versucht zur Zeit in mehreren Szenen Fuß zu fassen.

Neben seinem eigenen Final Resistance-Versand ist er auch noch an „Walhall Athletik“ beteiligt, einer Kleidungsmarke mit Bezug zur Free Fight und Mixed Martial Arts-Szene. Zuletzt zeigten Fotos ihn in einem „Support 81“-Shirt vor dem „Nationalen Zentrum Hochfranken“, wie das Freie Netz Süd ihre Immobilie in Oberprex mittlerweile nennt. „81“ steht dabei für die Hells Angels.

Auch will W. laut seinem mutmaßlichen FB-Profil schon an einem City-Run eines lokalen Motorradclubs teilgenommen haben und in Nürnberg bei den dortigen Hells Angels gewesen sein. „Alles Gleichgesinnte“ heißt es im entsprechenden Eintrag.

Nazi-Gang wird Motorradclub

Ebenfalls in Richtung Motorcycle-Gang entwickelt sich die Kameradschaft „Urd & Skult“ rund um den Chamer Neonazi Robin Siener. Der Name stammt aus der germanischen Mythologie, die bei Neonazis großen Anklang findet. Die Gruppe bezeichnet sich selber als „Artgemeinschaft/ Bruderschaft“ und will „unpolitisch“ sein.

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Gibt sich neuerdings ein Rocker-Image: “Urd & Skult”.

Fotos aus Facebook zeigen Mitglieder, neben Siener auch alles bekannte Neonazis aus Ostbayern auf schweren Maschinen. Bei einem Treffen im Mai überreicht man fünf Anwärtern ihre Mitgliedsjacken mit Wappen. Alles Rituale aus der Szene. Bei der Razzia gegen Strukturen des Freien Netz Süd traf es neben Siener noch ein weiteres Mitglied der „Urd & Skult“. In einer eigens verbreiteteren Pressemitteilung verkündeten zwei „Sektionssprecher“ ihren Rücktritt, wohl zum Schutz vor Verbotsmaßnahmen. Nach dieser Mitteilung will man sich 2011 aus politischen Bezügen gelöst haben und sich hauptsächlich auf „Grauzonenkonzerte“ und zu Motorradausfahrten getroffen haben.

CD für NSU-Unterstützer

„Grauzone“ bezeichnet nach der gebräuchlichen Definition eine sehr heterogene, spaßorientierte Musikszene, die strukturelle Verbindungen zur rechtsextremen Szene unterhält, ohne selbst rechtsextrem zu sein. Über freundschaftliche Verbindungen und gemeinsame Auftritte unterstützt das insoweit den Rechtsrock, holt ihn aus dem gesellschaftlichen Abseits.

Der Neonazi Robin Siener in Rocker-Kluft.

Der Neonazi Robin Siener in Rocker-Kluft.

Allerdings sind die von „Urd & Skult“ beworbenen Bands und Konzerte alles andere als grau, sondern deutlich braun. Aktuell wird das Konzertprojekt „Europa erwache“ des Freien Netz Süd auf Facebook beworben. Beste Kontakte hat man zudem zur neonazistischen Gruppe „Klampferitis“, die bei der dann angesagten Gründungsfeier spielen sollten. Die Band tritt in Bayern bei NPD und freier Szene auf und war an einer Unterstützungs-CD für den mutmaßlichen NSU-Helfer Ralf Wohlleben beteiligt, bekam aber auch selbst schon Besuch von Strafverfolgungsbehörden.

Der „1-Prozenter“ zeigt den Hitlergruß

Daneben gibt es auch noch Rocker mit rechtsextremen Einstellungen, die nicht in politischen Gruppierungen organisiert sind und sich in beiden Szenen bewegen.

Hitler-Gruß für die Facebook-Freunde: Der Motorradrocker Sebastian B..

Hitler-Gruß für die Facebook-Freunde: Der Motorradrocker Sebastian B..

Wir dokumentieren hier beispielhaft einen Fall aus der Region: Sebastian B.. Dieser Neonazi unterstützt laut FB-Profil einen lokalen MC, laut einem Aufnäher bezeichnet er sich sogar als „1-Prozenter“, einem Bekenntnis zum Lebensstil, inklusive der enthaltenen Gewaltbereitschaft. Auf seinem FB-Profil agiert er aber eindeutig als Nazi. So finden sich Hitlerbilder, schwarze Sonnen und weitere politisch eindeutig Aussagen. Als Tattoo trägt er den SS-Totenkopf. Diesen konnte er in seiner Stammkneipe zusammen mit dem Hitlergruß auch öffentlich zeigen, was offenbar toleriert wurde, stehen diese Bilder auch weiterhin auf Facebook und werden von Freunden mit entsprechenden Likes auch gutgeheißen.

Klare Bekenntnisse: Das Facebook-Profil von Sebastian B..

Klare Bekenntnisse: Das Facebook-Profil von Sebastian B..

Verfassungsschutz redet Zusammenhänge klein

Thomas Kuban, Autor von „Blut muss fließen“, widmet dieser Verbindung ein ganzen Kapitel. Neonazis fühlten sich nach seinen Beobachtungen im Rockermilieu augenscheinlich wohl, sei es als Mitglied, Anwärter oder Sympathisant eines Clubs. Diese Clubs bauten sich einen Staat im Staate auf, in denen zuerst ihre Regeln gelten. Die Szenen sind ähnlich organisiert, treten vornehmlich als Männerbünde auf und pflegen einen „Männlichkeitskult, der auf Muskeln und Kampfkraft basiert“, so Kuban. Der Verfassungsschutz in Bayern redet die Verbindungen klein, sieht keine ideologische Annäherung, sondern bestenfalls punktuelle Zusammenarbeit. Politische Betätigung, Personalrekrutierung oder politische Agitation würden in Rockerclubs nicht geduldet.

Nicht nur vor dem Hintergrund, dass den Bandidos Roßmüllers NPD-Aktivitäten egal zu sein scheinen und ein andere Rocker sein Nazi-Sein öffentlich auslebt, ist diese Einschätzung durchaus gewagt.

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