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"Mein lieber Schwan"

Befriedung im Streit um Regensburgs Luxusklo: Wie öffentlich ist die Stadt – und für wen?

Es gibt wieder Sitzgelegenheiten am Luxusklo am Schwanenplatz – und eine Kunstinstallation. Bei einem Ausstellungsprogramm des Neuen Kunstvereins wurden Fragen um die Gestaltung einer Stadt, den öffentlichen Raum und Obdachlosigkeit verhandelt.

Großstadtdschungel – die Kunstinstallation im Wartehäuschen am Luxusklo. Fotos: red

„Da können Sie sich hinsetzen“, sagt der Mann und deutet auf die Bank. „Und sich von dem Lärm foltern lassen“, fügt er hinzu, bevor er mit seinem schweren Rucksack eilig weiterzieht. Tatsächlich bietet das kleine Häuschen am Schwanenplatz wieder eine Sitzgelegenheit – nicht nur eine Bank, die zum Verweilen einlädt.

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Die Stadt Regensburg hat nämlich durchaus Humor bewiesen: Zwei der ursprünglich acht farbenfrohen Stühle, die einst im Wartebereich des Luxusklos montiert waren, stehen wieder an ihrem Platz. Bank und Stühle sollen nun dauerhaft bleiben.

Katz-und-Maus-Spiel mit der Stadt beendet

Damit endet ein langwieriger Kampf um die Sitzgelegenheit, die im August 2023 entfernt wurde. Dieser Konflikt entwickelte sich zu einem Katz-und-Maus-Spiel zwischen der Stadt und nächtlichen Aktivisten, die regelmäßig neues Mobiliar in das 900.000 Euro teure Gebäude brachten. Die nun erzielte Einigung führte zur Rückkehr der Sitzmöglichkeiten und einer dreimonatigen Kunstinstallation.

Der „Lärm“, der aus einem Lautsprecher dringt, ist Teil dieser Installation. Mit Urwaldgeräuschen, Pflanzen und einer entsprechend gestalteten Glasfassade verwandelt der Künstler Adam Cmiel den Sitzbereich in einen „Großstadtdschungel“.

Obdachlosen-feindliche Architektur im Fokus.

„Die Welt will gestaltet werden“, sagte Cmiel vergangenen Freitag, als er im Neuen Kunstverein direkt hinter dem Klohäuschen zu Gast war. Doch meist werde mit ihr eher Unfug getrieben. Das viertägige Programm am vergangenen Wochenende im Neuen Kunstverein, treffend „Mein lieber Schwan“ betitelt, kann als Befriedung des Konflikts verstanden werden.

„Haarlinie“ zwischen Aktivismus und Vandalismus

Dieser Konflikt um eine Bank führte schnell zu einer generellen Debatte darüber, wem der öffentliche Raum gehört und wie er gestaltet werden darf, soll und kann. Planungsreferent Florian Plajer war am Sonntag selbst zum Gespräch im Neuen Kunstverein. Es sei oft nur eine „Haarlinie“, die künstlerische Interventionen und ideenbringenden Aktivismus von Vandalismus trenne, sagt er. Diese „Haarlinie“ sei in der Auseinandersetzung am Schwanenplatz stellenweise überschritten worden.

Mehrfach wurden nachts Möbel im Klohäuschen aufgestellt.

Plajer zeigt sich erleichtert darüber, dass vor einigen Wochen Gespräche mit einer der Aktivistengruppen stattgefunden haben. Dadurch habe man die Situation endlich beruhigen können. Der Künstler und Stadtrat Jakob Friedl war ebenfalls beteiligt. Im Austausch mit Anwohnern wurde der Neue Kunstverein schließlich als „demokratische Plattform“ genutzt, erklärte dessen Vorsitzende Renate Haimerl Brosch bei der Vernissage am Donnerstagabend. Kunst könne helfen, Spannungen zu entschärfen.

„(K)Ein Raum für alle“

Weil Kunst aber oft auch Dinge sichtbar machen, den Finger in die Wunde legen und zum Nachdenken anregen will, zogen die gesellschaftlichen Themen rund um das Luxusklo kurzzeitig in die Räume des Kunstvereins ein. Unter dem Titel „(K)Ein Raum für alle“ ließ das Aktions- und Kunstkollektiv Fußabdrücke die verschiedenen Proteste rund um die abmontierte Bank Revue passieren. Fotos, eine Presseschau und ein Bauplan für eine Bank aus Stühlen waren zu sehen – das hätte mit den entwendeten bunten Stühlen passieren sollen, wenn die Polizei nicht aufgetaucht wäre.

Per Bewegungsmelder wurden die Besucher davor gewarnt, sich auf Kissen auf einer Fensterbank zu setzen. Nicht weil das gefährlich gewesen wäre, sondern um die digitalen Möglichkeiten von defensiver Architektur, also der Verdrängung von Menschen aus dem öffentlichen Raum, zu demonstrieren. Im Raum nebenan waren zudem Spikes und Metallelemente in den Schaufenstern installiert – Elemente, die als Anti-Obdachlosenarchitektur oder defensive Architektur bezeichnet werden und in Städten durchaus Anwendung finden.

Planungsreferent verspricht: Keine defensive Architektur in Regensburg

Nicht aber in Regensburg, versichert Plajer am Sonntagabend. Die Stadt stehe erst einmal allen offen. Öffentliche Plätze müssten zugänglich sein. Allerdings bestehe um jeden Ort immer auch ein Ausverhandlungsprozess. Verschiedene Interessen müssten berücksichtigt werden, der Ausgang von Gestaltungsmaßnahmen sei oft ungewiss.

Auch eine Presseschau zur Debatte ums Luxusklo war Gegenstand der Ausstellung.

Am Beispiel Schwanenplatz wurde das besonders deutlich: Kaum war die neue Bank vergangene Woche montiert, wurden erste Sticker entfernt. Irgendetwas an dem Ort „pickst“, sagte Plajer. Das sei durchaus spannend. Man müsse nun verfolgen, wie das Klo als temporärer Kunstraum angenommen werde.

Regensburg sei aber mehr als der Schwanenplatz und auch mehr als die Altstadt, betont Plajer. Man müsse auch die anderen Stadtteile in den Blick nehmen. Burkard Wiesmann, Sprecher des Bürgervereins Südost, erwähnt die Landshuter Straße und äußert Bedenken zur geplanten temporären Obdachlosenunterkunft im ehemaligen Divisionsgebäude. Ob das wirklich ein geeigneter Ort sei, fragt Wiesmann. Wenn die Stadt an den Plänen aber festhalte, müsse zumindest der Raum um das Hochhaus herum umgestaltet werden. Jetzt wirke es so, als wolle man Obdachlosigkeit hinter dem hohen Metallzaun aus dem Blickfeld schaffen.

Obdachlosigkeit als zentrales Thema

Obdachlosigkeit war eines der zentralen Themen am vergangenen Wochenende. Schließlich wurde die Sitzbank am Schwanenplatz 2023 abmontiert, nachdem eine obdachlose Frau in Konflikt mit der Stadt geriet. Darüber hinaus ist der Umgang mit Betroffenen seit vielen Jahren ein politisches Thema in Regensburg. Das zeigt die Debatte um dezentralen Ersatz für die zentrale Notunterkunft in der Aussiger Straße.

Der Alltag aus der Sicht von Klientinnen bei Drugstop.

Die städtischen Einrichtungen seien aber nicht für jeden geeignet, erklärt Samuel Buchner Freitagabend in einer Gesprächsrunde im Kunstverein. Buchner war selbst längere Zeit obdachlos. Heute ist er in der Drogenhilfe Drugstop aktiv. Psychische Gründe könnten eine Rolle spielen, erklärt er. Andere hätten Angst, dass ihnen in den Unterkünften ihre Sachen gestohlen werden. Mit günstigen Schließfächern könnte die Stadt hier aushelfen, so Buchner. Er sei damals selbst täglich mit seinem vollbepackten Rucksack unterwegs gewesen. „20, 25 Kilo“ habe der gewogen.

Auch für ihn seien die Unterkünfte keine Option gewesen. Es sei eine Form der Selbsterfahrung gewesen. Eine Gesellschaft müsse es aushalten und sogar zugestehen, wenn Menschen auf öffentlichen Plätzen nächtigen. Von einem „Recht auf Obdachlosigkeit“ sprach Buchner deshalb. Er sei aber immer wieder von Ordnungshütern vertrieben worden – weil er ja in die Unterkünfte hätte gehen können.

Es gibt Drogenkonsumräume – aber nicht offiziell

Ronja Schmidt, Streetworkerin bei Drugstop, brachte das etwa in München angewandte Konzept „Housing first“ auf. Menschen bräuchten schlicht ein eigenes Dach über dem Kopf. Um effektiv und nachhaltig zu helfen, dürften Wohnungen nicht an Bedingungen wie Abstinenz oder Teilnahme an bestimmten Programmen geknüpft werden.

Der Andrang am Wochenende war groß.

Was Obdachlosigkeit insbesondere für Suchtkranke bedeuten kann, das belegt die von Schmidt organisierte zweiteilige Fotoausstellung im Kunstverein. Ursprünglich zu Dokumentationszwecken angefertigte Fotos zeigen dabei verschiedene Orte in der Stadt, an denen Drogen konsumiert werden. Denn auch wenn der Freistaat Bayern keine offiziellen Drogenkonsumräume erlaube, gebe es diese Räume natürlich trotzdem. In den auf den Bildern abgebildeten verlassenen Gebäuden, zwischen Büschen und an Verkehrstrassen bestehe allerdings die Gefahr für Infektionen.

Bereits 2019 hatte eine Mitarbeiterin von Drugstop den Klienten und Klientinnen Wegwerfkameras in die Hand gedrückt. Damit hielten sie ihren Alltag fest. „High sein heißt nicht frei sein“, war auf einem Bild zu lesen. „Bin da und will nicht da sein“, erklärte eine der Personen mit Bezug zum Bahnhof. Auch die tägliche Busfahrt zu „Bonni“ wurde festgehalten – gemeint ist der Substitutionsarzt Eduard Boniakowski. Passend zur Dult gab es auch ein Foto von einer Festkutsche mit Bierfässern. Titel: „Legaler Drogentransport“.

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Kommentare (4)

  • tom lehner

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    Ich liebe es.

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  • Daniel Gaittet

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    Bank und Stühle scheinen sich gut zu vertragen. Gefällt mir.

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  • growth mindset

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    Das ist eine Bank
    („Eine Bank sein”, erklärt der Duden, bedeutet als umgangssprachliche Redewendung „ein sicherer Erfolg sein“.) Eigentlich nichts Aufregendes. Aber am Schwanenplatz in Regensburg hat es die Luxusbedürfnisanlage (zumindest, was den Preis betrifft) mit angrenzendem Wartebereich und dem „Bohei“ darum, sogar für überregionale Aufmerksamkeit gesorgt. (BR Quer und Presse)
    Die Bank wurde jetzt glücklicherweise wieder montiert und lädt dazu ein, sich über weitere „städtische, sanitäre Baustellen“, vor der beginnenden Freiluftsaison, Gedanken zu machen. Die öffentliche Toilette am Neupfarrplatz, am Brücktor-Museum und am oberen Wöhrd (oft nicht zumutbar oder deshalb vorübergehend gesperrt) und weitere fehlende „Erleichterungsstationen“ sind kein Aushängeschild für Regensburg.
    Fairerweise, muss man sagen, dass diese Zustände nicht allein die Schuld der Stadt sind, sondern der Unvernunft und dem Vandalismus vieler Benutzer, geschuldet ist.
    Wohl dem Besucher der Stadt, der nicht zwingend darauf angewiesen ist.

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  • Madame

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    Für die Touristen Bänke und die Minderheit nur ausgewergelte Stühle , juchheissa.

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