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Freie Wähler fordern öffentliche Information

Geheimniskrämerei um Dauerbaustelle

Stadtrat Ludwig Artinger hat den Eindruck, „dass Informationen zurückgehalten werden“. Das ist noch milde ausgedrückt. Steinerne1Bis mindestens 2017 – also vier Jahre länger als ursprünglich geplant – wird die Sanierung der Steinernen Brücke dauern. Das hat die Stadt Regensburg letzten Freitag gegenüber der Mittelbayerischen Zeitung bestätigt. Ansonsten gab es – man gewöhnt sich langsam daran – nur spärliche Auskünfte. Bei der bedeutendsten Baustelle im Welterbe Regensburg scheint es in letzter Zeit so zu sein, dass man von städtischer Seite eher damit beschäftigt ist, Meldungen zum aktuellen Stand in verschiedenen Medien abzuwarten und sie dann zu kommentieren – oder eben nicht.

„Aus Gründen der Informationsfreiheit öffentlich“

Den Freien Wählern ist nun der Kragen geplatzt. Deren Fraktionsvorsitzender Ludwig Artinger fordert nun einen jeweils halbjährlichen Bericht an den Stadtrat. „Dieser Bericht sollte aus Gründen der Informationsfreiheit, soweit rechtliche Gründe dem nicht entgegenstehen, in öffentlicher Sitzung vorgetragen werden, um auch die interessierten Regensburger über den aktuellen Stand zu informieren“, so Artinger in seinem Antrag, der in einer der nächsten Sitzungen behandelt werden dürfte. „Es entsteht bei den Stadträten und auch bei den Bürgerinnen und Bürgern der Eindruck, dass hier Informationen zurückgehalten werden.“ Dieser Eindruck ist beileibe nicht von der Hand zu weisen.

Keine Mehrkosten?

Tatsächlich reagiert die Stadt auf entsprechende Anfragen zu den Bauverzögerungen wenig informativ. Eher beschwichtigend und ausweichend. Und insbesondere die Aussage, dass durch die Verzögerungen keine Mehrkosten entstünden, erscheint kaum glaubwürdig. Widerspricht sie doch den Angaben, die das Tiefbauamt selbst noch im vergangenen Jahr in einer nichtöffentlichen Sitzungsvorlage getroffen hatte. Im November 2011 lagen die Schätzungen der Verwaltungsexperten demnach bei Mehrkosten von rund einer halben Million Euro. Wörtlich heißt es in der ausführlichen Vorlage:
„Durch die Bauzeitverlängerung ergeben sich Folgekosten für die Stadt Regensburg. Nach einer ersten Schätzung verteilen sich diese auf die Vorhaltekosten für Gerüst und Schutzdach BA (Bauabschnitt, Anm. d. Red.) 1: 125.000 €, Zusätzliche Herstellungskosten für 3 Stegelemente Behelfssteg BA2: 295.000 €.“
Hinzu kämen „Folgekosten Dritter“, Mehraufwand für Planungen und der eventuelle Verlust von Fördergelder, die noch nicht beziffert werden könnten. Bei einer kalkulierten Gesamtsumme von 20 Millionen Euro für die Sanierung der Steinernen mag eine halbe Million für manchen vielleicht nicht ins Gewicht fallen, doch von keinen Mehrkosten zu sprechen, ist doch etwas untertrieben.

Sanierungsfirma: Clinch von Beginn an

Hintergrund des Berichts der Verwaltung waren dauerhafte Probleme mit der Firma, die den Zuschlag für die Sanierungsarbeiten erhalten hatte: die im Allgäu ansässigen Pfanner Werkstätten waren mit den Arbeiten von Anfang an in Verzug. Offenbar hatte man dort nicht genügend Kapazitäten, um die Arbeiten fristgerecht durchzuführen. Pfanner monierte im Gegenzug ein immer wieder mangelhaftes „Leistungsverzeichnis“. Die auszuführenden Arbeiten seien dort nicht klar angegeben worden. Bereits damals wurde verwaltungsintern diskutiert, ob man der Firma den Auftrag nicht entziehen sollte. Allerdings entschied man sich aufgrund des Prozess-Risikos sowie der Gefahr weiterer Verzögerungen dafür, den Auftrag zunächst bei Pfanner zu belassen. Im April 2012 schließlich zog die Stadt aber dann doch die Reißleine (unser Bericht). Bereits damals erfuhren die Stadträte davon erst aus den Medien. Und ähnlich lief es nun mit der Meldung, dass sich die Fertigstellung um ein weiteres Jahr verzögern wird. Derzeit befindet sich die Stadt Regensburg in einem ersten Rechtsstreit – weitere dürften folgen – mit der Firma Pfanner. Weil das Unternehmen bei der Ausschreibung für den nächsten Bauabschnitt nicht berücksichtigt wurde, hat es Klage eingereicht.

Ein zweifelhaftes Angebot

Für den ersten Bauabschnitt hatte Pfanner seinerzeit den Zuschlag erhalten, weil es unter sechs ausgewählten Fachfirmen das bei weitem billigste Angebot abgegeben hatte. Zu einem Preis von 679.585,20 Euro wollte das Unternehmen die Arbeiten seinerzeit durchführen können. Zum Vergleich: Das nächstgünstigste Angebot lag bei rund 800.000 Euro. Der teuerste Anbieter kalkulierte knapp das Doppelte. Ein Nachprüfungsantrag der Freien Wähler angesichts dieser doch recht breiten Spanne fand seinerzeit keine Mehrheit im Stadtrat.
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Kommentare (7)

  • Konrad Fischer

    |

    Da wüßte man doch gerne, wie es mit der Voruntersuchung und Planung aussah? Eigentlich wäre aus angemessener Projektvorbereitung eine produktneutrale Ausschreibung geschuldet, die allen Bietern die notwendigen preisbildenden Umstände mitteilt, dadurch Nachträge vermeidet und Kostenexplosion sowie Terminkatastrophe sicher entgegenwirkt. So jedenfalls die HOAI-Rechtsprechung.

    Was ich aecht fies finde, einer Firma die Nachtragsforderungen vorzuhalten. Wenn die Planung Murkspfusch ist und den tatsächlichen Leistungsbedarf nicht trifft, das soll es ja vor allem bei allzugünstig beauftragten HOAI-Unterschreitern und auch bei nachlässigen Baubeamten geben, sind Nachträge auftraggeberseits geschuldet. So die VOB-Rechtsprechung.

    Interessant wäre auch die Frage, ob wie so oft Hintenrumplanung zur produktgespickten Ausschreibung führte. Ganz leicht erkennbar an den typischen Korruptionsfloskeln wie “Produkt XY oder gleichwertig”. Dann hatte irgendein Hersteller die schmutzigen Hände im Planungsspiel und Planerversäumnisse sind dann Legion.

    Hier müssen echte Profis ran, um schuldrechtlich aufzuklären. Anders wird das nix.

  • Marvin

    |

    Berliner Flughafen ist wohl eher fertig… :-)
    Freie Wähler – “gefällt mir”

  • Bürgerblick

    |

    Schuldfrage:

    Schlechte Planung oder schlechte Ausführung?

    Die bisher durchgeführten Werkleistungen der Fachfirma zur Sanierung sind als mangelfrei und werkgerecht von der Stadt abgenommen worden.
    Kann die Art der Ausführung dieser Teilleistung aus der Leistungsbeschreibung(Auftrag) abgelesen werden?
    Wenn nein, so liegt ein Planungsfehler zur Leistungs- beschreibung vor.
    Deshalb ist alles klar und es bedarf keines Streites , sondern die Fortfürung der werkgerechten Sanierung, die scheinbar mehr Ausführungszeit beansprucht als vom Bauherrn(Stadt) und dem Planer angedacht.
    Ein Zeitplanfehler ? Jetzt hat die Stadt mit dem Planer das eingesehen und das Zeitfenster der Fertigstellung bis 2017
    aufgezeigt.
    Die ursprüngliche Zeitplanung der Fertigstellung war bei 2014.
    Also wo liegt denn nun die Schuld?
    Diese Frage sollten nicht die Gerichte entscheiden sondern die Fakten, die aus den Werkverträgen ablesbar sind.
    Ein Gericht mit einem zugeschalteten Gutachter kann auch nur das ablesen was im Werkvertrag steht.
    Die Stadt hat europaweit die “besten” Planer und die besten “Werker” gesucht und selbst bewertet dass sie gut ausgesucht hat.
    Jetzt nach dem ersten Abschnitt soll das Gericht diese hochkomplexe Auswahlwertung bewerten und im Nachhinein das damals gefundene Ergenis der Stadt neu beurteilen?
    Das geht schief und hilft der Sache (Brücke) nicht
    und kostet noch mehr Zeit und Geld als vorgeplant.
    Wie denn?

  • Bob

    |

    Guten Morgen!

    Alles nicht verwunderlich.

    Da wird ein Auftrag an den mit Abstand billigsten Anbieter vergeben – und man muss regelrecht davon ausgehen, dass das in der angebotenen Variante zunächst nicht auskömmlich ist.

    Gleichzeitig ist schon die Planung Murks, und von wirksamer Bauaufsicht durch Kommune braucht man auch nicht sprechen – Regensburg will immer zu viel mit immer zu wenig Personal.

    Man bekommt es, wie man es sich einrichtet.

    B.

    P.S.: Seltsame Geheimniskrämerrei gibt es auch in Sachen einer gewissen Schulturnhalle.

  • Planer

    |

    @ Bob

    Das Problem bei öffentlichen Aufträger ist halt nun mal, dass man sie an den Billigstbieter vergeben muss, wenn man dem nicht nachweisen kann, dass er unfähig ist oder ein Dumpingangebot abgegeben hat.

    Unfähigkeit bemerkt man meistens erst wenn bei der Auftragsausführung was nicht klappt.

  • Konrad Fischer

    |

    Es ist ein Märchen, daß bei öffentlichen Aufträgen immer an den Billigheimer vergeben werden muß. Das dafür anzuwendende Regelwerk “VOB/A” fordert ganz im Gegenteil eine hochgradig exakte Leistungsbeschreibung, differenzierte Vorgabe der notwendigen Anforderungen an die Bieter sowie deren feinkörnige Prüfung, die – alle richtig angewendet – jede Billigbieterei sicher ausschließen. Voraussetzung sind nur eine fachlich angemessene Voruntersuchung des erforderlichen Maßnahmenaufwands sowie die zuverlässige Anwendung des Vergaberegelwerks.

    Wenn es daran hapert, wird jeder Bau zur vorprogrammierten Katastrophe. Und da manche Planer den damit verbundenen Aufwand scheuen, lassen sie sich die Ausschreibung korruptiv von externen – teils sogar später am Vergabeverfahren beteiligten – “Freunden” schenken.

    Wie gesagt: Mal gucken, ob hier und da “Produkt XY oder gleichwertig” drinsteht. Das ist verboten und zuallermeist ein sicheres Zeichen für Vergabekorruption.

    So einfach ist das.

  • „Wir sind die Esel“ | Regensburg Digital

    |

    […] einer nichtöffentlichen Sitzungsvorlage rechnet die Stadtverwaltung angesichts der Verzögerungen mit Mehrkosten von mindestens 500.000 Euro. Das Angebot des Unternehmens lag ursprünglich bei rund 680.000 Euro. Wer das letztlich zahlen […]

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drin