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"Beschäftigte zweiter Klasse"

Dumpinglöhne am Uniklinikum Regensburg: Jetzt droht ein unbefristeter Streik

Mit einer Plakatkampagne machen die Niedrigverdienerinnen am Universitätsklinikum Regensburg auf ihre Situation aufmerksam. Ab Mai will man mit einem unbefristeten Streik eine Tarifangleichung erzwingen.

Am Montag beteiligten sich über 100 KDL-Beschäftiogte aus Regensburg an einer Demonstration in Würzburg. Fotos: pm/privat/red

Das Thema ist den Verantwortlichen merklich unangenehm. Auf Fragen dazu, wie man sich in den Tarifauseinandersetzung mit der Krankenhausdienstleistungsgesellschaft (KDL mbH) am Universitätsklinik Regensburg (UKR) weiter zu verhalten gedenkt, antworten KDL-Geschäftsführer Philipp Atzler und die Leitung des UKR nicht. Man beruft sich auf „noch zu klärende juristische Fragestellungen“.

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Deshalb bleibt offen, ob man mit der Gewerkschaft ver.di und den Vertreterinnen der Beschäftigten nun doch irgendwann Gespräche führen wird oder ob weiter versucht wird, juristisch gegen die Streikmaßnahmen vorzugehen. „Die Geschäftsleitung und die Gesellschafter der KDL stehen zu den Maßnahmen im engen Austausch“, heißt es lediglich.

Urabstimmung: Bereits 70 Prozent pro Streik

Dass die Auswirkungen der sich verschärfenden Auseinandersetzung zunehmend spürbar und sichtbar werden, zuletzt bei einem neuerlichen zweitägigen Warnstreik am Montag und Dienstag, an dem sich erneut über 100 Beschäftigte beteiligt haben, räumen Geschäftsführung und UKR-Vorstand aber durchaus ein. Auch wenn eine Notfallversorgung sichergestellt sei.

Anfang Mai droht nun ein unbefristeter Streik, der diese Situation weiter verschärfen könnte. An der derzeit laufenden Urabstimmung haben sich nach Auskunft von Gewerkschaftsvertretern bislang rund 70 Prozent der KDL-Beschäftigten beteiligt. „Von diesen haben sich alle für einen Erzwingungsstreik ausgesprochen“, sagt Beqir Berisha von ver.di. Nötig ist eine Zustimmung von 75 Prozent.

Löhne am untersten Rand – obwohl die öffentliche Hand Mehrheitsgesellschafter ist

Wie mehrfach berichtet, fordern die Beschäftigten der 2006 gegründeten „Servicegesellschaft“ eine Angleichung an den Tarifvertrag der Länder. Der gilt für alle, die direkt beim UKR angestellt sind. Bei der KDL wird hingegen der Rahmentarif für Gebäudereiniger angewandt, knapp über Mindestlohn – 13,50 Euro die Stunde, unabhängig von der Beschäftigungsdauer, keine Zuschläge, kein Weihnachtsgeld, keine betriebliche Altersvorsorge, keine Corona-Prämie oder Inflationsausgleich.

„Angesteckt haben wir uns zwar genau so wie alle anderen am Uniklinikum auch, aber wir werden als Beschäftigte zweiter Klasse behandelt“, sagt uns ein Betroffener im Gewerkschaftshaus, wo man sich am Dienstagmorgen getroffen hat, um die nächsten Schritte zu besprechen.

Angestellte bei der KDL sind unter anderem für die Reinigung zuständig, sie arbeiten beim Hol- und Bringdienst, der Patientenbegleitung, beim Winterdienst oder in der Spülküche.

Niedrige Löhne für Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund

Monatliche Gehaltsunterschiede im Vergleich zum Ländertarif von 1.000 Euro und mehr sind keine Seltenheit – teils geht es um ein Plus oder Minus von über 45 Prozent. Hauptbetroffene dieses Lohndumping-Modells, das zeigt auch ein Blick auf die Anwesenden im Gewerkschaftshaus: Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund.

Die KDL-Geschäftsführung hat laut ver.di und Betriebsrat bislang jedwedes Gespräch verweigert, ebenso die Leitung des UKR. Stattdessen wurde erfolglos versucht, die Streikmaßnahmen per Unterlassungsklagen zu unterbinden.

Bei Betriebsversammlungen habe die Geschäftsführung unter anderem damit gedroht, Insolvenz anzumelden, die Gesellschaft zu veräußern oder auch mit Kündigungen, hört man von Beschäftigten. Das Auftreten des Geschäftsführers sei zum Teil „sehr unsouverän und emotional“ gewesen.

Juristische Schritte des Arbeitgebers bislang erfolglos

Der Ärztliche Direktor des UKR setzte gegenüber der Mittelbayerischen Zeitung zuletzt Zweifel an der Zulässigkeit der Streikmaßnahmen in die Welt. Dabei war man mit einer entsprechende Klage gerade erst krachend gescheitert.

Mit soln Plaaten machen die KDl-Beschäftigten nun auf ihre Situation aufmerksam.

Am Uniklinikum mussten wegen der Warnstreiks offenbar bereits Operationen verschoben werden. Das belegen Aussagen von Beschäftigten bei KDL, aber auch direkt am UKR, die unserer Redaktion vorliegen. Zwar gibt es einen Notdienst, um eine Gefährdung des Patientenwohls auszuschließen.

„Aber der Arbeitgeber soll auch spüren, dass seine Verweigerungshaltung Konsequenzen hat“, so Berisha. Deshalb habe man diesen Notdienst auch scharf kalkuliert – entsprechend der generellen Personalsituation bei der KDL, wo angesichts der prekären Bedingungen die Fluktuation „sehr hoch“ sei. Von ehemals fast 350 Beschäftigten sind demnach aktuell keine 300 geblieben. „13,50 die Stunde nimmt man nur, wenn man sonst keine Wahl hat“, so eine alleinerziehende Mutter.

Fotos von verschiedenen Stationen, die uns vorliegen, zeigen Müll, der sich stapelt, ungemachte Betten, die im Gang aufgereiht werden und Zimmer, bei denen sich die Reinigung verzögert.

Staatsregierung „wacker an der Seite der Arbeitgeber.“

Die KDL mbH gehört zu 49 Prozent dem Regensburger Putzimperium Götz, das Uniklinikum hält mit 51 Prozent aber die Mehrheit – und damit letztlich der Freistaat. Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) ist Vorsitzender des Aufsichtsrats am UKR.

Man habe Blume angeschrieben und gebeten, sich einzuschalten, sagt ver.di-Vertreter Beqir Berisha. Auch weil das Thema ausgelagerte Servicegesellschaften nicht nur Regensburg betrifft, sondern unter anderem auch die Universitätsklinken Erlangen und Würzburg – am Montag wurde dort zusammen demonstriert. Doch vom Wissenschaftsministerium habe es keinerlei Rückmeldung gegeben.

Wenn ein neuer Gebäudetrakt eröffnet werde, dann würden sich Vertreter der Staatsregierung gerne öffentlich zeigen und betonen, wie wichtig ihnen die Gesundheitsversorgung sei, so Berisha. „Aber wenn es um die Beschäftigten geht, dann duckt man sich weg und steht wacker an der Seite der Arbeitgeber.“

Ausgelagerte Service-GmbHs sind kein Naturgesetz

Sofern die Geschäftsführung kein Gesprächsangebot unterbreite, werde man ab Mai in einen unbefristeten Erzwingungsstreik treten, kündigt Berisha am Dienstag unter dem Beifall der anwesenden Beschäftigten an.

Das Beispiel Nürnberg, wo die 850 Beschäftigten der Service-GmbH zum 1. Januar 2024 wieder in den Tarifvertrag der Länder zurückgekehrt sind, zeige, dass sich eine solche Auseinandersetzung lohne. Dort habe der unbefristete Streik damals gerade vier Tage gedauert. In Regensburg werde man das im Zweifel aber auch mehrere Wochen durchziehen.

Mit solchen Plakaten wollen Gewerkschaft und Beschäftigte nun auf die Situation bei der KDL aufmerksam machen.

Bereits in den nächsten Tagen will man mit einer Plakatkampagne in Regensburg starten. Mit Slogans wie „Ohne uns steht das Krankenhaus still, aber bei unseren Löhnen bewegt sich nix!“ oder „Sauberkeit im Krankenhaus klappt nicht mit schmutzigen Löhnen.“ Viele wüssten überhaupt nicht, dass es die KDL gebe und wie mit den Beschäftigten umgegangen werde, sagt Berisha. Das müsse sich ändern. „Ihr sollt zum Thema der Stadt werden.“


Anmerkung der Reaktion: Mehrere Fotos, die Müllberge und nicht gemachte Betten am Uniklinikum zeigen, haben wir auf Bitten des UKR entfernt.


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Kommentare (4)

  • Wolfgang Theine

    |

    Wir diskutieren auf RD ja nicht zum ersten Mal über dieses Problem, an sich ist ja bereits alles gesagt.
    Dass die öffentliche Hand sich hier wegduckt und die Verantwortungauf den 49% -Gesellschafter Götz schiebt, ist der eigentliche Skandal.
    Und den oberen Gehaltsklassen Verbesserungen zu gewähren (wenn auch nur durch Streik erzwungen), und bei den Mindestlohnempfängern mit Insolvenz, Schließung, Kündigung und mit dem Gericht zu drohen, ist mehr als schäbig.
    Andere Kliniken scheinen es ja auch zu können ( Nürnberg, Augsburg u.a.) Wenn es in Regensburg so schlecht aussieht, müsste man das Augenmerk vielleicht einmal auf mögliches Missmanagement richten.
    Und wenn es finanziell gar nicht mehr geht, muss die Gesellschaft, d. h. jeder einzelne von uns, bereit sein, für die Gesundheitsversorgung mehr zu bezahlen.
    Auf dem Rücken ausgerechnet der Ärmsten zu sanieren, kann jedoch nicht die Lösung sein.

  • Daniela

    |

    Ich relativiere das jetzt erstmal. Niedriglohnempfänger erhalten i.d.R., wegen Miete und sonstigen Ansprüchen, Sozialtransferleistungen, um ihre Lebenshaltungskosten finanzieren zu können. ( Miete in Regensburg ist ja nicht günstig i.d.R.)
    Sie erhalten also Gelder/ oder Vergleichbares von, Kommune, Land und Staat, je nach Leistung.

    Jetzt frage ich, wenn es auch ein anderer ‘öffentlicher Finanzierungstopf’ ist, warum kann man diese Menschen nicht gleich regulär im UKR anstellen und besser bezahlen?

    Das Götz nicht allein verantwortlich ist, ist ja kein Geheimnis, er hält 49% der KDL.

    Alles Andere, wie: ‘… Bei Betriebsversammlungen habe die Geschäftsführung unter anderem damit gedroht, Insolvenz anzumelden, die Gesellschaft zu veräußern oder auch mit Kündigungen, hört man von Beschäftigten. …’

    Was sollen solche Drohungen?!

    Nur zu, meldet Insolvenz an! Oder verkauft! Oder kündigt! Spätestens dann, wird es eine Neuorientierung geben müssen beim UKR. Und ob ein gekündigter Mitarbeiter zurück kommt, oder eventuell eine neue berufliche Tätigkeit findet, bliebe dann ab zu warten. Gute zuverlässige Arbeitskräfte, zudem mit sozialer Kompetenz im Umgang mit Menschen werden immer gebraucht.

    Nichts ist so sicher, wie der Wandel.

  • Wolfgang Theine

    |

    @Anmerkung der Redaktion
    Schade, dass r-d dem Verlangen des UKR nachgab. ( nachgeben musste? )
    Die Bilder zeigten eindrucksvoll den Wert dieser unterbezahlten Arbeit, wenn sie nun augenblicklich nicht mehr gemacht wird.
    Ich wundere mich sowieso darüber, wie wenig Resonnanz dieses wichtige Thema inzwischen bei der r-d Community spielt.
    Dieser Verwunderung gab ein Dr. Gagginger bereits am 23.März 20:45 ( Warnstreik am Uniklinikum) wie folgt Ausdruck:
    “In Nürnberg war es nach Jahrelangem Kampf endlich möglich, die vor über 20 Jahren erfolgte Ausgliederung der Servicekräfte rückgängig zu machen.
    Das sollte Mut und Ansporn für weitere Arbeitskämpfe sein.
    Auch ein Uniklinikum wäre ein Fall für ein Tariftreuegesetz…
    Auffällig nur, dass die sonst so diskussionsfreudige und (von außen betrachtet) zunehmend leicht erregbare RD Community hier nix beizutragen hat.”

    Ich hoffe, dass r-d an diesem wichtigen Thema, welches uns sicherlich noch lange begleiten wird, dranbleibt, und die UKR Servicekräfte nicht anderen Aufregerthemen unserer schnelllebigen Zeit zum Opfer fallen.

Kommentare sind deaktiviert

drin