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Eskalation bei NPD-Aufmarsch

Innenministerium nimmt Polizei in Schutz

„Nach derzeitigem Kenntnisstand verhältnismäßig.“ So lautet das Urteil des bayerischen Innenministeriums über den Polizeieinsatz zur Räumung einer Blockade gegen den NPD-Truck am 5. September in Regensburg. Das geht aus einer Antwort von Joachim Herrmann auf eine Anfrage der Landtagsgrünen vom 25. Oktober hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Bei der brutalen Festnahme eines 22jährigen redet der Innenminister um den heißen Brei herum. Wir veröffentlichen unten ein weiteres Video.
Ein Rippenbruch, Gehirnerschütterung, Prellungen: "Kollateralschäden" einer Festnahme, bei der nicht einmal Personalien aufgenommen wurden. Foto: red

Ein Rippenbruch, Gehirnerschütterung, Prellungen: “Kollateralschäden” einer Festnahme am 5. September, bei der nicht einmal Personalien aufgenommen wurden. Foto: red

Wie berichtet, demonstrierten am 5. September rund 2.000 Menschen friedlich gegen den Aufmarsch der NPD in Regensburg. Nachdem das braune Schauspiel vor dem Westportal des Doms beendet war, blockierten zahlreiche Menschen – das Innenministerium spricht in seiner Antwort von „ca. 200“ Personen – die Wegfahrt des NPD-Trucks. Beamte des Spezialkommandos USK begannen nach vorhergehender Ankündigung die Sitzblockade zunächst vergleichsweise umsichtig zu räumen. Unterdessen rollten von hinten der NPD-Truck und ein Begleitbus im Zentimeterabstand durch die Menschenmassen am Domplatz – abgeschirmt durch eine Kette aus Beamten der Bereitschaftspolizei. Als es immer enger wurde und die Polizisten zunehmend zwischen Gegendemonstranten und Lkw eingeklemmt wurden, kam schließlich Pfefferspray zum Einsatz, das wahllos in die Menge gesprüht wurde. „Alle anwesenden Personen mussten nach den Lautsprecherdurchsagen mit Zwangsmaßnahmen der Polizei rechnen“, hieß es dazu eine Woche nach dem Einsatz in einer Stellungnahme des Polizeipräsidiums gegenüber unserer Redaktion.
Umsichtiges Handeln? Lkw und Busse rollen im Zentimeterabstand durch die Menschenmassen. Der Druck auf die Einsatzkräfte steigt. Foto: Herbert Baumgärtner

Umsichtiges Handeln? Lkw und Busse rollen im Zentimeterabstand durch die Menschenmassen. Der Druck auf die Einsatzkräfte steigt. Foto: Herbert Baumgärtner

Daneben kam es zu mehreren rabiaten Festnahmen. Drei davon hat unsere Redaktion auf Video festgehalten. Von keiner der so festgenommenen Personen wurden die Personalien aufgenommen, geschweige denn das Anzeige gegen sie erstattet worden wäre. Ein 22jähriger erlitt dabei einen Rippenbruch und eine leichte Gehirnerschütterung. Das von uns veröffentlichte Video (siehe unten) war mit ein Auslöser der Grünen-Anfrage ans bayerische Innenministerium. Das Innenministerium schließt sich in seiner Antwort (als PDF) den Ausführungen des Polizeipräsidiums weitgehend an. Der Einsatz sei verhältnismäßig und notwendig gewesen und entsprechend nicht zu beanstanden. Pfefferspray habe gesprüht werden müssen, um den Druck von den Einsatzkräften zu nehmen. Erstaunliches liest man zu den Videoaufnahmen, welche die Festnahme des 22jährigen zeigen. Unter anderem ist darauf zu sehen, wie einer der drei beteiligten Beamten den Kopf des regungslos auf dem Boden liegenden jungen Mannes per Knie mit Wucht auf das Kopfsteinpflaster schlägt.

Beamte sind namentlich bekannt

Die Beamten seien „namentlich bekannt“, so Innenminister Herrmann. Der junge Mann sei durch die Polizeikette „nach hinten geschoben“ worden, wo er „zu Boden fiel“. Aus welchen Gründen auch immer. Der 22jährige sollte anschließend „zur Abklärung des Sachverhalts“ in einen gesicherten Bereich gebracht werden. Doch zuvor seien ihm „aus Gründen der Eigensicherung“ Handschellen angelegt worden. „Dies wurde unter Anwendung unmittelbaren Zwangs durchgesetzt, da die Person sich massiv gegen die Fesselung sperrte“. Ob dieser im Video festgehaltene „unmittelbare Zwang“ verhältnismäßig war oder nicht, wird vom Innenminister nicht beurteilt. Allerdings wird unumwunden eingeräumt, dass „in dieser Situation kein konkreter Vorwurf einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit erhoben werden konnte“. Für die Aufnahme der Personalien sei keine Zeit geblieben, man habe lediglich einen Platzverweis erteilt, den der Betroffene übrigens mit „Verpiss Dich“ wiedergibt.

Standardprozedur „zu Boden fallen“?

Wie die weiteren Videoaufnahmen unserer Redaktion belegen (eine davon zeigen wir unten), scheinen auch andere Personen, die „nach hinten geschoben“ wurden, stets irgendwie „zu Boden gefallen“ zu sein. Ebenso wurden den Betroffenen, wohl ebenfalls „zur Eigensicherung“, Handschellen angelegt und offenbar war stets „unmittelbarer Zwang“ nötig, der sich – wenn ich auch nicht derart rabiat wie bei dem 22jährigen – darin äußerte, dass man das Gesicht der Festgenommenen mit dem Knie aufs mit Glasscherben übersäte Kopfsteinpflaster drückte. Eine Standardprozedur? Das mag man vermuten, genau festzustellen ist es nicht. Unser Kameramann erhielt, nachdem er zunächst vom Filmen abgehalten wurde, Platzverweis. „Zu Ihrem eigenen Schutz“, wie der dafür verantwortliche Beamte ihm mitteilte.

Ermittlungen bei Staatsanwaltschaft Regensburg

Derzeit liegen laut Innenministerium vier Strafanzeigen gegen Polizeibeamte vor. Es laufen sieben Ermittlungsverfahren gegen Demonstranten. Die dafür zuständige Staatsanwaltschaft Regensburg war heute für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
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Kommentare (8)

  • Nokonformer

    |

    Wer so gewaltsam wie die Gegendemonstranten gegen eine
    genehmigte Veranstaltung oder Demonstration einer Partei oder
    privaten Vereinigung oder eben sonstjemand “demonstriert”, daß
    diese demokratisch demonstrierenden grundgesetzlich verankerte
    Rechte Ausübenden beim Abmarsch oder Abfahren behindert werden, ist
    kein Demokrat, sondern ein Gewalttäter, gegen den die Polizei zum
    Schutze und der Freiheit der Demonstranten einschreiten muß! Es ist
    ganz einfach, die gewaltausübenden Gegendemonstranten vertreten
    keine Meinung, sondern Gewalt, und müssen dafür die Verantwortung
    tragen!

  • Mr. T

    |

    Nachhilfe in Demokratieverständnis und der Definition von
    Gewalt von ganz rechts außen – Respekt! Demnächst erzählt mir noch
    mein Goldfisch wie man richtig fliegt …

  • Marc K.

    |

    Wie u.a. dieser Artikel, aber auch der Prozess gegen den
    “NSU” und viele weitere Beispiele zeigen, dürfen wir im Kampf gegen
    Faschisten nicht auf den Staat hoffen. Das können wir nur selbst
    und zar ganz praktisch tun. Die AntifaschistInnen, die sich der NPD
    mutig entgegengestellt haben verdienen unseren Respekt! Ihr handeln
    war richtig und notwendig. Faschismus ist keine Meinung, sondern
    ein Verbrechen!

  • dodo

    |

    @Nokonformer: Jetzt musst du aber auch erklären, was die Gegendemonstrant_innen gewalttätiges gemacht haben, wenn du schon so sehr überzeugt bist. Na hoppla – was sagst du da jetzt nur? Ich sag dir mal, was sie gewalttätiges gemacht haben: Sie haben auf dem Boden gesessen. Und… außerdem…. haben sie auf dem Boden gesessen! Und sie sind sitzen geblieben!! Voll heftig!! Da kann man sich nicht anders gegen wehren als mit Pfefferspray und zu fünft auf einen drauf!!! Ist doch klar!!!

  • erik

    |

    Polizeigewalt, Jusitzwillkür, Verbotswahn, Medien-Diktatur und Zensur für mich typische Merkmale von Ländern in denen ein wirtschaftliches oder politisches Ungleichgewicht herrscht. In Zeiten der Agenda 2010 und Hartz-Reformen in denen Hundertausende bis Million vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen und an den wirtschaftlichen Rand gedrückt werden und wurden, wird versucht diese Bevölkerungsgruppen aus dem Blickfeld verschwinden zu lassen und durch Härte einzuschüchtern und abzuschrecken um sich in ihr von der Poitik (die Wasser predigen und selbst Wein in Massen nach dem Prinzip von Sodom und Gomorrha saufen) herbeigeführten Schicksaal einzufügen. Denn merke wie der Teufel das Weihwasser fürchten die Etablierten, dass sich die Nicht-Etablierten versammeln und ihr vom Grundgesetz verbrieftes Recht auf wirtschaftlicher Teilhabe einfordern!

  • Observer

    |

    Zum ersten Video möchte ich etwas anmerken: Zu Beginn des
    Videos wie der Beamte die zu “sichernde” bereits am Boden liegende
    Person mit den Kopf zwischen seinen Oberschenkeln fixiert ( bzw.
    fast drauf sitzt ), wird so in der bayerischen Polizei gelehrt. Wie
    er jedoch ab Sekunde 0:6 mit Knie auf dem Hals / Kopf der am Boden
    liegenden Person kniet, also Druck ausübt, ist ein klarer Fall von
    einer Überschreitung der Ausübung des Unmittelbares Zwanges. Diese
    Fixierungsmethode ist Polizeibeamten verboten (Quelle:
    Einsatztrainer der bay. Polizei) Dem Geschädigten kann man nur
    raten mithilfe dieses Beweis-Videos Klage zu erheben.

  • mfgsam007

    |

    …vergessen darf man dabei nicht, dass der
    Oberbürgermeisterkandidat der CSU Regensburg Schlegl gerne die 1.
    Strophe des Deutschlandliedes singt und auch mal im Suff den
    Hitlergruß zeigt…wie er selber im Interview zugegeben hat…man
    kann nur hoffen, dass die RegensburgerInnen nicht auf dem rechten
    Auge blind sind..

  • Gefährliche Demonstranten? Von wegen! | Regensburg Digital

    |

    […] Nach wie vor sieht der Innenminister den Polizeieinsatz vom 5. September übrigens als völlig gerechtfertigt an. Er sieht auch keinen Widerspruch zu der friedlichen Räumung einer NPD-Blockade durch die Polizei im Jahr 2012 in Regensburg. Das polizeiliche Vorgehen sei „stets auf Deeskalation und eine kommunikative Konfliktlösung ausgerichtet“ gewesen. Generell setze die „Einsatzphilosophie“ der bayerischen Polizei „primär auf Deeskalation“. 2013 habe man aber mit keiner Blockade nach Abschluss der NPD-Kundgebung gerechnet. […]

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drin