Bürgerbeteiligung zum Kulturentwicklungsplan: Demokratie oder Selbstbestätigung?
Klemens Unger mit seinem neuen Lieblingskind, dem Haus der Musik. Laut Umfrageergebnis kennen fast alle die Sing- und Musikschule, die dort beheimatet sein wird. (Foto: Archiv)
Zweifelhafte Repräsentativität
Handelt es sich also um die Zufriedenheit der „Alten“? Oder haben diejenigen, die sich nicht für die Kultur in der Stadt interessieren, sich etwa auch nicht für den Fragebogen interessiert? Ohne die professorale Expertise von Sonja Haug anzweifeln zu wollen, fühlt sich der Betrachter der Umfrage nicht ganz wohl mit der Aussage, dass das Ergebnis der Studie repräsentativ sein soll. 5.000 Fragebögen wurden im Januar per Zufallsprinzip an Personen über 16 Jahren, die in Regensburg gemeldet sind, versandt, 859 kamen zurück. Das entspricht 17,2 Prozent der Befragten und etwa 0,6 Prozent der Bevölkerung. Die geringe Zahl der Antworten allein – so erklärt auch Haug – ist noch kein Grund, um die Studie kritisch zu betrachten. Wahlumfragen werden schließlich auch nur mit 1.000 Personen gemacht, sind danach aber recht genau, wenn sie auf über 60 Millionen Wahlberechtigte hochgerechnet werden.Kulturszene: ein unerwartetes Akademiker-Biotop?
Das Problem liegt also nicht darin, wie viele geantwortet haben, sondern wer geantwortet hat. Das hat Hage wohl gemeint, und das bestätigt sich auch in den Ergebnissen: 43 Prozent der Teilnehmer haben ein abgeschlossenes Studium; Studenten, die ebenso dem akademischen Klientel angehören und sich in weiten Teilen wahrscheinlich ähnlich verhalten, sind hier noch gar nicht eingerechnet. 57 Prozent haben Abitur. In der Bevölkerung haben nur rund zwölf Prozent ein abgeschlossenes Studium und nur um die 23 Prozent Abitur.Akademiker finden das Kulturangebot aus Oper, Museum und Symphoniekonzert besser als Menschen ohne Schulabschluss. (aus: Bürgerbefragung zum Kulturentwicklungsplan, HS.R, Prof. Dr. Sonja Haug)
Freie Szene vs. Städtische Institutionen
Irritierend ist auch die Zusammenstellung der Kultur-Anbieter und Veranstaltungsorte. Nach einem kürzeren Exkurs über den Kulturbegriff allgemein legt die Studienleiterin fest: „Unter Kultur wird hier der institutionelle Rahmen, wie ihn der Ressortbereich des Kulturreferats vorgibt, verstanden. Es handelt sich somit um einen Ausschnitt der Kultur, der an organisatorischen Strukturen der Verwaltung orientiert ist.“ Nun gut. Das kann man machen. Warum finden sich dann aber in den Auswahlmöglichkeiten der Umfrage Veranstaltungsorte wie die Alte Mälzerei (ein privater Verein, der von der Stadt zwar kräftig unterstützt wird, aber von ihr unabhängig agiert), das Audimax der Universität (Universitäten und ihre Gebäude gehören bekanntlich zum Bundesland), die Programmkinos (eine rein private Veranstaltung) oder das ebenfalls nicht unter städtischer Regentschaft stehende Haus des Kunst- und Gewerbevereins? Die Auswahl erscheint willkürlich. Andere Veranstaltungsorte, die im städtischen Kulturleben durchaus eine tragende Rolle spielen, kommen nicht vor. Das Statt-Theater oder die Donau-Arena oder das GRAZ beispielsweise. Sie tauchen in den eigenen Nennungen der Teilnehmer hingegen oft auf.Das GRAZ ist ein wichtiger Bestandteil der freien Szene, bleibt in der Umfrage aber – wie viele andere – völlig unberücksichtigt. (Foto: Archiv)
Städtischer Stolz: Furtmayr, Corinth, Weihnachtsmarkt
Gleichzeitig offenbart die Studie aber auch, dass viele den Unterschied zwischen den städtischen und den freien Kultur-Institutionen überhaupt nicht wissen. Die Teilnehmer nennen das Kunstforum Ostdeutsche Galerie bei der Frage nach den besuchten städtischen Museen ebenso wie das Naturkundemuseum und – ja, tatsächlich! – das Deutsche Museum. Stolz ist man auf Seiten der Stadt trotzdem, ob man etwas dafür kann oder nicht: darauf, dass 91 Prozent das Bürgerfest lieben; dass die Lovis-Corinth-Ausstellung, die Furtmayr-Ausstellung, die Schlossfestspiele, Weihnachtsmärkte und der Iron Man oft als kulturelle Höhepunkte der vergangenen Jahre genannt wurden; dass die Umfrageteilnehmer mit den Öffnungszeiten von Stadtbibliothek und Stadtarchiv zufrieden sind; dass über 70 Prozent in den vergangenen zwei Jahren mal im Theater waren.Kulturreferent Klemens Unger (li.) und Oberbürgermeister Hans Schaidinger (2.v.li.) wollen die Ergebnisse der Umfrage in den Kulturentwicklungsplan einfließen lassen. (Foto: Stadt)
Demokratie in der Kultur: Will man das wirklich?
Jetzt gibt es ja viele Studien zu allen möglichen Sachverhalten. Die Existenz eines Umfrageergebnisses allein bedeutet ja noch nicht, dass es irgendeine Konsequenz nach sich zieht. Aber was will man mit einer Studie anfangen, die ihre eigenen Voraussetzungen (Untersuchung der städtischen Kultur-Institutionen) nicht einhält? Die für eine ganze Stadt stehen soll, aber hauptsächlich einen Einblick in das Kultur-Nutzungsverhalten von Akademikern gibt? Genau, man arbeitet sie in den Kulturentwicklungsplan ein. Das heißt dann „Bürgerbeteiligung“ und soll Demokratie vorspiegeln.Akademiker nutzen häufiger die VHS und die Bibliothek. Überraschung? (aus: Bürgerbefragung zum Kulturentwicklungsplan, HS.R, Prof. Dr. Sonja Haug)
Kultur-Hindernisse: Zu wenig Zeit, zu wenig Geld
Es hätte keine Studie gebraucht, um festzustellen, dass das kulturelle Interesse unter den Akademikern größer ist als unter den anderen Bildungsschichten. Dass Leute mit Abitur und/oder Studium häufiger ins Theater und die Bibliothek gehen und VHS-Kurse belegen. Dass diese eher bereit sind, einen vierseitigen Fragebogen auszufüllen. Es ist auch ohne Studie offensichtlich, dass die Leute zwar gerne auf Robbie-Williams-Konzerte gehen, Robbie Williams aber höchst selten in Regensburg auftaucht.Wer zu wenig Zeit und zu wenig Geld hat, nutzt das Kulturangebot seltener. Die Avantgarde vermissen in Regensburg offenbar nur wenige. (aus: Bürgerbefragung zum Kulturentwicklungsplan, HS.R, Prof. Dr. Sonja Haug)