Millionenteurer Biotop-Kauf am Regensburger Hollerweg: Abbitte mit Augenmaß
Als Baugebiet gekauft, ein Biotop bekommen: Am Dienstag legten Vertreter der Stadtverwaltung die Abläufe beim Grundstückskauf am Hollerweg in Keilberg offen. Die Prüfprozesse im Liegenschaftsamt sollen künftig geändert werden. Dafür gab es Lob, aber weiter Kritik von den Stadträten. Als ein Wermutstropfen bleibt der Versuch, den Millionenschaden kleinzureden.

Die Flächen beim Hollerweg. Ein Großteil davon wird nicht bebaut werden. Die Stadt plant um. Foto: as
Das Eingeständnis kam spät, aber es kam. Fast vier Wochen nach dem Bekanntwerden des überteuerten Grundstückskaufs am Hollerweg in Keilberg traten Vertreter der Regensburger Stadtverwaltung vor die Öffentlichkeit, um den Ablauf zu erläutern, Fehler einzugestehen und Besserung zu geloben.
Wie mehrfach ausführlich berichtet, erwarb die Stadt im Sommer 2022 ein 2,3 Hektar großes Areal, um dort Wohnbebauung zu realisieren. Im Mai stellte sich jedoch heraus, dass ein Großteil der Fläche ein ökologisch wertvolles, aber wirtschaftlich nahezu wertloses Biotop ist, das nicht bebaut werden kann. Der entstandene Schaden beläuft sich, allen Relativierungsversuchen zum Trotz, auf Millionen.
Kaufsumme niedriger als acht Millionen – aber immer noch viel zu hoch
Bei der Sitzung des Planungsausschusses am Dienstag legte Matthias Wanninger, Leiter des Liegenschaftsamtes, eine Chronologie des Grundstückskaufs vor. Die tatsächliche Kaufsumme sei niedriger als die kolportierten 350 Euro pro Quadratmeter (insgesamt wären das acht Millionen).
Im Kern handelte es sich demnach um ein Tauschgeschäft: Der Verkäufer erhielt im Gegenzug städtische Flächen im Landkreis. Umgerechnet habe man damit einen Preis bezahlt, der unter dem damaligen Bodenrichtwert von 300 Euro pro Quadratmeter lag. Günstig für Bauerwartungsland, aber nach wie vor weit überteuert für ein Biotop, bei dem bereits zehn Euro pro Quadratmeter ein stolzer Preis gewesen wären.
Liegenschaftsamt gelobt Besserung
Wanninger räumt ein: „Das ist eine sehr unschöne Situation, mit der wir nicht zufrieden sein können.“ Das treibe das Liegenschaftsamt „maximal um“. In Zukunft werde man bei solchen Geschäften das Umweltamt hinzuziehen und die Abwägungen für eine Kaufentscheidung, die am Ende durch die Stadträte im nichtöffentlich tagenden Grundstücksausschuss abgesegnet werden müssen, „transparenter machen“.
Bereits vor 2022 habe man versucht, mit dem Eigentümer ins Geschäft zu kommen. Doch zunächst scheiterten die Verhandlungen, weil die Preisvorstellungen zu weit auseinander lagen. Handelseinig wurde man sich laut Wanninger schließlich nach eineinhalbjährigen Verhandlungen. Ein anderer Interessent habe zwar – laut dem Verkäufer – mehr geboten, aber: „Wir konnten im Gegensatz zu diesem eine landwirtschaftliche Fläche im Landkreis anbieten.“
Unsere Recherchen zum Hollerweg
„Skandal“ am Keilberg, 3. Juli
Millionendeal vom Schreibtisch aus?, 9. Juli
Fläche besichtigt, aber Biotop nicht erkannt, 11. Juli
Wie nachlässig prüfte die Stadt?, 18. Juli
Stadt hält Kritik für unfair, 19. Juli
Misstrauen gegen die Stadtverwaltung? Unbedingt!, 23. Juli
Umgerechnet dürfte der Gegenwert, den der Verkäufer von der Stadt erhielt, nach wie vor bei mindestens sechs Millionen Euro liegen. Dem Vernehmen nach erhielt dieser etwa 30 Hektar landwirtschaftliche Flächen im Landkreis plus eine zusätzliche Geldzahlung.
Eine Risikoabwägung, die schief ging
Bei mehreren Ortsterminen habe sich für das Liegenschaftsamt der „Eindruck einer landwirtschaftlich genutzten Wiese“ ergeben, so Wanninger. Im Rahmen der üblichen Risikoabwägung sei man davon ausgegangen, dass diese Fläche mit hoher Wahrscheinlichkeit bebaubar sein würde. „Dieses Risiko hat sich nun in einem sehr hohen Maße niedergeschlagen.“
Wanningers Rechtfertigung: „Wir haben keine Erfahrung mit Sandmagerrasen.“ Da dieses Biotop bei der Kartierung 2008 nicht verzeichnet wurde, habe man auch keine Notwendigkeit gesehen, das Umweltamt hinzuzuziehen, um das genauer zu prüfen.Offen bleibt die Frage, warum sich dieses Biotop nicht in der veralteten Kartierung fand. Da Sandmagerrasen mindestens 25, eher 50 bis 100 Jahre braucht, um zu entstehen, muss es diesen damals – 2008 – bereits dort gegeben haben.
Kein Rücktritt vom Kauf möglich
Interne Hinweise des Umweltamtes auf die veraltete Biotopkartierung gab es, auch nach einem Schreiben von Anwohnern im Jahr 2021. Diese wurden, wie am Dienstag klargestellt wird, auch weitergegeben. Ohne Konsequenzen.
Eine Rücktrittsklausel oder dergleichen enthielt der Kaufvertrag nicht, wie Wanninger erläutert. „Das wäre möglich gewesen, hätte aber den Preis deutlich erhöht.“ Und man hielt dies im Rahmen der erwähnten Risikoabwägung auch nicht für notwendig.
Schaden durch Verdichtung minimieren?
2024 gab es dann erste Hinweise, dass mindestens zehn Prozent der Fläche nicht bebaubar sein würden, im Mai dann die Hiobsbotschaft: Auf der Fläche geht so gut wie nichts.
Planungsamt will Biotopflächen unberührt lassen
Das wird laut Planungsamtschefin Tanja Flemmig auch die weiteren Schritte bei der Überarbeitung des nun hinfälligen Bebauungsplans bestimmen. Sandmagerrasen sei zu selten und zu wertvoll, als dass man ihn irgendwo anders ausgleichen könne. Deshalb bleibt die der größte Teil der angekauften zwei Hektar unbebaut.
Der Schaden soll nun durch eine dichtere Bebauung auf den verbliebenen Flächen des derzeitigen Bebauungsplans minimiert werden. Die Prognose von Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer: Statt Wohnraum für 400 Menschen wären es dann „nur“ 360 oder 320.
Eine Einschätzung, die dann doch wieder nach Kleinreden klingt. Denn eines wird am Dienstag ebenfalls deutlich: Als Freizeit- oder Erholungsfläche lässt sich das Biotop nicht nutzen – es würde zerstört werden. Eine Gefahr, die bei dichterer Bebauung umso größer wäre.
„Ein Privatinvestor wäre pleite.“
CSU-Fraktionschef Michael Lehner übt allen Erläuterungen zum Trotz deutliche Kritik. „Einem Privatinvestor wäre das nicht passiert. Der wäre nämlich dann pleite.“ Dennoch begrüßt Lehner es, dass die Abläufe bei solchen Grundstückskäufen künftig geändert werden.
Benedikt Suttner (ÖDP) spricht den Vertretern der Stadtverwaltung zwar seine „Hochachtung“ für die nun erfolgte „sehr ehrliche Analyse“ der Ereignisse aus. Dennoch weist er darauf hin, dass die ÖDP bereits 2021 einen Antrag gestellt hatte, im Vorfeld geplanter Bauvorhaben Biotope jeweils zu kartieren und zu bewerten. „Das wurde abgelehnt.“
Auch könne er die Kritik daran, dass das Umweltamt nicht eingeschaltet wurde, voll und ganz verstehen, so Suttner. „Wenn Umweltexperten binnen kürzester Zeit zahlreiche Hinweise auf Sandmagerrasen finden, kann man da nur sehr schwer widersprechen.“
Hilflose Erklärung für undurchsichtige Löschung
Aufgearbeitet wird auch die heimliche und sehr geschickt durchgeführte Löschung der Wortmeldung von CSB-Stadtrat Christian Janele aus der Aufzeichnung der Stadtratssitzung Ende Juni. Janele hatte zum Hollerweg nachgefragt und von „schockierenden Informationen“ gesprochen, die er erfahren habe. Ob es dazu Genaueres gebe. Er war von der Oberbürgermeisterin sofort unterbrochen worden. Argument: Dabei handle es sich um Informationen aus nichtöffentlicher Sitzung.
Doch tatsächlich hatte Janele keine nichtöffentlichen Informationen preisgegeben. Er hatte auch nicht an jener nichtöffentlichen Sitzung des Planungsausschusses zwei Tage zuvor teilgenommen, bei der das Biotop-Problem zum ersten Mal Stadträten vorgestellt wurde, sondern erfuhr davon über Umwege – und fragte deshalb nach. Insbesondere die intransparente Löschung brachte unsere Recherchen ins Rollen.
Doris Ebenhöch, Leiterin des dafür verantwortlichen Hauptamtes, reagiert darauf am Dienstag mit einer eher hilflosen Erklärung. Janeles Wortmeldung sei zwar „inhaltlich unauffällig“ gewesen, habe aber offensichtlich das Ziel gehabt, das Thema „bewusst in der Öffentlichkeit zu platzieren“.
Künftig: deutliche Hinweise bei den Audioaufzeichnungen
Deshalb habe man sich im Hauptamt – ohne Weisung von oben – dazu entschieden, diese Passage aus der veröffentlichten Aufzeichnung zu entfernen. Ein Vorgehen, das man, wie Ebenhöch einräumt, offenbar schon öfter praktiziert hat. Ohne irgendeinen Hinweis, wie dies etwa der Fall ist, wenn einzelne Stadträte der Aufzeichnung nicht zugestimmt haben.
„Man habe das „in guter Absicht“ als „gewissenhafte Wahrnehmung von Obliegenheiten“ des Hauptamtes gesehen“, so Ebenhöch. Außerdem sagt sie: „Aufzeichnungen sind keinesfalls dazu geeignet, Stadtratssitzungen vollständig abzubilden. “ Zu einer Entschuldigung kann Ebenhöch sich zwar nicht durchringen, doch sie verspricht: „In Zukunft werden wir dies deutlich kennzeichnen.“
Trackback von deiner Website.
Mr. T.
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Die Erwägung einer Rücktrittsklausel ist schon auch interessant. Warum erwägt man so etwas überhaupt, wenn man sich sicher ist bzw. klärt die Gründe, aus denen man eventuell zurücktreten würde, nicht vor der Unterzeichnung? Oder wurde die Klausel nur dafür erwogen, falls die Öffentlichkeit Wind von der Sache bekommen hätte?
Stefan Aigner
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@Mr. T
Das mit der Rücktrittsklausel ware eine Erläuterung auf Nachfrage.