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Porträt

Nach 33 Jahren: Regensburgs Guerilla-Stadtrat hört auf

Er geht ohne Groll und will kein Tamtam: Mitten in der Stadtratsperiode hört Günther Riepl auf. Seine großen politischen Ziele sind zwar nichts geworden, dennoch hat Riepl die Freien Wähler in Regensburg in Regierungsverantwortung gebracht und mit zum Machtverlust der CSU beigetragen.

Politische Kommentare ab sofort von der Seitenlinie: Günther Riepl. Foto: as

„Sie übernehmen doch nie Verantwortung, Sie Minderheit Sie.“ Es war das Jahr 2006, als Hans Schaidinger, damals unangefochtener Regensburger Oberbürgermeister, gestützt von einer willfährig-kritiklosen CSU-Mehrheit, wieder einmal so gegen Günther Riepl wetterte. Damals ging es um den Bau der Sallerner Regenbrücke. Die steht bis heute nicht. Und Riepl war schon seinerzeit dagegen – trotz Zustimmung von CSU und SPD. Trotz Fürsprache des allmächtigen Hans Schaidinger – ewiger Antagonist Riepls – und der von ihm mit fester Hand geführten Verwaltung.

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Doch die Zeiten von Hans Schaidinger sind ebenso vorbei wie jene einer absoluten CSU-Mehrheit und einer straff geführten Verwaltung in Regensburg. Riepl, der von 1990 bis 2008 einsamer Guerilla-Stadtrat auf dem Ticket der Freien Wähler war, hat zum Verlust des Schaidingerschen Absolutheitsanspruchs nicht nur seinen Teil beigetragen. Der Bauingenieur regiert mittlerweile schon das zweite Mal mit – als Teil einer Mehrparteienkoalition mit einer Fraktion der Freien Wähler. Die stellt mit Ludwig Artinger sogar einen Bürgermeister.

Riepl hört auf, aber: „Es gibt kein Zerwürfnis.“

Dass er, Riepl, Artinger 2008 dazu bewegen konnte, für die Freien Wähler als OB-Kandidat anzutreten, dürfte neben dem damaligen machtpolitisch motivierten CSU-Streit darüber, wer denn nun der größere Antifaschist sei in ihren Reihen, seinen Teil dazu beigetragen haben, dass die Schwarzen ihre absolute Mehrheit verloren und sich mit der SPD zusammentun mussten. Aus dem Einzelkämpfer Riepl wurde ein Freie Wähler-Quartett.

Jetzt hört Riepl nach 33 Jahren auf, mitten in der Stadtratsperiode. Und allen Unkenrufen zum Trotz, dass dem ein Zerwürfnis mit Artinger zugrunde liege, mit dem er weist Riepl zurück. Auch wenn es kein Geheimnis ist, dass man häufig nicht derselben Meinung war, gerade zuletzt, wo Riepl auch bei Wortmeldungen im Stadtrat mehr als einmal Kritik an der Politik der Koalition übte, der er selbst angehört.

Artingers Schwiegersohn rückt in den Stadtrat nach: „…ein guter Mann.“

Aktuell verkneift er sich aber sogar jedwede spitze Bemerkung dazu, dass für ihn mit Christoph Schießl Artingers Schwiegersohn in den Stadtrat nachrückt und die Freien Wähler damit eine Art Familienbetrieb werden. „Das ist trotzdem ein guter Mann“, meint der 75-Jährige nur. Da habe er (ganz entgegen seiner üblichen Gewohnheiten) nichts zu meckern. „Ich gehe aus gesundheitlichen Gründen“, sagt er. Nichts wirklich ernstes, aber doch sehr nerviges sei es, was ihn zu diesem Schritt veranlasst habe.

Wenn Günther Riepl zu diskutieren anfängt, dann raucht es. Gelegentlich nur aus der Kippe, häufiger aus den Köpfen der Gesprächsteilnehmer. Dass er einer von denen ist, die sich in der Stadtpolitik auskennen, bestreitet kaum einer. Böse Zungen behaupten gelegentlich trotzdem, dass manches, was da von Riepl komme, gar kein Rauch sei, sondern heiße Luft. Und tatsächlich ist von den den großen Visionen, die er hatte, am Ende keine umgesetzt worden. Wenngleich sie Spuren hinterlassen haben.

Von Riepl-Röhre bis Fest im Fluss

Der von ihm vorgeschlagene Tunnel unter der Donau anstelle von Ersatzbrücken für den ÖPNV – liebevoll Riepl-Röhre genannt – wurde 2010 als „nicht machbar“ verworfen. Ein CSU-Kandidat – Christian Schlegl – ließ sich aber, wohl davon inspiriert, im Wahlkampf 2013/14 nicht davon abhalten, nicht nur die Donau, sondern gleich die komplette Altstadt für den Busverkehr untertunneln zu wollen (was ihm neben viel Gelächter, auch Liebesentzug durch Hans Schaidinger einbrachte).

Der Stadthallenstandort Ernst-Reuter-Platz, mit dem Riepl 1990 antrat, um einen Contrapunkt zum Donaumarkt zu setzen, den Schaidinger und CSU (und gelegentlich auch SPD unter dem damaligen Häuptling Joachim Wolbergs und Grüne) mit aller Macht durchzusetzen suchten, schaffte es etwas weiter. Er wurde am Ende Favorit von Stadtverwaltung und Regierungsmehrheit, scheiterte aber schließlich im Rahmen eines Bürgerentscheids.

Mehr Erfolg war Riepls Engagement bei der ARGE Fest im Fluss beschieden, die vor 25 Jahren ins Leben gerufen wurde, und der die Regensburger die Badebuchten in der Schillerwiese verdanken. Durchgesetzt auf eigenes Risiko – gegen den damals massiven Widerstand der Stadt Regensburg, aber mit Unterstützern in anderen Behörden.

…und noch ne Klo-Debatte

Und weil Klo-Debatten in Regensburg gerade modern sind: Dass das Klohäuschen am Neupfarrplatz in den 1990er Jahren nicht direkt neben der Neupfarrkirche steht, dort wo man heute in die Gewölbe zum document, den Kelleranlagen des mittelalterlichen jüdischen Viertels gelangt, ist ebenfalls Günther Riepl zu verdanken. Er wetterte seinerzeit so lange und so laut gegen den Beschlussvorschlag der Verwaltung, dem der Planungsausschuss sogar schon zugestimmt hatte, dass dieser vom Stadtrat vertagt wurde.

Und siehe da: In der nächsten Sitzung wurde der Beschluss aus dem Planungsausschuss gekippt und das stille Örtchen sucht man heute direkt neben der Galeria Kaufhof auf. Minderheit hin, Minderheit her.

Still will Riepl auch nach seinem Ausscheiden aus dem Stadtrat nicht werden, auch wenn er sich anlässlich seines Abschieds (der heute formal im Stadtrat vollzogen wird) jedwedes Tamtam verbittet. Er verfolge weiter das Geschehen und werde sich den einen oder anderen Kommentar erlauben. Von der politischen Seitenlinie. Aber das gefällt ihm ja.

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Kommentare (16)

  • H. Müller

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    Mich würde auch vor allem interessieren, wie der altgediente „Guerilla-Stadtrat“ sich zu seiner Partei positioniert, die erst im Mai einen Rechtspopulisten mit Neonazi-Vergangenheit mit 95% als Parteivorsitzenden bestätigt hat. Der sich offensichtlich selbst ausserhalb unserer Demokratie verortet und die Menschen gegeneinander aufhetzt, indem er z.B. politischen Gegnern unterstellt, „Deutschland kaputt machen zu wollen“.

    Wer unter diesem Vorsitzenden noch immer auf FW-Ticket seine politische Karriere bestreitet, wie auch die Artinger-Großfamilie in Regensburg, hat seinen moralischen Kredit verspielt.

    Insofern hat Riepl keinen schlechten Moment für einen Ausstieg gewählt.

  • Ulrich Lechte MdB

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    Günther Riepl ist ein echt toller Stadtrat gewesen. Er hat die Debatte immer wieder bereichert. Auch die von Ihm geforderte Verlängerung der Osttangente nach Regenstauf war eine nicht zu verachtende Vision, die den Verkehr in der Region dauerhaft entspannt hätte und für die nun anstehende Tunnelsanierung von mehr als großem Wert gewesen wäre. Immer fair im Umgang, ein Urgestein, Günther Riepl eben! Auf bald in der Altstadt!

  • Jakob Friedl

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    Beim Verlassen des Sitzungssaals klopfte mir Günther Riepl regelmäßig sehr kräftig auf die Schulter. Ich werde das vermissen!

    Hier eine kleine Anekdote:
    Günther Riepl protestierte am 13.03.2010 im Planungsausschuss im Vorfeld gegen die unpassende Gestaltung des Marie-Beer-Platzes und des Brunnens, den ich 10 Jahre später am 8.7.2020 zum Einstand meiner Stadtratsarbeit durchschwamm. Günther Riepl sprach laut Protokoll von einer “Stiefelwaschanlage”, wie man sie von Geländeübungen der Bundesw ehr kennt und gab zu Bedenken: ”Wenn man einen Platz gestaltet und einen Brunnen an dem Platz gemacht habe, habe man sich geeinigt, dass man einen künstlerischen Wettbewerb veranstalte und das beste Ergebnisss ausgesucht werde. Er verstehe nicht, warum das da nicht so gemacht worden sei.” Vgl.: https://ribisl.org/maria-beer-platz-gestaltung/

    Video für Günther Riepl:
    Maria-Beer-Platz 2/2 „Kneipen durch die Stiefelwaschanlage“

  • Helbert

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    Beim Anklicken des Vimeo- Video erscheint der Hinweis:
    „Dieses Video enthält nicht jugendfreie Inhalte. Melde dich an, um das Video anschauen zu können.“
    Ich bin doch etwas verblüfft.

  • Günther Herzig

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    Sehr geehrter Herr H. Müller,
    Hubert Aiwanger als ehemaligen Neonazi zu verorten, heißt das, dass sie ihn dort nicht mehr sehen, weil Sie ihm ein “ehemalig” zubilligen? Können Sie ihm verzeihen?
    Welche Leiche hatten übrigens Sie selbst im imaginären Keller eines 16-jährigen? Dieses Framing, dem Hubert Aiwanger jetzt ausgesetzt ist,-er hat es leider selbst gefördert- ist absolut undemokratisch. Ich bin nach dem Start dieser Hetzjagd vor 2 Monaten den Freien Wählern beigetreten.

  • SchröckHans

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    Wünsche dem geschätzten Kommunalpolitik-Urgestein einen angenehmen, fraktionszwanglosen Unruhestand und dem Freie-Wähler-Neumitglied viel Erfolg bei der Suche nach einer demokratischen Staatsform, die laut seinem Idol scheinbar verloren gegangen ist.

  • Rufus

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    Sehr geehrter Herr Herzig,
    ich bin sehr verwundert über Ihren Text! Ich habe Sie bisher bei Ihren Kommentaren immer eher als informierten, sachlich fundierten Teilnehmer empfunden. In der Fülle der hiesigen Ein-und Auslassungen waren Sie eher einer der Bodenanker.
    Jetzt dieser Partei beizutreten ist echt schlapp! Deren Vorsitzender ist ein Pennäler geblieben mit demselben Jargon heute wie seinerzeit: grobe witzelnde Anwürfe auf den politischen Gegner mit der Sucht nach Anheischung von billiger Zustimmung.
    Bitte überlegen Sie sich doch den Beitritt nochmal! Man kann auch Fehler relativ schnell einsehen und gleich wieder raus.
    PS: Wenn unbedingt Partei, dann vielleicht bei Jakob Monsignore Friedl. Der nimmt Sie evtl. gerne bei den Ribiseln. Sinnvoller wärs allemal.

  • Gscheidhaferl

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    Was für ein Fortschritt! Regensburger CSU-Filz wird durch FW-Filz ersetzt! Das hat ja gleich eine ganz andere Qualität! Ein ganz anderes und natürlich viel besseres G’schmäckle! Wollen wir die Verdienste des Herrn Riepl aber mal nicht darauf reduzieren, dass er dieser Entwicklung ermöglicht hat. Man hat halt nicht immer im Griff, was langfristig aus Impulsen wird, die man irgendwann mal gegeben hat.

  • Günther Herzig

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    @ Rufus und Gscheidhaferl
    Sie beide müssen glücklich sein, richtig glücklich. In Ihrer Bescheidenheit anonym, wissen Sie, was gut und richtig ist und Sie wissen, dass Sie dazugehören. Ich mit meiner rechtsradikalen Vergangenheit,-ich war auch schon in der F.D.P. zu einer Zeit, als Dr. Erich Mende, das ist der mit dem Ritterkreuz, Parteivorsitzender war-, und ich war immer rechtsradikal und revanchistisch. Auch als ehemaliger Bundeswehr-Offizier kämpfe ich immer noch darum zu den Guten zu gehören, so, wie Sie, die Sie zu den ideologischen Weltverbesserern gehören, die zuletzt aber die Menschen vergessen, weil ihnen das Klima wichtiger erscheint.
    Ich gehe davon aus, dass Sie nachdem das Klima gerettet wurde, wieder zu Ihrem ureigenen Anliegen zurückkehren, zur Umverteilung von Vermögen.
    Helfen Sie mir doch und machen Sie mich auch so glücklich, wie Sie selbst es sind.

  • Macchiavelli

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    Es lebe die Familie! Das ist ja bei den FW wie bei der Mafia, alles bleibt in der Familie. Das Ehepaar Artinger/Radler bildet nun mit dem Schwiegersohn Schießl eine komplette Fraktion. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

  • Gscheidhaferl

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    @Günther Herzig
    Ob Sie mich da nicht mal wieder aus versehen mit in einen Topf werfen, in den ich nicht gehöre? Ich kann jedenfalls nicht so recht nachvollziehen, wieso Sie mich in diesem Zusammenhang ansprechen. Aber wenn ich schon dabei bin:

    Ich halte mich keineswegs für allwissend oder unfehlbar. Sonst würde ich mich nicht ‘Gscheidhaferl’ sondern etwas unbescheidener ‘Gott’ oder so nennen.

    Ich halte Sie nicht für rectsradikal, sondern für einen bürgerlich-konservativen Menschen, der gerne provoziert, manchmal auch schnell in Rage gerät und dann auch mal vetbal über’s Ziel hinausschießt. Auch wenn wir uns sehr unterschiedlicher Ausdrucksweisen bedienen und uns den Dingen (vermutlich biografisch bedingt) unterschiedlich annähern, kommen wir gar nicht so selten an ähnlichen Punkten heraus Letztlich schätzen wir beide den Austausch mit Mensche, die andere Ansichten haben (wobei ich mir da gerne einrede in der Regel etwas weniger auf Kravall gebürstet zu sein, wie Sie es mitunter zu sein scheinen).

    Wenn Sie etwas beisteuern gehöre ich wahrscheinlich zu ihren treusten Lesern, muss mich aber auch nicht immer dazu äußern. Ich spring nach all den Jahren eben nicht mehr über jedes Stöckchen, dass Sie uns hier gelegentlich hinhalten. Fast wie im richtigen Leben. Werter digitaler Stammtischbruder, gehaben Sie sich wohl. Bleiben Sie mir/uns erhalten. Bis demnächst in diesem Forum.

  • Günther Herzig

    |

    @für Gscheidhaferl
    es tut mir leid, wenn ich mich vertan habe. Wenigstens habe ich auf diese Weise das Psychogram erhalten, mit dem ich nicht unzufrieden bin. (nfu= nix für unguat)

  • Rufus

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    Ja so möchte ich mich gerne an den Gscheidhaferl anschließen. Nix für ungut Herr Herzig,
    aber auch Vermögen möchte ich keinesfalls umschichten! Ich finde das meiste eh gut, nur keine Rechtsradikalen, auch nicht im Ansatz.
    Das ist alles.
    Viele Grüße

  • Gscheidhafer

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    @Rufus
    Also en wenig mehr Umschichtung dürfte es aus meiner Sicht schon sein. Vor allem, eenn es denn mal endlich eine dauerhaftere Umschichtung von ‘oben’ nach ‘unten’ wäre. Auch wenn im Boulevard gerne das Gegenteil beklagt wird, de facto leben wir ja schon länger in Zeiten, in denen recht perfide eher von ‘unten’ nach ‘oben’ umverteilt wird. Die Umverteilung, die mir vorschwebt, würde die Lebensqualität ‘unten’ nennenswert erhöhen, die ‘oben’ nicht nenneswert schmälern, sondern ganz im Gegenteil eherabsichern. Weil ja letztlich auch die Freude am Fahren recht begrenzt sein wird, wenn sich die Wohlhabenden bei uns – wie in anderen Ländern mit großer sozialer Ungleichheit leider durchaus üblich – nur noch in sorgsam nach außen abgeschotteten Bezirken sorglos aufhalten können.

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