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Landgericht Regensburg

Opfer von versuchtem Totschlag an seinen Peiniger: „Ich kann dir leider nicht verzeihen.“

Der 26-Jährige, der vergangenes Jahr im Drogenrausch einen jungen Mann mit Hammer und Messer fast umgebracht hat, bittet das Gericht in seinem letzten Wort um die Möglichkeit einer Drogentherapie. Seine Tat sei durch nichts zu entschuldigen. Auch sein Opfer meldet sich zu Wort.

Weil zunächst nicht klar war, ob sich der Täter noch im Haus aufhält, war die Polizei am 7. Dezember mit einem Großaufgebot vor Ort. Foto: pc

„Diverse multiple Hieb- und Stichverletzungen.“ Das, was Staatsanwalt Wolfgang Schirmbeck an einer Stelle seines Plädoyers mit diesen nüchternen Begriffen zusammenfasst, ist das Ergebnis eines Martyriums, das ein 20-Jähriger am 7. Dezember 2022 in der Wohnung seines Lebensgefährten in der Regensburger Frankenstraße erleiden musste und dessen Ablauf Schirmbeck zuvor noch einmal geschildert hat. Die Details der Tat sind nur schwer zu ertragen.

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Fast eine halbe Stunde war der junge Mann von einem heute 26-Jährigen im Drogenrausch mit Messer und Hammer traktiert worden. Schirmbeck war bei dem Polizeieinsatz in der Frankenstraße damals selbst vor Ort, erzählt von Blutspritzern bis zur Decke und einer Wohnung, die teilweise in rot getaucht gewesen sei und nach Blut gerochen habe. Mindestens fünf Verletzungen waren potentiell tödlich. „Dass der Geschädigte das überlebt hat, grenzt an ein Wunder.“

20-Jähriger fast getötet: Er war ein Zufallsopfer.

Der Betroffene selbst hatte den Angriff auf ihn, der von der Staatsanwaltschaft als versuchter Mord eingestuft wird, Ende August mit eindrücklichen Worten geschildert (unser Bericht). Auch die bleibenden körperlichen und psychischen Folgen, die das für ihn hat. Seinen Traumberuf als Zahntechniker kann er aufgrund einer Nervenschädigung im Arm nicht mehr ergreifen. Er war ein reines Zufallsopfer.

Der 26-Jährige hatte in seinem Drogenwahn Klopfgeräusche gehört, vermutete diese in der Wohnung, wo sich der 20-Jährige aufhielt. Als dieser zur Tür ging, drückte der Angreifer sie auf und stach seinem Opfer ohne Vorwarnung in den Bauch, forderte Geld, sprach davon, dass sonst seine Mutter sterben müsse und verletzte ihn weiter mit Stichen, Schnitten und Schlägen.

Dass das alles zeitlich recht genau eingegrenzt werden kann, liegt insbesondere daran, dass das Alexa-Gerät mehrere Hilferufe des Geschädigten registrierte, unter anderem „Ruf die Polizei. Ich sterbe.“ Doch reagiert habe Alexa nicht, konstatiert Schirmbeck.

Noch am Abend desselben Tages stellte sich der 26-Jährige über einen Rechtsanwalt der Polizei. Daran, dass er die Tat begangen hat, besteht unter den Verfahrensbeteiligten kein Zweifel.

Verfahrensbeteiligte einig: Beschuldigter soll psychiatrisch untergebracht werden

Nach sieben Tagen der Beweisaufnahme soll nun am Freitag das Urteil fallen. Und was den Tathergang und die Frage einer psychiatrischen Unterbringung betrifft sind sich die Verfahrensbeteiligten – Ulrich Weber, der den 20-Jährigen als Nebenkläger vertritt, und Helmut Mörtl, Verteidiger des 26-Jährigen, weitgehend einig.

Die Frage, die in den Plädoyers allenfalls etwas unterschiedlich abgewogen wird, ist lediglich, ob diese Unterbringung in Verbindung mit einer Suchttherapie in einer Entziehungsanstalt gemäß dem kürzlich verschärften §64 StGB oder nach §63 in einem psychiatrischen Krankenhaus erfolgen soll.

Seit er 14 Jahre alt war, konsumierte der Mann harte Drogen. Er hat mehrere Entzüge hinter sich, die nicht von dauerhaftem Erfolg gekrönt waren. Zeugen und behandelnde Ärzte hatten im Zeugenstand geschildert, wie er seiner Sucht alles unterordnete, Freunde und Freundin verlor, gleichzeitig unter Suizidgedanken und Paranoia litt. Eigentlich sei er ein lieber und netter Kerl, aber „die Drogen zerstören seinen Kopf“, hatte eine Ex-Freundin ausgesagt.

Schlafentzug, Drogenmix im Blut und wahnhaft

Am Abend nach der Tat wurden bei dem 26-Jährigen unter anderem Rückstände von Crack, Heroin und Meth im Blut festgestellt, in Konzentrationen, die selbst für den vom Gericht hinzugezogenen Sachverständigen ungewöhnlich hoch waren. Ein Bewegungsprofil, das anhand seiner Handydaten ausgewertet wurde, belegt zudem, dass er „sehr lange Zeit“ nicht geschlafen habe, so Schirmbeck.

Zeugen, mit denen der 26-Jährige am Tattag sprach, beschreiben ihn als teilweise wahnhaft, abwesend oder „nicht erreichbar“. Teilweise seien seine Äußerungen klar gewesen, dann habe er wieder davon geredet, dass seine Mutter in Gefahr sei und er jemand opfern müsse. Dass er wahrscheinlich jemanden umgebracht habe, erwähnte er gegenüber mehreren Zeugen.

Dass bei ihm eine eingeschränkte Steuerungsfähigkeit vorliegt, bezweifelt insbesondere auch nach den Stellungnahmen der geladenen Sachverständigen kein Verfahrensbeteiligter. Seine Suchterkrankung mache den Beschuldigten gefährlich, so Schirmbeck. Das Maß der Brutalität, dass er bei der Tat in der Frankenstraße an den Tag gelegt habe, sei „selbst für jemanden, der mit so etwas zu tun hat, erschreckend.“ Der Staatsanwalt fordert in seinem Plädoyer, den Beschuldigten zunächst seine laufende Therapie nach §64 beenden zu lassen und ihn anschließend nach §63 unterzubringen.

20-Jähriger schreibt seinem Angreifer

Nebenklagevertreter Ulrich Weber stimmt alledem zu, bezeichnet die Ausführungen von Staatsanwalt Schirmbeck als „hervorragend“. Weber nutzt sein Plädoyer vor allem dazu, einen Antwortbrief seines Mandanten an dessen Peiniger zu verlesen, der sich nach der Tat schriftlich bei ihm entschuldigt hatte.

Verzeihen könne er ihm „leider nicht“, heißt es in der freundlich und höflich gehaltenen Antwort des jungen Mannes, die „mit freundlichen Grüßen“ schließt. Er nehme dem 26-Jährigen nicht ab, dass er sich an nichts erinnern könne. Er müsse wegen dessen Tat ein Leben führen, „dass ich nicht wollte und nicht will“. Nicht nur er, sondern auch seine Mutter sei seitdem schwer traumatisiert. Er lebe meist in Angst, weine sehr viel. Und leider habe sich bei seinem Anwalt auch nie jemand von der Familie des Täters gemeldet, um mit ihm Kontakt aufzunehmen.

Beschuldigter: „Was durch mich passiert ist, ist etwas Schreckliches.“

Auch Strafverteidiger Helmut Mörtl hat alledem nur wenig hinzuzufügen. Er appelliert in erster Linie an das Gericht, seinem Mandanten neben einer Unterbringung nach §63 auch eine Drogentherapie nach §64 zu gewähren. Denn auch wenn mehrere Entziehungsversuche des 26-Jährigen in der Vergangenheit gescheitert seien, so habe diese Tat seine Therapiebereitschaft sicher deutlich erhöht.

Am Ende meldet sich der Beschuldigte selbst zu Wort. Er hatte im bisherigen Verlauf des Prozesses geschwiegen. „Was durch mich passiert ist, ist etwas Schreckliches“, sagt er, gefasst, doch immer mal um Worte ringend. Es belaste ihn, er schäme sich so sehr, wie er sich noch nie geschämt habe. Was er getan habe, sei durch nichts zu entschuldigen oder zu rechtfertigen und es sei „das komplette Gegenteil von dem, wofür ich eigentlich einstehe“.

Mehrfach bittet er das Gericht darum, ihm die Möglichkeit einer weiteren Drogentherapie zu geben. Er wolle da raus. Er wolle damit nichts mehr zu tun haben. Er wolle „ein normales Leben führen“. Den Antwortbrief des 20-jährigen Opfers könne er absolut verstehen. „Ich habe an diesem Tag sein bisheriges Leben beendet.“ Beim Gericht bedankt er sich dafür, dass man hier „so menschlich“ mit ihm umgegangen sei.


Anmerkung der Redaktion: In unserer Überschrift war zunächst von versuchtem Mord die Rede. Nach dem am 13. Oktober ergangenem Urteil, das auf versuchten Totschlag erkannte, haben wir das geändert.


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Kommentare (7)

  • Mr. B.

    |

    Einfach der Wahnsinn!
    Mich würde interessieren, ob er in seinem Leben anfangs mit weichen Drogen begonnen hatte?

  • Tröster

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    @Mr.B.
    Aus meiner langjährigen Erfahrung am Gericht: Meist fängt’s mit Alkohol an…

  • michinga

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    @Mr. B: sicherlich. Wer hat nicht seine/ihre Drogenkarriere mit Alkohol begonnen? Alles andere wäre eine seltene Ausnahme.

  • Mr. B.

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    “Zu Tröster und michinga:”

    Bitte meine Frage nochmals genau lesen und dann antworten.
    Die Drogenabhängigkeit des Angeklagten spielte in diesem Verfahren eine große Rolle.
    Deshalb meine Frage.
    Ich kann und will Ihnen das Kiffen natürlich nicht verbieten.

  • michinga

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    @ Mr. B.: Sie haben sicher recht: man kann sich trefflich darüber streiten, ob Alkohol eine weiche Droge ist oder eher zu den harten gezählt werden sollte. Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Droge#Klassifizierung_nach_hart_und_weich

    Es stimmt, dass Sie weder mir noch anderen das Kiffen verbieten können. Neben der Tatsache, dass ich Ihre Aussage als infame Unterstellung empfinde, kann nur der Gesetzgeber etwas verbieten. Ohnehin ist hier die Rechtslage ja entsprechend – ein Verbotsgesuch Ihrerseits wäre also sowieso überflüssig.

    Um Ihre Aussage näher einordnen zu können, könnten Sie ja darlegen, welche Drogen Sie selbst als “weich” klassifizieren.

  • Dagmar

    |

    Wiedermal eine Wahnsinnstat mehr. Wenn die Verantwortlichen nicht rigoros gegen diese Peiniger und ihre Dealer vorgehen sind sie fehl am Platz.

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drin