Die braune Perle der Oberpfalz
Amberg ist nicht nur die „Perle der Oberpfalz“, sondern gilt als Beispiel für das Verharmlosen und Kleinreden von Nazi-Strukturen. Zu diesem Ergebnis kommt die Amadeu-Antonio-Stiftung in einem aktuellen Report. Manche Politiker seien „eher Teil des Problems denn der Lösung“, lautet ein Fazit. Beim Amberger Oberbürgermeister kann man durchaus zu dieser Einschätzung kommen.
Regelmäßiger Treff für rechte Konzerte: Das Amberger Pilspub 500. Hier versucht die Polizei, Neonazis davon abzuhalten, eine Demonstration anzugreifen. Foto: as/ Archiv
„Der Umgang mit rechtsextremen Tendenzen, der Mangel an Sensibilität und demokratischer Haltung sowie das unzureichende Wissen um rechtsextreme Ideologie-Bausteine erweist sich jedoch nicht nur im Behördenapparat als Problemfeld. Auch auf kommunaler Ebene zeigt sich regelmäßig, dass einzelne Politikerinnen und Politiker eher Teil des Problems denn der Lösung sind.“
Das sind die einleitenden Worte zu einem Bericht über Amberg. In dem Report „Staatsversagen. Wie Engagierte gegen Rechtsextremismus im Stich gelassen werden“ (hier als PDF), den die Amadeu-Antonio-Stiftung am Mittwoch der Öffentlichkeit vorgestellt hat, sind der „Perle der Oberpfalz“ zwei von 24 Seiten gewidmet. Das 40.000-Einwohner-Städtchen gilt den Verfassern beispielhaft für das Verharmlosen und Kleinreden rechtsextremer Strukturen. Nicht die Nazis würden in Amberg „als Problem benannt, sondern jene, die sich dem Treiben widersetzen“.Von ungefähr kommt diese Einschätzung nicht.
Zu Gast in Amberg: Nazi-Bands, Holocaustleugner und NPD-Größen
In der Vergangenheit fanden in Amberg immer wieder Neonazi-Konzerten im dort ansässigen Pilspub 500 statt, deren Einnahmen unter anderem dem Kameradschaftsnetzwerk „Freies Netz Süd“ zugute kommen. Der Polizei sind diese Konzerte häufig bekannt, doch im Polizeibericht schweigt man sich darüber aus.
Ein örtliches Schützenheim diente den einschlägig bekannten „Nationalen Sozialisten Amberg“ bzw. dem „Nationalen Widerstand Amberg“ immer mal als Veranstaltungsort. Alte Kameraden und Holocaustleugner schwangen dort ihre Reden oder erteilten „juristische Schulungen“ – der Vorsitzende des Schützenvereins ist der CSU-Ortsvorsitzende Anton Donhauser. Als der Bayerische Rundfunk die Sache aufdeckte, herrschte zunächst Schweigen. Dann wurde gelogen, laviert und versucht, das Ganze kleinzureden.
Überregional aktiv: Der “Nationale Widerstand Amberg” (hier bei einer Demonstration in Passau). Foto: Archiv
Der Verfassungsschutzbericht 2011 beziffert die Zahl der beim „Nationalen Widerstand Amberg“ Aktiven auf etwa 30. Ebenfalls dort erwähnt ist die rechtsextremistische Amberger Band „Noise of Hate“. Bei der Bundestagswahl 2009 fuhr der Amberger Direktkandidat Heidrich Klenhardt mit 2,5 Prozent das beste Erststimmen-Ergebnis für die NPD in der Oberpfalz ein. NPD-Größen wie der Fraktionschef in Mecklenburg-Vorpommern, Udo Pastörs, oder Holger Apfel, damals NPD-Chef in Sachsen, heute Bundesvorsitzender, haben Amberg in den letzten Jahren Besuche abgestattet.
OB und Polizeichef: „Es gibt keine Nazi-Szene“
Das scheint aber alles kein Problem zu sein – zumindest nicht für Oberbürgermeister Wolfgang Dandorfer (CSU). Von den Medien mit den Nazi-Umtrieben in seiner Stadt konfrontiert, bestreitet er in regelmäßigen Abständen die Existenz einer rechtsextremen Szene in Amberg. Auf seiner Seite hat er dabei den örtlichen Polizeichef.
Holte 2009 das beste NPD-Ergebnis in der Oberofalz: Der Amberger Parteichef Heidrich Klenhardt (hier bei einem Aufmarsch in Regensburg). Foto: Archiv/ as
Den Verfassern des Reports verweigerte Dandorfer trotz mehrfacher Anfragen ein Interview, ließ am Ende lediglich eine knappe Stellungnahme verfassen, in der das Mantra von der nichtexistierenden Szene und der Verweis auf die Einschätzung der Polizei wiederholt wird. Eine recht beeindruckende Chronik von Nazi-Umtrieben, die 2010 von der ver.di-Jugend Oberpfalz vorgelegt wurde, scheint ihn in dieser Annahme nicht zu beirren. Im Gegenteil. Just diese ver.di-Jugend ist für Dandorfer das Problem.
Schuld ist die Gewerkschaft
Diese mache Amberg, wo es ja überhaupt keine Neonazi-Szene gebe, „zu einer zentralen Anlaufstelle für eine politische Auseinandersetzung mit Neofaschisten aus dem gesamten nordbayerischen Raum“, schrieb Dandorfer 2010 in einem empörten Brief an den Oberpfälzer ver.di-Vorsitzenden Manfred Hellwig. Er forderte diesen darin (erfolglos) auf, sich von der Jugendorganisation zu distanzieren.
Der Hintergrund: Die Gewerkschaftsjugend hatte zu einer Mahnwache und Demonstration für Klaus Peter Beer aufgerufen und in diesem Zusammenhang auch die Politik der Stadt Amberg kritisiert.
Beer wurde am 7. September 1995 von zwei einschlägig bekannten Neonazis ermordet. Weil er schwul war, schlugen die beiden Skinheads Richard L. und Dieter M. Beer nach einem Kneipenbesuch nieder, traten mit ihren Springerstiefeln auf ihn ein und warfen ihn anschließend in die Vils, wo er ertrank. Der sogenannte „Vilsmord“ machte bundesweit Schlagzeilen, ein sichtbares Gedenken an Beer fehlt in Amberg bis heute.
Gedentafel-Klau stößt auf Ignoranz
Die ver.di-Jugend nahm dies zum Anlass, der Stadt eine Gedenktafel zu stiften und diese im Rahmen der Demonstration, die von Angriffen und wütenden Protesten zahlreicher Neonazis begleitet wurde, an der Vilsbrücke anzubringen. Wenige Tage später war die Tafel weg und durch einige Nazi-Aufkleber des „Freien Netz Süd“ ersetzt worden.
Hing nur wenige Tage an der Vilsbrücke: Die Gedenktafel für Klaus Peter Beer. Foto: Archiv/ as
Eine Strafanzeige des Bezirksvorsitzenden der verdi-Jugend, Stefan Dietl, wegen Diebstahls wollte die Polizei zunächst nicht annehmen. „Nur die Stadt kann Anzeige erstatten, wurde mir gesagt“, so Dietl. Bei der Stadt selbst sah man dazu keine Veranlassung, wie eine Anfrage unserer Redaktion ergab. „Diese Tafel wurde von uns nicht genehmigt und auch nie offiziell übergeben. Wir werden deshalb auch sicher keine Anzeige erstatten“, hieß es seinerzeit. Nach unserem Bericht nahm die Polizei schließlich doch Ermittlungen auf. Ergebnislos. Auch sonst gab es keine Reaktionen von städtischer Seite. Und so fehlt eine Erinnerung an Klaus Peter Beer in Amberg bis heute.
Beers Mörder und NSU-Mandy
Einer seiner beiden Mörder erfuhr während der Haft übrigens rührende Unterstützung. Über die zwischenzeitlich verbotene „Hilfsorganisation für nationale Gefangene und deren Angehörige“ wurde Richard L. von der NSU-Unterstützerin Mandy Struck betreut. NSU-Mitglied Beate Zschäpe, gegen die am 17. April der Prozess in München beginnt, erhielt bei Mandy Struck Unterschlupf, gab sich zeitweilig diese aus und benutzte auch deren Personalausweis, um unbehelligt im Untergrund agieren zu können.