Dem Flipsdieb auf der Spur
7,19 Euro. So viel sind die Süßigkeiten wert, die vor einem Jahr aus einer Regensburger Tankstelle geklaut wurden. Geschätzte 2.000 Euro kostete jetzt das Verfahren gegen einen Mann, der den Aufnahmen, die eine Überwachungskamera von dem Täter gemacht hat, nicht einmal entfernt ähnlich sieht.

Teil des Diebesguts: Eine Tüte Erdnußflips.
„Der Haaransatz passt nicht. Die Nase ist zu lang. Gesichtsform, Ohren, Mund, Körperbau….ich schreib da jetzt einfach mal noch ‘etc.’ hin.“ Folgt man dem Sachverständigen Professor Jochen Buck, dann sieht Aziz M. (Name geändert) dem unbekannten Dieb nicht einmal entfernt ähnlich. Dem unbekannten Dieb, der im April 2011 in einer Tankstelle Lebensmittel (Erdnußflips, Schokosticks und eine Limo) im Wert von rund 7,19 Euro geklaut und unter den Augen der Überwachungskamera verputzt hat.
Großer Bahnhof wegen 7,19 Euro
Am Donnerstag sollte nun vor dem Amtsgericht Regensburg geklärt werden, ob es sich bei Aziz M. um besagten Flipsdieb handelt. Geladen waren mehrere Zeugen, Gutachter Buck und ein Arabisch-Dolmetscher für Angeklagten, der zwar fließend deutsch, aber kein Wort arabisch spricht. Doch das nur am Rande.
Bereits im Vorfeld der Verhandlung hatte Richter Werner Gierl durchblicken lassen, dass er „erhebliche Zweifel an einem hinreichenden Tatverdacht“ habe. Doch die Staatsanwaltschaft ließ sich nicht davon abbringen: Aziz M. hat das Naschzeug geklaut. Immerhin war über ein Jahr intensiv ermittelt worden und: „Aufgrund des besonderen öffentlichen Interesses“ halte man an einer Strafverfolgung fest.
Frappierende Ähnlichkeit: Schwarze Haare
Eine Zivilstreife hatte Aziz M. – etwa einem Monat nach dem Vorfall in der Tankstelle – abends beim Nachhauseweg aufgehalten. Er habe die Tankstelle um 7,19 Euro erleichtert, so der Vorwurf. Er sei klar zu identifizieren. Da helfe alles leugnen nichts. Da gebe es kein Vertun.
Und tatsächlich: Zwar ist auf dem Film der Überwachungskamera ein recht stämmiger Mann zu sehen, Aziz M. ist eher schmächtig, aber: Aziz M. hat ebenso wie der unbekannte Süßwarenräuber kurze, schwarze Haare.
So viel Übereinstimmung überzeugte auch die Regensburger Staatsanwaltschaft, die allerdings generös auf einen Strafbefehl verzichtete und dem 45jährigen anbot, das Verfahren gegen 100 Euro Geldauflage einzustellen. Wegen Geringfügigkeit.
M. legte Widerspruch ein. Er habe zum Zeitpunkt, als der Süßwaren-Klau stattfand, noch lange Haare gehabt. Dafür gab es auch einen Zeugen. Prompt stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein.
Er war es nicht, er war es doch…
Doch drei Monate später flatterte M. ein Schreiben der Regensburger Polizei ins Haus. Er solle sich zu den – eigentlich erledigt geglaubten – Diebstahl-Vorwürfen äußern. Die Pächterin der Tankstelle hatte nun – nach einem Gespräch mit dem Polizisten, der Aziz M. „geschnappt“ hatte – Anzeige gegen ihn erstattet.
M. bot an, Fotos von sich machen zu lassen, um diese mit den Kameraufnahmen zu vergleichen. Gesagt getan. Er erhielt mehrfach Besuch von der Polizei. Fotos wurden geschossen und verglichen. Und schließlich kam die Staatsanwaltschaft wieder zu dem Schluss: Er war es doch. Allen Beteuerungen von Aziz M. und der Zweifel eines Sachbearbeiters bei der Polizei zum Trotz. Schließlich beharrte der Zivilfahnder, der M. überführt zu haben glaubte darauf: Das muss er sein, der Dieb.
Dem geplanten Strafbefehl über 300 Euro schob schließlich Richter Werner Gierl einen Riegel vor. Er unterschrieb nicht und beraumte die Hauptverhandlung an.
Am Donnerstag benötigte der geladene Sachverständige dann keine 20 Minuten, um festzustellen: Zwischen Aziz M. und dem Mann auf dem Überwachungsvideo besteht so gut wie keine Ähnlichkeit. Die Zeugen wurden nach Hause geschickt und der 45jährige wurde – wie nun auch von der Staatsanwaltschaft beantragt – freigesprochen.
Am Ende stand eine Entschuldigung
„Es tut mir leid, dass sie derart in die Mühlen der Justiz gekommen sind“, so Richter Gierl am Ende der Verhandlung. „Aber vielleicht ist es auch für sie ein positives Signal, dass am Ende doch eine Stelle steht, an der die Wahrheit herauskommt.“
Die – niedrig geschätzt – 2.000 Euro Verfahrenskosten bezahlt glücklicherweise die Staatskasse. Und den nach wie vor flüchtigen Flipsdieb werden die Ermittler sicher noch schnappen…