„1809 Schreckenstage durch Napoleon – Zum Gedenken an die Opfer 2009“. Diese Inschrift, die Kulturreferent Klemens Unger ins Pylonentor in Stadtamhof meißeln ließ, sorgt weiter für Ärger. Der Historiker Dr. Marcus Junkelmann hat die Inschrift als „In Stein gehauene Geschichtsfälschung“ bezeichnet. Grund: Nicht die Franzosen, sondern österreichische Truppen haben Stadtamhof am 23. April 1809 in Brand gesteckt. Das hat auch Unger mittlerweile eingeräumt. Gegenüber dem Regensburger Wochenblatt hat der Kulturreferent die Inschrift nun damit gerechtfertigt, dass die Franzosen am 19. April ein „Gemetzel an 800 Österreichern und Zivilisten“ verübt hätten.
Zweiter Streitpunkt: Unger hat mit der Inschrift offenbar gegen das Denkmalschutzgesetz verstoßen. Das Landesamt für Denkmalpflege wurde nicht informiert. „Wäre das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege gehört worden, hätte es einer Inschrift an dieser Stelle keinesfalls zugestimmt“, heißt es in einer aktuellen Stellungnahme der Behörde. Beseitigen lassen wird sich die Inschrift wohl nicht mehr. Das würde „die Schäden am Denkmal nicht beseitigen, sondern vergrößern“, so das Landesdenkmalamt. Zwischenzeitlich hat sich Bürgermeister Joachim Wolbergs vor den Kulturreferenten gestellt. Unger habe sich korrekt verhalten, so Wolbergs gegenüber der Mittelbayerischen Zeitung. „Die Inschrift bringt uns nicht um.“ Nachfolgend veröffentlicht unsere Redaktion einen Gastbeitrag von Dr. Marcus Junkelmann.
Die Überschrift in Form des ungemein tief schürfenden Zitats von Bürgermeister Wolbergs „Inschrift bringt uns nicht um“ (was bringt im kulturellen Bereich schon jemanden um?) passt hervorragend zu den übrigen Auslassungen dieses Politikers. Das Vorgehen innerhalb der Regensburger Behörden, das zur Anbringung der Inschrift geführt hat, bleibt mangels Stellungsnahme der unteren Denkmalschutzbehörde nach wie vor unklar. Woher der Bürgermeister weiß, dass der Kulturreferent sich „korrekt“ verhalten hat, ist wohl nur auf den instinktiv kumpelhaften Schulterschluss krisenbewährter Kommunalpolitiker zurückzuführen.
Fest steht jedenfalls, dass die Positionierung des Textes an einer Stelle, wo sie angeblich niemanden störe, gegen den Willen Herrn Ungers erfolgt ist, der sie weit prominenter angebracht haben wollte. Laut Auskunft des Stadtamhofer Heimatvereins wurde der Text im Übrigen ohne die entscheidenden Wörter „durch Napoleon“ eingereicht. Diese hat ganz offensichtlich erst der Kulturreferent hinzugefügt, um seinem manischen Franzosenhass Ausdruck zu geben.
Diese befremdliche Haltung hat Herr Unger erneut unter Beweis gestellt, indem er im Regensburger Wochenblatt Herrn Wendl gegenüber seine Formulierung damit zu rechtfertigen versucht, dass die Franzosen am 19. April ein „Gemetzel an 800 Österreichern und Zivilisten“ verübt hätten. Entgegen seiner ursprünglichen Version, Napoleon habe den Brand am 23. April verschuldet – die der Kulturreferent wegen erwiesener Falschheit offensichtlich fallen gelassen hat – , soll jetzt die Tat der Österreicher vom 23. April aufgewogen werden durch angeblich von ihren Gegnern vier Tage zuvor angerichtete Gräuel. An diesem Tag ritt Napoleon von Ingolstadt nach Vohburg und hatte nicht die leiseste Ahnung von dem, was in Stadtamhof geschah. Warum heißt es dann aber „durch Napoleon“? Es hat jedoch überhaupt kein Massaker stattgefunden, weder an österreichischen Soldaten noch an bayerischen Zivilisten.
Kurz zu den Fakten:
Der französische Marschall Davout hatte bei seinem Abzug am Morgen des 19. April in Regensburg und Stadtamhof das 65. Linieninfanterieregiment unter Colonel Coutard (etwa 2.100 Mann) zurückgelassen. Am Mittag traf von Nordosten das österreichische Korps Kolowrat ein, vertrieb die Franzosen vom Dreifaltigkeitsberg und nahm Stadtamhof unter schweres Artilleriefeuer, bei dem unter anderem das nördliche Stadttor zerstört wurde. Durch diese Bresche drang dann österreichische Infanterie (Regiment Froon Nr. 24, Teil des Regiments Zedtwitz Nr. 25, sowie das 7. Jägerbataillon) in Stadtamhof ein und stürmte bis an den Brückenturm am Nordende der Steinernen Brücke vor. Da sie hier nicht weiterkam und gleichzeitig von den Häusern aus unter konzentrisches Gewehrfeuer geriet, musste sie den Ort fluchtartig wieder räumen. Die Österreicher hatten hierbei etwa 400 Tote und Verwundete (keine „800 Gemetzelte“) und verloren 160 Gefangene, die am nächsten Tag bei der Kapitulation der Franzosen wieder frei kamen.
Schon die Tatsache, dass 40 Prozent der österreichischen Verluste aus unverwundeten Gefangenen bestanden, zeigt, dass von einem Massaker nicht die Rede sein kann. Es handelte sich um eine ganz „normale“ Kampfhandlung. Das belegen auch die etwa 200 Toten und Verwundeten, welche die Franzosen bei dieser Gelegenheit eingebüßt haben. Dass ihre blutigen Verluste nur halb so hoch waren wie die der Gegner, ist bei einem erfolgreichen Verteidigungsgefecht nicht ungewöhnlich, zumal die französischen Truppen eine höhere Kampfkraft besaßen. Ich möchte betonen, dass ich mit dieser Schilderung den Angaben im Werk des österreichischen Kriegsarchivs folge („Krieg 1809“, Bd. 1, S.403-405, sowie Anhang XXX).
Schon gar nicht fand ein Gemetzel an Zivilisten statt. Am 19. April beschränkten sich die Verluste der Bürgerschaft auf einen einzigen, von den Österreichern versehentlich getroffenen Mann, der allzu neugierig auf sein Hausdach gestiegen war.
Zur Rechtfertigung seiner Inschrift fällt also Herrn Unger nichts Besseres ein, als die eine Geschichtsfälschung durch eine weitere aufzuwiegen, und dann auch noch zu behaupten, darauf beziehe sich die bestehende Inschrift, was freilich kein Leser derselben erraten wird und wohl auch Herrn Unger erst jetzt eingefallen ist.
Besonders peinlich berührt an dieser Haltung, dass die Franzosen, die 1809 ihren bayerischen Verbündeten bei der Abwehr einer Aggression halfen, welche selbst der österreichische Oberkommandeur für unverantwortlich hielt und die am 19. April bei der Verteidigung des bayerischen Stadtamhof 200 Tote und Verwundete geopfert haben, sich nun ausgerechnet von bayerischer Seite als Kriegsverbrecher beschimpfen lassen müssen.
Dass Herr Unger es nun gerne bei seinen selbstherrlichen Geschichtsklitterungen belassen, „die Sache für erledigt erklären, Napoleon wieder im Geschichtsbuch verstauen“ möchte, glaubt man ihm gerne. Doch werden wir ihm diesen Gefallen nicht tun, zumal er selbst aus diesem Buch ganz offensichtlich noch eine ganze Menge zu lernen hat.
Abschließend möchte ich bemerken, dass eine Inschrift, die den Opfern von Kampfhandlungen gewidmet ist – an sich ein überaus löbliches Unterfangen –, drei Kriterien erfüllen muss:
– Sachlich korrekte Information
– Anregen zum Gedenken
– Aussöhnen vergangener Gegensätze
Die Stadtamhofer Inschrift verstößt eindeutig gegen das 1. und 3. Kriterium. Sie stellt Tatsachen nachweislich auf den Kopf, reißt durch einseitige Schuldzuweisungen alte Wunden auf und regt zu neuem Zwist statt zur Versöhnung an. Sie in dieser Form stehen zu lassen, wäre eine Schande für Stadtamhof, Regensburg und Bayern!