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REWAG

Verdummte Briegel-Kündigung: Das Abwälzen der Verantwortung beginnt

Folgt man einer Stellungnahme der städtischen Pressestelle, dann waren das Beteiligungsmanagement und ein Fachanwalt für Arbeitsrecht verantwortlich für die peinlichen und möglicherweise teuren Formfehler bei der Kündigung des REWAG-Vorstands. Wobei: Fehler will man gar keine gemacht haben – und zögert das Ganze hinaus.

Ein Bild aus glücklicheren Tagen: Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer, Torsten Briegel und sein Vorstandskollege Bernd Büllmann bei einem Richtfest kurz nach Briegels Amtsantritt als REWAG-Vorstandschef. Rein formal ist Briegel immer noch im Amt. Foto: Stefan Effenhauser/Stadt Regensburg

Wer trägt die Verantwortung für die juristische Ohrfeige, die sich die REWAG und mittelbar die Stadt Regensburg am zurückliegenden Montag vor dem Landgericht Regensburg eingefangen haben? Wie berichtet, bekam der im vergangenen Jahr geschasste Vorstandschef Torsten Briegel mit seiner Klage gegen den Energieversorger in vollem Umfang recht. Seine außerordentliche Kündigung ist demnach unwirksam.

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Das eigentlich im März 2022 gekündigte und noch bis Ende Oktober 2024 laufende Anstellungsverhältnis läuft demnach weiter. Gerichts- und Anwaltskosten dürften sich (allein, was die gesetzlichen Gebühren betrifft) auf 40.000 Euro belaufen, eine Abfindung von über 600.000 Euro steht im Raum.

Zwei Kündigungsschreiben unwirksam – wer trägt die Verantwortung?

Peinlich: Dabei ging es um keinerlei inhaltliche Gründe – mit der Frage, ob Briegel tatsächlich durch falsche Einkaufspolitik beim Gas einen Millionenschaden verursacht hat und deswegen außerordentlich gekündigt werden könnte, musste sich das Gericht (das daran erhebliche Zweifel äußerte) nicht weiter beschäftigen.

Gemäß dem Urteil der 2. Kammer für Handelssachen scheiterte die REWAG bzw. deren Mehrheitseigentümerin, die Stadt Regensburg, nämlich bereits am Grundlegenden. Demnach hat man es bei zwei Versuchen nicht hinbekommen, eine formal korrekte Kündigung zuzustellen.

Wer die politische Verantwortung dafür trägt, ist klar: Unterzeichnet wurden beide Kündigungsschreiben von Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer in ihrer Eigenschaft als Vorsitzende des Aufsichtsrats bei der REWAG. Doch von wem wurde sie dabei juristisch beraten? Wer hat die Schreiben verfasst?

Das Beteiligungsmanagement und ein Fachanwalt

Der städtische Rechtsreferent Dr. Wolfgang Boeckh soll dem Vernehmen nach zwar in nichtöffentlicher Sitzung davon gesprochen haben, dass die Kammervorsitzende Richterin Adda Trautzsch, bei der Briegel mit seiner Klage Erfolg hatte, eine „Mindermeinung“ vertrete. Öffentlich hatte Boeckh aber stets Wert auf die Feststellung gelegt, dass er mit der Kündigung nicht befasst gewesen sei – weder formell noch inhaltlich.

Auf Nachfrage räumt die städtische Pressestelle nun ein, dass beide Kündigungen vom Beteiligungsmanagement der Stadt Regensburg vorbereitet wurden – Chef: Xaver Haimerl. Beraten worden sei man dabei von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht: augenscheinlich Rechtsanwalt Christian Siegert-Bomhard, der die REWAG auch beim gescheiterten Gütetermin vor dem Landgericht Regensburg vertreten hat.

REWAG und Anwalt machen keine Fehler – sagt die Stadt Regensburg

Fehler werden in der Stellungnahme der städtischen Pressestelle nicht eingeräumt. Der mandatierte Rechtsanwalt sei zusammen mit der REWAG „der Auffassung, dass beide Kündigungen formwirksam ausgesprochen wurden“, heißt es. Besagter Anwalt werde dem Aufsichtsrat der REWAG deshalb empfehlen, in Berufung zu gehen. Mit erneuten Kosten und unklaren Erfolgsaussichten. Möglicherweise ist die Berufung sogar aussichtslos und lediglich ein Hinauszögern des Unvermeidlichen.

Liest man das Urteil, liest sich die städtische Stellungnahme wie eine Samnmlung von Durchhalteparolen. Und es ist bemerkenswert, dass die Stadt, die uns als einzig auskunftsberechtigte Stelle genannt wurde, selbst keinerlei Position bezieht, sondern stets auf jene der REWAG (die nicht sagen darf) und des mandatierten Anwalts verweist. Und diese Position ist lücken- und auch zweifelhaft. Dabei lohnt sich ein Blick auf die Details.

Erste Kündigung: Argumente, die schon vor Gericht zerlegt wurden

Das Landgericht Regensburg hatte an der ersten fristlosen Kündigung vom 7. März 2022 bemängelt, dass der entsprechende Aufsichtsratsbeschluss, mit dem die Oberbürgermeisterin zur Kündigung ermächtigt wurde, dem Schreiben nicht beigelegen sei.

Braucht es auch nicht, teilt die Pressestelle mit. Die Ermächtigung der Oberbürgermeisterin ergebe sich bereits aus der Satzung der REWAG. Eine Argumentation übrigens, die man bereits vor Gericht angeführt hatte, die aber die Kammer nicht beeindruckte. Wörtlich heißt es in der Entscheidung der 2. Handelskammer:

„Dies (also der entsprechende Passus in der Satzung der REWAG) enthebt (…) gerade nicht von der Pflicht, die entsprechende Bevollmächtigung, also den Beschluss als solches, vorzulegen.“

Kurz gesagt: Der Passus reicht nicht. Ausdrücklich nicht. Überhaupt nicht. Kündigung unwirksam.

Torsten Briegel hat demnach also, drei Tage später, diese Kündigung zurecht unverzüglich zurückgewiesen.

Zweite Kündigung: Man will wieder alles richtig gemacht haben

Bei der REWAG bzw. der Stadt Regensburg bzw. dem Beteiligungsmanagement bzw. dem mandatierten Fachanwalt reagierte man darauf. Die städtische Pressestelle beschreibt das gegenüber unserer Redaktion so: Obwohl man der Auffassung sei, dass bereits die erste Kündigung formal korrekt war,

„hat das Beteiligungsmanagement der Stadt nach formeller Zurückweisung der ersten Kündigung durch den Kläger, beraten durch den Fachanwalt für Arbeitsrecht, am 16. März 2022 eine weitere von der Aufsichtsratsvorsitzenden erklärte Kündigung mit dem Originalbeschluss des Aufsichtsrats in der Anlage veranlasst“.

Diese sei dem Kläger „form- und fristgerecht“ am 17. März 2022 zugegangen.

Näheres wird in der Stellungnahme nicht ausgeführt – dafür aber im Urteil der 2. Handelskammer am Landgericht Regensburg. Dort finden sich gleich mehrere Gründe, warum auch das zweite Kündigungsschreiben unwirksam war.

Gericht sieht mehrere Fehler

Zum einen stellt die Kammer fest, dass dieser Kündigung zunächst keine Originalvollmacht, also der Beschluss im Original oder eine beglaubigte Kopie dieses Beschlusses beilag, sondern „lediglich eine eingescannte Kopie“.

Zum zweiten sei, so die Kammer weiter, die zweiwöchige Frist zur Erklärung einer außerordentlichen Kündigung nicht eingehalten worden. Diese Frist läuft ab dem Zeitpunkt, zu dem der „Kündigungsberechtigte“, also der Aufsichtsrat der REWAG, von den maßgeblichen Tatsachen erfährt, deretwegen die Kündigung ausgesprochen werden soll.

Und darüber, dass Torsten Briegel „von den Regelwerken in eklatanter Weise abgewichen sei und gegen bestimmte Handlungspflichten verstoßen habe“ (die behauptete Folge: ein Millionenschaden durch falsche Einkaufspolitik), erfuhr der Aufsichtsrat bereits anlässlich einer Sitzung am 23. Februar 2022.

Die REWAG wendet dagegen ein, dass der Aufsichtsrat doch erst später von dem Millionenschaden erfahren habe, am 7. März 2022, und dass die Zwei-Wochen-Frist doch erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen begonnen habe. Das möge sein, heißt es in dem Urteil der Handelskammer. Das Problem dabei:

Im zweiten Kündigungsschreiben bezieht sich die REWAG bzw. das Beteiligungsmanagement bzw. der von dort mandatierte Rechtsanwalt „eben gerade nicht“ auf die Sitzung vom 7. März, sondern erneut auf jene vom 23. Februar und wiederholt „wortwörtlich“ die Kündigungsgründe aus dem ersten, unwirksamen Schreiben. Somit sei auch die Frist bei der zweiten Kündigung nicht eingehalten.

Das Hinauszögern kostet ja nur ein paar 10.000 Euro…

Auffällig in der Stellungnahme der städtischen Pressestelle ist, dass man stets auf den Fachanwalt verweist, den man mandatiert habe, von dem man beraten worden sei und der dem Aufsichtsrat empfehlen werde, in Berufung zu gehen. Vielleicht ist es ein Abwälzen von Verantwortung. Vielleicht ein Hinweis darauf, wer irgendwann einmal für den sechsstelligen Schaden den in Haftung genommen werden kann, wenn auch die Berufungsinstanz bestätigen sollte, dass hier Dilettanten am Werk waren. Dieses Hinauszögern kosten dann nur – rein an den gesetzlich vorgesehenen Gebührensätzen und Gerichtskosten – weitere 45.000 Euro.

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Kommentare (9)

  • da Loisl

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    ja, so sans!
    In der MZ war zu lesen, dass der Vorstand den Leiter des Beteiligungsmanagements bereits am 17.01.2022 über den Sachverhalt informierte. Warum fand die Information des Aufsichtsrats erst am 23.02. statt? Das könnte m.E. im Berufungsverfahren auch noch eine Rolle spielen. Warum hat man einen Fachanwalt für Arbeitsrecht und nicht für Gesellschaftsrecht mandatiert? Gab es in der Beteiligungslandschaft der Stadt Regensburg noch nie vergleichbare Auseinandersetzungen? Fragen über Fragen!
    Recherchen im Internet empfehlen, bei einseitigen Rechtsgeschäften wie Kündigung des Beschäftigungs- oder Mietverhältnisses immer die Bevollmächtigung durch Originalurkunde nachzuweisen. Hat das Beteiligungsmanagement der Stadt kein Internet?
    Irgendwo las ich mal, dass vor allem in der öffentlichen Verwaltung, aber nicht nur dort, eine Beförderung nach sich zöge. Also, weiter auf der Karriereleiter! :-)

  • Reiner Wehpunkt

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    Was für ein schlamperter Haufen: die 14-taegige Frist nicht beachtet, den Aufsichtsratbeschluss nur eingescannt…… doch nullproblemo – zahlen muss es schließlich der Steuerzahler!

    Und dass der “mandatierte Rechtsanwalt” der REWAG empfiehlt, in Berufung zu gehen – ein Schelm, wer da nun denkt: der will die Kuh doch nur weiter melken?

  • Luck

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    Wenn man alles richtig gemacht hat und nur so manches Gericht noch nicht zu dieser Einsicht durchgedrungen ist, ist es ja nur eine Frage der Zeit, bis sich alles klärt.

    Seltsam ist nur, dass schon heute fest steht, dass man so manches noch richtiger hätte machen können.
    Aber das Durchringen zu dieser eigentlich einfachen Erkenntnis verbietet wohl der Amtsstolz.
    Das wird aber dennoch nicht verhindern, den Anschein zu erwecken, als verwaltungstechnischer “Leichtmatrose” geoutet zu werden.
    Irgendwie ist dies dann aber doch nichts ganz so Neues in Regensburg…

  • Karl Straube

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    Lieber Herr Loisl,
    wer oder was zieht eine Beförderung nach sich?
    Denken Sie an die “geräuschlose Sublimierung” nach Laurence J. Peter?

  • xy

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    Wenn ich gefragt würde, würde ich raten, von Rechtsmitteln abzusehen. Die Formfrage (§ 174 BGB) scheint mir seit 2003 durch Rechtsprechung (OLG Düsseldorf, U. v. 17.11.2003 – I-15 U 225/02, Rdnr. 26, http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/duesseldorf/j2003/I_15_U_225_02urteil20031117.html) und den aktuellen BGB-Kommentar ziemlich eindeutig geklärt. Das hätte man ganz klar und eindeutig zu beachten gehabt. Die Nichtbeachtung war grobfahrlässig. Durch Rechtsmittel vertieft man den Schaden nur noch.

    Man sollte ernsthaft darüber nachdenken, ob man Briegel nicht einfach wieder in sein Amt einsetzt, sofern die Gründe der fristlosen Kündigung nicht so schwerwiegend sind, dass sie dies auschließen würden, woran die Richterin ja offenbar zweifelt.

  • Luchs

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    Bis jetzt bin ich immer davon ausgegangen, dass nur Menschen verdummen können. Der Überschrift nach, nun also auch Schriftstücke bzw. ganze Vorgänge. Wieder was gelernt!
    Es ist eigentlich ein Trauerspiel, was die aktuelle bzw. die ehemalige Stadtspitze und Teile der Verwaltung in den letzten Jahren für ein unprofessionelles und beschämendes Bild abgeben, aber so erhält die unterhaltsame Symbiose aus Presse, Gerichtsbarkeit und Politik zumindest ausreichend Futter!

  • da Loisl

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    Ja genau, Herr Straube! Da ich mir nicht sicher war, ob das Peter-Prinzip allgemein bekannt ist, habe ich seine Wirkung nur beschrieben.

  • Beobachter

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    Danke für die exzellente Berichterstattung. Das Bild, was die Stadtverwaltung und die OBin abgeben, ist desaströs. Erschreckend ist, dass die causa REWAG nur die Spitze des Eisbergs ist. Das Trauerspiel wird noch bis 2026 andauern. Das hat Regensburg nicht verdient.

  • unbekannter

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    Nur mal zur Info hier, 99% der Kündigungen die von der Stadt ausgesprochen werden bzw veranlasst werden diese werden vom Arbeitsgericht wieder einkassiert. Egal in welchen Amt. Die Stadt besonders das Rathaus und einige Ämter werden nur von Leuten geleitet die ihre Posten durch bekannte bekommen haben, aber keine Fachliche Eignung haben.

Kommentare sind deaktiviert

drin