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Freifunk in Regensburg

Vom Nerdprojekt zum Bürgernetz

Das Prinzip Freifunk erreicht Regensburg: Seit ein paar Monaten versucht eine Gruppe Computerspezialisten, die Basis für stadtweites freies Internet und unabhängige Bürgervernetzung zu schaffen.

Ein Netz in Bürgerhand: Das Funktionsschema des Freifunks, wie es am Dienstagabend präsentiert wurde. Fotos: ld.

Ein Netz in Bürgerhand: Das Funktionsschema des Freifunks, wie es am Dienstagabend präsentiert wurde. Fotos: ld.

Nicht jeder im Bonhoeffer-Saal kommt bei den Ausführungen von Andreas Hechtbauer zu jeder Zeit mit. Von Access Points und Ad Hoc Netzwerken ist da die Rede, von Traffic und Gateways, von Routern, die „meshen” können und VPNs, die „über Schweden tunneln”.

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Interessiert sind die gut vierzig Zuhörer, die am Dienstagabend ins Evangelische Bildungswerk gekommen sind, aber allesamt. Interessiert an jenem Projekt, das bereits in vielen Städten vorangetrieben wird und jetzt auch in Regensburg in den Startlöchern steht: der Freifunk.

Nerds bauen Fundament für unabhängiges Bürgernetz

Und auch wenn Hechtbauer und seine Mitstreiter aus der Binary Kitchen, einem Hackspace im Stadtosten, sich am Abend öfter in allzu technische Diskussionen verlaufen – aus dem Publikum wird das augenzwinkernd mit „Nerds!”-Zwischenrufen quittiert: Sie geben sich sichtlich Mühe, das durchaus komplexe Prinzip eines lokal vernetzten Internets zu erklären. Zum einen soll es kostenfreies öffentliches WLAN ermöglichen, zum anderen der Prototyp eines unabhängigen Bürgernetzes sein.

Die Grundidee des Freifunks sieht vor, dass Privatleute, aber auch Gastrobetriebe oder öffentliche Einrichtungen ein zusätzliches Gerät an ihren Internetzugang koppeln. Dieses Gerät – ein handelsüblicher Router, der mit einer speziellen Firmware bespielt wird – fungiert dann als sogenannter Access Point (Zugangspunkt). Mit ihm kann sich jedes WLAN-fähige Gerät innerhalb seiner Reichweite verbinden.

Dadurch wird zweierlei möglich: Zum einen kann den Internetanschluss jetzt auch eine fremde Person nutzen, die sich z. B. über ihr Smartphone oder ihren Tablet PC verbunden hat. Zum anderen ist eine direkte Kommunikation zwischen den über den Access Point miteinander verbundenen Geräten möglich – ohne Umweg über das World Wide Web.

„Die Bürger sollen selber das Netz in der Hand haben.”

Damit das ganze stadtweit funktioniert, muss es aber natürlich möglichst viele solcher Access Points geben – nach Möglichkeit in gegenseitiger Funkreichweite. Erst dann entsteht ein echtes Netzwerk, welches flächendeckenden Freifunk-Empfang erlaubt und den Austausch von immer mehr Bürgern untereinander auch ohne Nutzung des eigenen Internetproviders erlaubt. „Freifunk versteht sich nicht als Netzbetreiber”, erklärt Hechtbauer am Dienstag. „Die Bürger sollen selber das Netz in der Hand haben.”

Dafür, dass der Freifunk in Regensburg populär wird und sich die Handvoll Access Points im Stadtgebiet möglichst schnell vermehren, arbeiten Hechtbauer und seine Mitstreiter ehrenamtlich und nichtkommerziell. Als eingetragener Verein kümmert man sich um die Pflege der Infrastruktur, hilft bei der Einrichtung von Routern und der Konfiguration des Freifunks und macht Werbung. 

Andreas Hechtbauer von der Binary Kitchen stellte den interessierten Zuhörern das Freifunk-Konzept vor.

Andreas Hechtbauer von der Binary Kitchen stellte den interessierten Zuhörern das Freifunk-Konzept vor.

Es kommt auf die Werbung an

Dass es insbesondere auf letzteres ankommt, bekräftigt im Bonhöffer-Saal ein Gast aus Ingolstadt. Er hat den mittlerweile erfolgreich laufenden Freifunk in Münster mit aufgebaut und ist mit einigen Gleichgesinnten gerade dabei, an seinem neuen Wohnort in Oberbayern ein entsprechendes Modell zu etablieren. „Irgendwann standen wir da mit unserer Infrastruktur und keiner hat sie benutzt”, erzählt er von den Erfahrungen in Münster. Erst, nachdem ein örtliches Café den Freifunk bei sich installierte und dazu ein großer Zeitungsartikel erschien, „ging das dann recht schlagartig”.

Alles, was man benötigt, um beim Freifunk mitzumachen, ist ein Router, den die Freifunk-Software unterstützt. Neben normalen Geräten mit einer Reichweite von meist nur wenigen Metern gibt es auch Richtfunk-Ausführungen, die bei Bedarf mehrere Kilometer Funkstrecke abdecken können. Mit solchen Hilfsmitteln könnte es zum Beispiel auch gelingen, Flüchtlingsheime außerhalb des Stadtgebiets, die keinen eigenen Anschluss haben, via Freifunk mit Internet zu versorgen. Die Router kosten je nach Modell zwischen 20 und 70 Euro.

Rechtliche Lage wird über Schweden umschifft

Während die technischen Hürden also eher niedrig sind, wie Hechtbauer bekräftigt, ist die rechtliche Lage derzeit sehr viel problematischer. Die Rechtsprechung bezüglich der sogenannten Störerhaftung sei momentan uneindeutig. Man wolle nicht, dass die Freifunker im Zweifelsfall Prozesse wegen Urheberrechtsverletzungen durch Dritte vor Gericht durchfechten müssten. Um dieses Problem zu lösen, sichert der Freifunk in Regensburg derzeit den gesamten Traffic (also den Datenverkehr) Nutzer über ein Virtual Private Network (VPN). Obendrein wird der Verkehr über Schweden umgeleitet.

Das sei zwar legal, sorge aber unter anderem auch dafür, dass die Freifunk-Verbindung momentan etwas langsamer sei. Sobald es in Deutschland eine rechtliche Grundlage gebe, die eine Haftbarmachung der Freifunker ausschließt, will man den Schweden-Umweg denn auch vermeiden. Hechtbauer hofft darauf, dass sich der in der digitalen Agenda der Bundesregierung formulierte „politische Wille” zur Schaffung von Rechtssicherheit auf Dauer durchsetzt. 

Momentan braucht der Freifunk in Regensburg jedoch wie erwähnt vor allem eins: Leute, die sich für das Konzept begeistern und „so ein Gerät” auf ihre Fensterbank, aufs Dach oder an andere geeignete Stellen montieren. „Wir sind dabei gern behilflich”, sagt Hechtbauer. Dass das Konzept gut, der Weg zum autonomen Bürgernetz aber noch weit ist, zeigt eine nette Anekdote vom Dienstagabend: Als Hechtbauer am Ende seiner Präsentation seinen Laptop mit dem Freifunk verbinden will, bekommt er keine funktionierende Internetverbindung. Nach einigen Versuchen klappt es dann aber doch.

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Kommentare (10)

  • Berthold Tretzl

    |

    Hoffentlich bleibt es nicht beim Nerdprojekt und viele Regensburger machen mit. Ich bin dabei. Kann man auch mehrere Router zur besseren Netzabdeckung verwenden?

    PS:Und vor allem endlich mal ein technisches Thema wo Kommentarkrawallos evtl. nichts zum maulen haben und deswegen das Forum nicht geschlossen werden muß.
    http://www.regensburg-digital.de/stadtbau-weiter-knallhart-gegen-rollstuhlfahrer/16032015/

  • LArs

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    Großartiges Projekt! Verfolge Freifunk schon eine Weile beobachtend (sind halt soweit weg hier von Berlin…) und find’s super, dass in Regensburg nun auch was aufgebaut wird.

  • Zaunfönig

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    @ Berthold Tretzel :

    Kann man auch mehrere Router zur besseren Netzabdeckung verwenden?
    gute Frage – denk , dass 2 Router nebeneinanderstehend nicht viel Sinn machen, da sich dann der ausgestrahlte Bereich beider Router zu beinahe 100% überlappen dürfte .
    wenn dir vom hauseigenen WLAN die Funktion und der Einsatzzweck eines Repeaters bekannt ist, kannst du dir vorstellen, was ich mein . an der Stelle wo das eine WLAN langsam schwächer wird , wär schon ein guter Platz für den nächsten Router .. das kann – je nach qm-Anzahl schon in den eigenen 4 Wänden sein , oder auch erst beim Nachbarn.
    das gute ist : nicht jeder Router braucht automatisch auch eine DSL Buchse . kann , aber muss nicht .. angenommen, du kriegst in deinem Gartenhaus, wo du kein DSL , aber Strom hast, ein WLAN Netzwerk mit der Kennung (SSID) “Freifunk Regensburg” rein ( dass dir auch Zugang zum Internet ermöglicht ). am anderen Ende des Gartens leider schon nicht mehr.. sprich, wenn du beim Rasenmähen einen Radiostream anhören willst über s Netz, reisst der jedes Mal ab, wenn du aus dem Funkbereich fährst.. in diesem Fall könntest du so einen freifunk-Router in deinem Gartenhaus einfach ans Stromnetz anschließen und der würde sich dann zu dem dort noch gut empfangbaren Freifunknetz verbinden und wie eine Relaisstation funktionieren, so dass nun auch noch der Rest des Gartens abgedeckt ist.

    alles in allem: feine Sache – mitmachen !

  • Thoralf Will

    |

    Seit gestern abend ist fast der gesamte Arnulfsplatz versorgt.
    Viel Spaß und macht mit!

  • Fürsterl

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    “…und den Austausch von immer mehr Bürgern untereinander auch ohne Nutzung des eigenen Internetproviders erlaubt. ” Zitat Ende
    Tolle Sache. Früher musste man miteinander reden. Wie ging das noch mal? :-)
    Nein, Spaß beiseite: Eine ganz tolle Sache, von der sicher viel mehr Leute “etwas haben” als von vielen offiziellen Aktionen!

  • hs

    |

    find ich absolut überflüssig.
    Brauchen wir wirklich flächendeckend WLAN, damit alle unterwegs auf ihren Sch… Smartphones rumwischen? Keine Augen mehr für Ihre Umgebung, ständig irgendwelchen Schrott posten, wie
    – ich bin gerade am Arnulfsplatz
    – musste gerade niesen
    – weiss einer meiner Freunde in Fetzbuch, wie das Wetter bei uns ist
    – google, wo ist die nächste grüne Ampel?
    usw….
    Überflüssig bis zum geht nicht mehr.
    Nein, bin keine Innovationsbremse, brauche nur nicht ständig eine online-verbindung zu BND und NSA.
    Bin seit langen Jahren beruflich Softwareentwickler (kein Webpinsler) und sehe keinen echten Bedarf.
    hs

  • Veronika

    |

    @hs: Bitte!!! So schlimm ist es auch nicht, so etwas zu machen.

    Für Deutschland, vor allem Bayern würde ich aber darauf verzichten. Ihr werdet sehen, dass endet staatlich mit viel Ärger. Sollen sich Interessierte eher eine günstige Flat suchen und damit rumsurfen. Ich warte auf die Ersten die dann beklagen, dass ihnen das Smartphone ausgehorcht worden wäre.

  • hs

    |

    @Veronika
    Zitat:
    @hs: Bitte!!! So schlimm ist es auch nicht, so etwas zu machen.
    /Zitat

    Ich sage nicht, daß es schlimm ist, sondern daß ich es für überflüssig halte.
    I C H, nicht generell.

    Zitat:
    Ich warte auf die Ersten die dann beklagen, dass ihnen das Smartphone ausgehorcht worden wäre.
    /Zitat

    Ach das gabs noch nicht, ein Glück….
    Hallo, Aufwachen, wir schreiben 2015
    hs

    Nette Anekdote nebenbei: Habe es selbst in einer Pizzeria am Haidplatz erlebt, daß sich ein Pärchen (< 23 Jahre) am Nebentisch per SMS unterhaltete.
    "Mensch Alder, hab isch dir gerade gesimmst"
    Wenn man sowas sieht, zweifele ich an unserer Jugend…..
    Hätte ich ein Smartphone, hätte ich die beiden gefilmt.
    "Mach ich Foto, tu ich Facebook"

  • „Wir sind keine Bittsteller.“ » Regensburg Digital

    |

    […] derzeit den Kopf zerbrechen. Als offiziell abgearbeitet gilt dieser Punkt bislang noch nicht. Allerdings arbeitet seit dem Spätsommer 2014 der Regensburger Freifunk-Verein – weitgehend abseits von Politik und ohne Förderung – daran, diesem Ziel ein Stück näher zu […]

  • Anonym

    |

    So ein Käse, über Schweden!
    Mein Gott , der Hackerspace + Andreas Hechtbauer weiss wohl nicht ,was nach der Grenze gesetzlich alles erlaubt ist und dass sich Schnüffler nie an Gesetze halten.Es gint Firmen die bewusst ins Ausland gehen um durch den Grenzüberschritt mehr Daten sammeln zu dürfen.VPN sind die am meist angegriffenen Systeme weltweit.Und auch bis heute sehr unsicher.
    Da vertraue ich dem Netz D1 oder D2 schon mehr !!! und lasse meine Daten
    hier im Lande! (soweit möglich ohne diverser Apps etc….).
    Heute bekommt man für 70 EUR keine guŧen Router mehr.
    Fritz Boxen kosten die guten bis 300 EUR.
    Mit billigen zu werben ist Unsinn.Mit 70 EUR kann man jedoch auch schon viel Datenvolumen füs Handy kaufen. LTE ab 10 EUR .
    Wer gibt denn einen Beweis ,wie sicher dieses Bürgernetz sein soll?Der Hackerclub?
    Ne sorry , das glaube ich nicht ! Dan lieber die Hotspots nutzen.Die sind ja eh
    gut verfügbar hier.
    PS:Zu Schweden , wer da im Lande sitzt wissen wohl wenige.

Kommentare sind deaktiviert

drin