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Interview mit Rechtsreferent Schörnig

Betretungsverbot: „Da geht es um fünf oder sechs Fälle im Jahr.“

Betretungsverbot für Feierzonen in der Altstadt: Vergangene Woche hat der Rechtsreferent der Stadt Regensburg zusammen mit Oberbürgermeister Joachim Wolbergs diesen Plan öffentlich vorgestellt. Seitdem hat Schörnig einige böse Mails bekommen. Ungefähr 30 dürften es sein, sagt er. Tenor: Die Stadt wolle den abendlichen Besuchern das Feiern verbieten. Ein Interview.

Rechtsreferent Wolfgang Schörnig glaubt: Das Betretungsverbot schreckt ab. Foto: Archiv

Rechtsreferent Wolfgang Schörnig glaubt: Das Betretungsverbot schreckt ab. Foto: Archiv

Herr Schörnig, wie kommt man auf die Idee, ein Betretungsverbot einführen zu wollen? Wollen Sie denn Leuten das Feiern verbieten?

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Im Gegenteil. Wir wollen die Menschen, die friedlich in der Altstadt feiern, schützen. Ein Betretungsverbot wollen wir gegenüber Leuten aussprechen können, die Gewalttaten begehen: schwere und gefährlich Körperverletzung oder Raub, aber auch gegenüber solchen, die den Einsatz von Polizei und Sanitätern tätlich verhindern. Bei Leuten also, die in der Vergangenheit gezeigt haben, dass sie die Sicherheit und Gesundheit anderer gefährden und wo der Fall von Anfang an klar liegt. Da reden wir über einen Personenkreis von fünf oder sechs Leuten im Jahr. Wenn es zum Beispiel eine Prügelei mehrerer Leute geht, können wir nur schwer entscheiden, wer angefangen und wer in Notwehr gehandelt hat. 

Was war der Anlass für diese Vorstoß?

Wir haben in den letzten vier Jahren einen Anstieg der Gewaltkriminalität in der Altstadt – trotz sinkender Zahlen im gesamten Stadtgebiet. Von 2013 auf 2014 stieg die Gewaltkriminalität in der Altstadt um 11,7 Prozent – in rund 70 Prozent der Fälle ging es um schwere und gefährliche Körperverletzung. Die meisten dieser Taten werden nach 12 Uhr nachts im Umfeld von Discos begangen – für diese Gebiete wollen wir ab September jeweils einjährige Betretungsverbote aussprechen, die zwischen 22 und sechs Uhr gelten sollen.

„Wir sind nicht da, um ein privates Hausverbot abzusichern.“

Gibt es so etwas schon in anderen Städten?

Über Betretungsverbote wird seit ungefähr zwei Jahren diskutiert. München und Augsburg haben so etwas eingeführt – allerdings mit einem anderen Ansatz. Dort werden Verbote ausgesprochen, wenn jemand in einer Disco Hausverbot bekommt. Das wollen wir nicht. Wir sind nicht da, um ein privates Hausverbot abzusichern. Wir wollen die Friedlichen schützen. Deshalb arbeiten wir hier ausschließlich mit der Polizei zusammen, die uns die entsprechenden Täter meldet.

Wie soll das dann konkret ablaufen?

Wir können schneller reagieren als Polizei und Staatsanwaltschaft, die zum Beispiel erst Zeugen vernehmen müssen, ehe es zu einem Strafbefehl oder einer Anklage vor Gericht kommt. Der Betroffenen bekommt von uns unmittelbar, nachdem wir von der Tat erfahren, einen Anhörungsbescheid, in dem das Verbot angekündigt wird, weil er eine Gefahr für andere darstellt. Spätestens zwei Wochen danach wird, wenn sich nichts anderes aus der Anhörung ergibt, das Verbot ausgesprochen – bei Androhung eines Zwangsgelds von 500 Euro, das bei Verstößen auf bis zu 3.000 Euro steigen kann.

„Dafür braucht es keine zusätzlichen Kontrollen.“

Aber wer soll so etwas kontrollieren? Die Türsteher? Der Ordnungsdienst?

Dafür braucht es keine zusätzlichen Kontrollen und das machen ganz sicher auch nicht die Türsteher. Kontrollen macht wie bisher auch die Polizei. Wir wollen mit diesen Verboten abschrecken und verhindern, dass von bestimmten Personen weiter eine Gefahr für andere ausgeht. Da kann es dann schon sein, dass jemand, gegen den ein Betretungsverbot ausgesprochen wurde, trotzdem abends in die Stadt kommt, weil er sich vielleicht nicht traut, es seiner Freundin zu erzählen. Der wird aber schauen, dass er sich ruhig verhält, um nicht kontrolliert zu werden. Und damit ist das Ziel schon erreicht.

Wie sieht es juristisch aus? Ist es solches Verbot überhaupt rechtlich haltbar?

Wir betreten damit juristisches Neuland. Die Stadt München hat aber so einen Fall schon mal gewonnen. Notfalls würden wir das auch über alle Instanzen durchstreiten. Auch das schreckt ab und erneut wäre das Ziel erreicht.

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Kommentare (19)

  • Lothgaßler

    |

    Tu nix, aber mach viel Wind drum!

  • Mathilde Vietze

    |

    Die Mehrzahl der jungen Leute wollen
    friedlich feiern und einfach fröhlich sein.
    Und da darf es nicht passieren, daß sie
    – wenn sie mal zum Rauchen vor die
    Türe gehen – von irgendwelchen
    Krawallbrüdern angemacht oder gar
    körperlich verletzt werden.
    Wer nur in die Altstadt geht, um
    seine Aggressionen abzustau’n,
    hat dort nichts verloren.

  • joey

    |

    “können wir nur schwer entscheiden, wer angefangen und wer in Notwehr gehandelt hat” Die Entscheidung trifft also kein Gericht, sondern eine Verwaltung. Aber, keine Angst, es trifft schon nicht die Falschen. Die Stadtverwaltung macht immer alles richtig, da braucht man keine Gerichte zur Ermittlung von Schuldigen. Die Wahrheit ist der Stadt Regensburg sowieso bekannt, schlimmstenfalls fragt man den Voderholzer?

    Das ist wirklich juristisches Neuland. Reicht das Strafrecht nicht aus, arbeiten die Gerichte zu langsam? Vielleicht. Das ist aber noch lange kein Grund für Selbstermächtigung von Kommunen. Manchmal trifft Augenmaß ins Ziel, aber Recht hat eine philosophische Komponente: wehret den Anfängen. Eine Machtergreifung von Rot Grün ist nicht zu befürchten, aber Prinzipien von Rechtsstaat und Verwaltungsethik gelten für alle – vielleicht brauchen wir diese Prinzipien ja doch einmal dringend.

    Es wäre wohl besser, kurze Reaktionszeiten zu ermöglichen: mit genügend Personal bei Polizei und Justiz, mit Streifen und (zeitweiliger) Videoüberwachung an bestimmten Schwerpunkten. Vielleicht sind ja einige Strafrahmen bei Körperverletzung zu gering. Das entscheidet aber nicht Wolbergs, sondern der Bundestag.

  • Marion Puhle

    |

    Ein solches Betretungsverbot ist affig. 500 Euro Zwangsgeld und bei Verstößen kann sich das bis zu 3000 Euro steigern.
    Lieber Herr Wolbergs, vielleicht machen Sie sich mal Gedanken, warum Menschen gewalttätig werden. Es scheint ja nicht nur ein Phänomen in Regensburg zu sein, sondern auch in anderen Städten kommt es zu Gewaltausbrüchen. Wir haben ein klare Gewaltenteilung. Für Körperverletzung u. andere Delikte ist immer noch unsere Justiz zuständig.
    Und wenn ich dann höre, “mit mir wird es kein Betretungsverbot geben” und dann steht in der Zeitung ganz etwas Anderes, dann kann ich mir meinen eigenen Reim daraus machen.
    Marion Puhle

  • Thoralf

    |

    Gibt zwar kein Gesetz, das ein derartiges Vorgehen ermöglichen würde – aber was soll!
    Wenn sich schon die Bundesregierung nicht ums Grundgesetz schert, kann auch ein Bürgermeister machen was er will.
    m(

  • Räuber Kneisl

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    Es wird mit riesigen Prozentwerten deren Zusammenhang nicht nachvollziehbar sind argumentiert, dividiert und relativiert und am Schluss kommt für die schnelle Eingreifttruppe ein Rest von 5-6 Fälle per Anno raus. Juristisches Neuland, toll gebrüllt Löwe.

  • Mathilde Vietze

    |

    Endlich wieder ein Grund, auf Wolbergs draufzuhau’n!
    Wehe aber, es würde nicht unternommen, wer wäre
    dann schuld? Natürlich der Wolbergs!

  • semmeldieb

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    wenn man nicht will, dass auf einen auch mal draufgehauen wird, sollte man halt nicht bürgermeister werden. das weis er ja und das wollte er genau so.

    ein paar sachen hat er ja auch schon ganz respektabel hinbekommen. für andere sachen haut man ihn eben.

  • ursum63

    |

    Also langsam frage ich mich wie man gestrickt sein muss, wenn man glaubt, hier die Freiheitsrechte von brutalen Schlägern, Drogendealer und Leuten verteidigen zu sollen, die Hilfskräfte wie Sanitäter und Notärzte angreifen.

    Und noch eins, was kann Wolbergs eigentlich dafür, dass der Freistaat Bayern seit Jahren nicht genügend Polizeikräfte bereitstellt?

  • Mathilde Vietze

    |

    Zu “ursum63” – B r a v o !!!

  • Mr. T

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    Gegen brutale Schläger, Drogendealer und Leuten, die Hilfskräfte wie Sanitäter und Notärzte angreifen, gibt es doch schon Gesetze. Das sind Straftaten, für die man in den Knast wandert. Da noch ein Betretungsverbot, dass eh keiner Überprüfung standhält, obendrauf ist irgendwie komisch.

  • Marion Puhle

    |

    @Ursum
    Und wie muss man gestrickt sein, wenn man Vorverteilungen zulässt, für die es keine rechtliche Grundlage gibt. Für Straftaten und andere Delikte ist immer noch die Justiz zuständig und nicht die Stadt. Wer sich darüber hinwegsetzt, achtet unsere Gewaltenteilung nicht.
    Und was kann der Herr OB Wolbergs dafür, dass der Freistaat Bayern nicht genügend Polizeikräfte einstellt?
    Es gibt so etwas wie den Bayerischen Städtetag, bei dem sich die Bürgermeister austauschen und sollten tatsächlich Polizeikräfte fehlen, könnte durchaus an die Bayerische Staatsregierung herangetreten werden. Wie wäre es z.B. mit einem offenen Brief der Bürgermeister an Ministerpräsident Horst Seehofer, in dem sie mehr Polizeikräfte fordern.
    Wolbergs und Schörnig entwickeln sich langsam zum Law and Order aller Manfred Kanter.
    Marion Puhle

  • Hans

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    Wie war das mit der Unschuldsvermutung?

    Ohne Verurteilung kann meiner Meinung nach maximal ein Platzverweis durch die Polizei ausgestellt werden. Nicht durch die Verwaltung, nicht andauernd, nicht unter Bußgeld (“Zwangsgeld”). Ich denke, das Grundgesetz wird solch totalitären Anwandlungen im Wege stehen.

    Habt ihr das gehört, SPD? Hast du das gelesen, Mathilde? Ich habe “totalitär” geschrieben! Genau so, nämlich totalitär und verfassungsfeindlich ordne ich diese Idee ein.

  • Lothgaßler

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    Das Betretungsverbot soll lt. Schörnig nur eine Drohung sein, und wird von Seiten der Stadt nicht kontrolliert und damit auch nicht durchgesetzt. Die Polizei wird das Betretungsverbot aktiv auch nicht kontrollieren (gegen welche fragwürdigen Listen soll sie das überprüfen?), warum auch. Juristisch ist das schon arg fragwürdig, denn die Stadt kann doch nur aufgrund einer polizeilich erfassten Straftat (selber macht sie das nicht) überhaupt einen eigenen Anhörungstermin ansetzen (woher und welche Informationen bekommt sie, wer spielt hier Richter?), und auf welchen Fakten (Hörensagen, Zeugen gg. Zeugen) soll dann ein Betretungsverbot (i. S. des Hausrechts) ausgesprochen werden? Das könnte doch nur auf Basis der polizeilichen Ermittlungen geschehen, und die gehören nicht vorab (die Stadt will vor dem Gericht über Straftaten urteilen) in die Hände der Stadt, wenn überhaupt. Für Straftaten gibts Gerichte, nach deren Urteil kann auch die Stadt tätig werden.
    Das hier konstruierte Betretungsverbot ist reine Symbolpolitik und beugt Recht, so bitte nicht!

  • Peter Kern

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    Erst kürzlich wurde mir erzählt, wie entsetzlich viele Menschen Nachts von umherstreunenden Banden zusammengeschlagen werden. Das dauert zehn Sekunden, der Schock wird Jahre anhalten. Da kann man nur noch raten, Nachts nicht mehr durch die Altstadt zu gehen.
    Die geplante Maßnahme ist ein Akt der politischen Hilflosigkeit, und nötig wird das alles durch politisches Versagen in Bund und Land seit Jahrzehnten.
    Das Geld geht an die Reichen, der Rest kann dahinvegetieren und wird mit einem ach so noblen Stadtpass beruhigt. Tausend fürs Prekariat, Millionen für die Reichen. Ich sag nur Triathlon, Jahn-Stadion, Konzernsubventionen, Steuerschlupflöcher.
    Daher rühren meiner Ansicht nach die aggressiven Auswüche junger Menschen, und hier ist die Politik gefordert. Aber weshalb sollte sie jetzt plötzlich nicht mehr versagen, wo sie es doch schon seit Jahrzehnten tut.

  • wahon

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    Das “Betretungsverbot” ist ein haarsträubend dummer Einfall: Die Beschränkung von Grundrechten – Freizügigkeit, Versammlungsfreiheit, Meinungsfreiheit etc. – steht nur den ordentlichen Gerichten zu und darf keinesfalls auf einem bloßen Verdacht beruhen. Versammlungsverbote und Vorbeugehaft sind deshalb ungesetzlich. Die Abschreckung von potentiellen Straftätern wird allein durch die Strafgesetze bewirkt. Abschreckung durch die Stadtverwaltung ist kompletter juristischer Unsinn, von der Unwirksamkeit eines nicht kontrollierten “Betretungsverbots” ganz zu schweigen.

  • Mathilde Vietze

    |

    Zu Peter Kern: Es ist eine Unverschämtheit, den sozial Schwächeren zu unterstellen,
    sie wären in erster Linie diejenigen, die in der Altstadt als Krawallbrüder und
    -schwestern unangenehm auffallen.
    Das von Wolbergs und Schörnig ausgehandelte Betretungverbot halte ich für
    einen Schritt in die richtige Richtung.

  • Rainer Werth

    |

    Reiner Aktionismus von Wolle?
    Über 76 % der Straßenkriminalität,
    65% der Gewaltkriminalität,
    78 der Diebstähle und
    68% der Rauschgiftkriminalität finden außerhalb der Innenstadt.
    Warum werden die Menschen dort nicht verstärkt geschützt?

  • Betretungsverbot: Schlechte Aussichten für die Kritiker » Regensburg Digital

    |

    […] Wie berichtet, will die Stadt ab September solche Betretungsverbote für Personen aussprechen, denen… Noch vor einer gerichtlichen Entscheidung will die Stadt im Zuge eines Verwaltungsaktes ein für ein Jahr gültiges Betretungsverbot verhängen. 150 Euro Bearbeitungsgebühr werden dafür von den Betroffenen erhoben. Bei Verstoß drohen Geldbußen, die bei 500 Euro beginnen und im Wiederholungsfall auf bis zu 3.000 Euro steigen sollen. […]

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