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Jahrespressekonferenz bei BMW Regensburg

„Dazu sagen wir nichts. Tut uns leid.“

Ein tolles Geschäftsjahr und auch sonst viele gute Nachrichten gab es bei der Jahrespressekonferenz von BMW Regensburg. Auch das unangenehme Thema Werkverträge wird angesprochen – ohne dass dazu irgendwelche Informationen mitgeteilt werden.
Positive Nachrichten und höfliches Schweigen: Werksleiter Andreas Wendt und Pressesprecherin Martina Grießhammer. Foto: as

Positive Nachrichten und höfliches Schweigen: Werksleiter Andreas Wendt und Pressesprecherin Martina Grießhammer. Foto: as

Es sind nur wenige Punkte, bei denen Dr. Andreas Wendt von seinem Skript abweicht. Etwa als er über den geplanten Werksausbau spricht und die Dimension der Werkshallen (225 Meter lang, 40 Meter breit und 25 Meter hoch) mit denen des Regensburger Doms (85 Meter lang, 35 Meter breit, 31,85 Meter hoch) vergleicht. Und selten wird einem so anschaulich erklärt, was unter dem zunächst einmal nur wohlklingendem Begriff „Prozessoptimierung“ zu verstehen ist und warum hier tatsächlich etwas verbessert wurde. Jahrespressekonferenz bei BMW Regensburg. Und Werksleiter Wendt schwelgt in Positivnachrichten. Das Wort „Zuversicht“ fällt – in diversen Variationen – gefühlte 50 Mal während seines knapp einstündigen Vortrags.

Das zweitbeste Jahr der Werksgeschichte

2012 war mit 300.307 produzierten Fahrzeugen das zweitbeste Geschäftsjahr in der 26jährigen Werksgeschichte. Rund 256 Millionen hat man in den Werksausbau investiert und in diesem Jahr will man diesen „Jahresinvest“ noch einmal um gut 50, 60 Millionen Euro erhöhen. 250 Fest- und insgesamt 600 Neuanstellungen soll es in diesem Jahr geben, darunter alle Azubis, die 2013 mit der Ausbildung fertig werden. Ein kleiner Werbefilm wird der Journalistenschar vorgeführt, diverse Auszeichnungen für Produkte und Werk reihen sich auf einem kleinen Tischchen und man philosophiert ein wenig über die Schönheit und Qualität aktueller und geplanter BMW-Modelle (zur Pressemitteilung von BMW Regensburg).

Werkverträge: Das ist doch alles nicht so schlimm

Selbst auf das unangenehme Thema „Werkverträge“ kommt Wendt von selbst zu sprechen. Und wieder weicht er dazu vom Skript ab. Da habe es ja Berichte gegeben, dass über solche Verträge Teile der Produktion und Qualitätssicherung an Fremdfirmen vergeben worden seien (bei denen die Beschäftigten für etwas mehr als die Hälfte des regulären BMW-Lohns im BMW-Werk arbeiten). Das sei aber gar nicht so, sagt Wendt und widerspricht damit einem ehemaligen Beschäftigten, über dessen Fall Regensburg Digital und zahlreiche andere Medien berichtet hatten. Es seien nur fehlerhafte Teile eines Zulieferers auf diese Weise kontrolliert worden. Dafür sei eine ganz andere Firma zuständig gewesen und damit habe BMW – kurz gesagt – eigentlich nichts zu tun. „Wir haben nur die Räume zur Verfügung gestellt.“ Und so schlimm sei das auch gar nicht, das mit den Werkverträgen. So wie „ein gewisser Anteil“ Zeitarbeit (die darüber bei BMW beschäftigten Arbeiter erhalten immerhin denselben Grundlohn wie Festangestellte) ein wichtiges Instrument sei, um die Flexibilität in der Produktion zu gewährleisten, brauche man Werkverträge als „Element der Weiterentwicklung“. Da sei BMW keine Ausnahme. Das sei in der Fahrzeugproduktion gang und gäbe.

Vieles sagen und nichts mitteilen

Man müsse eben prüfen, was extern vergeben werden könne (und damit erheblich billiger wird). Wendt spricht von Gebäudereinigung und Logistik, dezidiert nicht von irgendeinem Bereich, der auch nur am Rande mit der eigentlichen Produktion zu tun hat. Dann wendet er sich wieder den personellen Positivnachrichten zu. Am wichtigsten, so betont der Werksleiter, seien nämlich „die Menschen“, deren Kompetenz und Motivation. Ohne die ginge bei BMW nichts. Am Standort Regensburg und dem daran angeschlossenem Wackersdorf sind insgesamt 9.000 Menschen beschäftigt. Welche Rolle Zeitarbeit und Werkverträge dabei spielen, erfährt man trotz der langen Ausführungen Wendts nicht.
Endmontage im BMW-Werk Regensburg. Wo und in welchem Ausmaß spielen Werkverträge bei BMW eine Rolle? Foto: BMW Regensburg

Endmontage im BMW-Werk Regensburg. Wo und in welchem Ausmaß spielen Werkverträge bei BMW eine Rolle? Foto: BMW Regensburg

Im vergangenen Sommer trafen der Gesamtbetriebsrat von BMW und die Konzernleitung eine „Vereinbarung zur strategischen Flexibilisierung“. Einen möglichen Umsatzeinbruch von bis zu 30 Prozent will BMW damit abfedern können, ohne die Stammbelegschaft zu verkleinern. Schichten verringern, Bänder ruhen lassen, Arbeitszeitkonten abbauen, Kurzarbeit und schließlich – im schlimmsten Fall – die Entlassung sämtlicher Zeitarbeiter. So könnten die Arbeitsplätze der BMW-eigenen Beschäftigten bis 2017 gesichert werden, lautete die damit verbundene Botschaft. Doch wie viele Zeitarbeiter sind bei BMW beschäftigt? Wie viel und welche Arbeit wird über das „wichtige Element“ der Werkverträge erledigt? Und inwieweit hat sich die Bedeutung von Zeitarbeit und Werkverträgen geändert, seit man die „Vereinbarung zur strategischen Flexibilisierung“ getroffen hat? Die Antwort, die Andreas Wendt über seine Pressesprecherin geben lässt, könnte knapper kaum ausfallen. „Wir nennen keine Zahlen. Weder zu Werkverträgen, noch zu Zeitarbeit“, sagt Martina Grießhammer und lächelt. Das sei ja – angesichts des sich immer mal veränderten Produktionsvolumens – irgendwie „schwierig“, diese Zahlen festzustellen und, na ja, „dazu sagen wir nichts. Tut mir leid.“

Nicht mal die Arbeitsagentur weiß Bescheid

Derart im Ungewissen über das Ausmaß von Werkverträgen und damit verbundenem Lohndumping (nicht nur bei BMW) bleiben nicht nur die Medien. Auch die Betriebsräte in Unternehmen erhalten keine Auskunft darüber, ob und wie viele Beschäftigte in der Produktion dieselbe Arbeit machen wie ihre festangestellten Kollegen, dafür aber nur den für Zeitarbeit vorgeschriebenen Mindestlohn erhalten. Selbst die Arbeitsagenturen haben dazu keine Zahlen. Im Gegensatz etwa zum Nachbarland Österreich gilt für solche Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland keine Meldepflicht. Unter anderem wegen dieses Informationsdefizits bleibt auch der Druck der Gewerkschaft IG Metall mit Blick auf Werkverträge eher verhalten. Der bayerische IG Metall-Chef Jürgen Wechsler hat kürzlich bei einem Besuch in Regensburg erklärt, dass Werkverträge bei den diesjährigen Tarifverhandlungen voraussichtlich keine Rolle spielen werden.
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Kommentare (10)

  • Capital-Soziale-Union

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    “Wir haben nur die Räume zur Verfügung gestellt” und was dann in diesen zur Verfügung Dritter gestellten Räumen geschieht mit dem für BMW am wichtigsten, “den Menschen”, ja was geht uns das an, ja was können wir dafür?
    In welcher Epoche deutscher Geschichte sind an derem Ende auch solche Exkulpationen gepersilscheint worden …?
    Solche Redensweisen ausgerechnet am Ende des einschlägigen Gedenkmonats Januar, da hat er offenbar irgendwie nicht das richtige Gespür, der Herr Doktor.

    Selbstredend hat er recht, der Herr Doktor, um “die Menschen” geht es Herrn Doktors Arbeitgeber: die Menschen, die die BMWsche Aktienmehrheit im Depot haben, die Menschen, die diese Produktionsergebnisse (noch) kaufen können, und schließlich die Menschen, deren politische Schaffenskraft diesen arbeitsmarktrechtlichen Rahmen möglich machen/gemacht haben.
    Kein Wunder, daß die Pressesprecherin des Herrn Doktor wie ein Abziehbild der Damen Doctrix Mathilde Berghofer-Weichner(CSU) und/oder Barbara Stamm(CSU) ausschaut. Auch hier könnte man von einer konsequenten, weil erfolgreichen Modell-Linie sprechen.

  • erik

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    Mein Fazit steht fest. Zeitarbeiter und Werkvertragstätige, die Baumwollpflücker des 21 Jahrhunderts auf dem Europäischen Kontinent. Natürlich werden einige von Ihnen in eine Festanstellung übernonnen, aber wenn eine Festanstellung das Ziel wäre, dann hätte man die Instrumente der Zeitarbeit und Werkverträge nicht ausbauen müssen und die Menschen mit der Agenda 2010 bzw. Hartz-Refomen in diese Beschäftigungsform zwingen und erpressen müssen. Die Menschen sollen und müssen durch die Aussicht auf eine reguläre Stelle bei der Stange gehalten werden. Ein Seehund macht sich ja auch wegen der Aussicht auf einen Häring zum Deppen für die Zuschauer. Das unternehmerische Risiko ist auf Teile der Beschäftigten, den Zeitarbeitern und Werksvertragstätigen abgewälzt worden. Ein Arbeitnehmerheer in der Beschäftigungsgruppe der 4.Klasse, von der Politik und Industrie gewollt, ist erschaffen worden, die beliebig angeheuert und gefeuert werden kann. Auf der einen Seite Gutsherren und Gutsdamen auf der anderen Seite Mägde und Knechte, das ist es was die Politik auf Wunsch von Industrie- und Wirtschaftsverbänden, Standesdünkel und Hilfe von Gewerkschaftsvertretern in diesem Land mit den Hartz-Reformen bzw. der Agenda 2010 geplant und erreicht hat!

  • Was ist eigentlich Zeitarbeit

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    […] „Dazu sagen wir nichts. Tut uns leid.“ Auch die Betriebsräte in Unternehmen erhalten keine Auskunft darüber, ob und wie viele Beschäftigte in der Produktion dieselbe Arbeit machen wie ihre festangestellten Kollegen, dafür aber nur den für Zeitarbeit vorgeschriebenen Mindestlohn erhalten. Read more on regensburg-digital.de […]

  • frage

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    @ erik, sie sollten mal ein bisschen was über wirtschaft lernen statt immer den gleichen mist von sich zu geben. sie haben keine ahnung und mit dem wirren zeug werden sie nicht aus ihrem tief rauskommen. bilden sie sich fort, dann klappt das auch mit einem geregelten einkommen.

  • erik

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    @frage – wieso werden sie persönlich, fühlen sie sich ertappt?!

  • Zeit und Arbeit

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    […] „Dazu sagen wir nichts. Tut uns leid.“ 2012 war mit 300.307 produzierten Fahrzeugen das zweitbeste Geschäftsjahr in der 26jährigen Werksgeschichte. Rund 256 Millionen hat man in den Werksausbau investiert und in diesem … Auch die Betriebsräte in Unternehmen erhalten keine Auskunft darüber … Read more on regensburg-digital.de […]

  • Captain Chaos

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    @frage:
    Ich muss erik zustimmen. Die Gesetzgebung der letzten 25 Jahre zeigt dieses Bild auf. Es ist eine neue Arbeiterschaft entstanden, welche von ihrem Lohn nicht leben kann.
    Der Wirtschaft steht ein riesiges Heer an Zeitarbeitern zur Verfügung. Dies kann beliebig angestellt und entlassen werden, wenn die Verträge mit der Zeitarbeitsfirma und dem Betrieb befristet sind.
    Die Betriebe sparen sehr viel an (Rente), da dies die Zeitarbeitsfirma zu zahlen hat. Diese bezahlt die Beiträge aus dem ausgehandelten Lohn. Als nichts mit Gleichheit. Da kommt noch eine große Welle an Altersarmut auf die Gesellschaft zu. Nur wegen ein bisschen mehr Profit.

    Während meines Studiums habe ich selber diese Arbeiten verrichtet. Sie sind entwürdigend. Auf dem Arbeitnehmer in einer Zeitarbeitsfirma nimmt man nicht Rücksicht. Da stehen noch zwanzig andere vor der Türe, die deinen Job haben wollen.
    Der Effekt bei der Stammbelegschaft ist, dass diese sich zum einen für etwas Besseres hält. Dies spürt man auch als Zeitarbeiter. Aber auch die Bindung an die Firma, welche dem Stammmitarbeiter ja eine Festanstellung gegeben hat, wird fester.

    Schönes neues 21. Jahrhundert.

    Captain Chaos

  • frage

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    @erik

    nein, ich bin nur ehrlich.

    @Captain Chaos

    nein, nicht die gesetzgebung ist dafür verantwortlich, sondern die sich stetig weiterentwickelnde gesellschaft. je nachdem wie man die aufgabe angeht kann es nämlich durchaus auch eine chance darstellen (die von leuten die das erkennen auch oft genutzt wird). sie sind doch das beste beispiel dafür: während des studiums auf diese weise geld verdient (mit sozialanspruch statt geringverdienerbasis). sie haben die möglichkeit für grössere ziele genutzt. alle achtung!

  • MHH

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    @frage: sie sind nicht ehrlich sondern überheblich!
    Sie verneinen offenbar einen Zusammenhang zwischen Gesetzgebung und gesellschaftlicher Entwicklung. Sehr erstaunlich! Spricht für höchste Qualifikation, sich darüber auszubreiten, um es in ihrer Art darzustellen!

  • frage

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    @mhh

    ist ihre meinung und akzeptiere ich. ich für meinen teil muss die welt so akzeptieren wie sie ist und mache das beste daraus. hab ich meinen mist geregelt, kümmere ich mich ums weltverbessern. aber jammern und meine wünsche verbreiten (und dann wiederum jammern weil sie keiner erfüllt) mache ich nicht.

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drin