14 Mrz2008
Ein „Kanake” mischt auf

Im interaktiven Teil aber zeigte der Redebeitrag eines Schülers, der zu Serdar Somuncu ans Mikro stürzte und meine: „Ein Türke, der Hilters Mein Kampf liest, das nenne ich echte Integration!“, dass Denken manchmal hilft. Verstanden? Nicht dumm der Junge! Gut – man muss wissen, dass Serdar Somuncu nach diversen Rollen an Theatern und in Film und Fernsehen (und nach seiner „Nationalitätsumwandlung“ zum Deutschen) von den Produzenten immer nur Rollen als Zuhälter, Verchecker oder Autohändler angeboten wurden. Er wollte Shakespeare und Kafka spielen (hat er ja auch) und dann kam die gloriose Idee: Eine Lesetour mit Texten aus Hitlers Mein Kampf, vorgetragen von einem Türken. Die Reihe war – im wahrsten Sinn des Wortes – ein Bombenerfolg. Fast überall, wo Serdar Somuncu mit den unsäglichen Hitler-Texten („die Eier des Columbus“, O-Ton Hitler!) auftrat, gab es Mord- und Bombendrohungen. „Am langweiligsten waren diese Lesungen für die Nazis. Gelesen hatten sie Mein Kampf nie, denn dazu muss man ja lesen können und verstehen. Und beides können die Nazis nicht!“. Auch Pseudotürken wie Kaya Yanar, die Türken-Klischees bedienen, oder Django Asyl – „Der spricht kein Wort Türkisch! Der spricht aber auch kein Wort Deutsch!“) bekamen ihr Fett weg. Einige Gags mit Bart, wie die Kopftuch- und String-Pointe und das unvermeidliche Ausschlachten des Falls Eva-Braun-Herman-Göring-Blondi, mussten halt sein, einem TV-Publikum ist man das schließlich schuldig. Unverwüstlich bleibt, und Serdar Somuncu kann es noch so oft wiederholen wie er will, seine These, „Wir Türken sind die Ersatzjuden“. Mit derartigen (vermeintlichen) Verbal-Sottisen, pointiert serviert, zeigt sich Serdar Somuncu als intelligenter Entertainer mit Sendung. Der unmittelbaren Bühnenpräsenz des begnadeten Lästermauls, das musikalisch gebildet, pointiert seine Spitzen gegen Faschos, Mitläufer und Spießer abschießt, kann man sich nicht entziehen. Eine grandiose Show zu der – im wahrsten Sinn des Wortes – ausgezeichneten Idee „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“! Mit seiner aktuellen Performance „Bild lesen“ (die Ergüsse der Springer-Presse lassen sich gleichermaßen wirksam und entlarvend kabarettistisch ausschlachten wie Nazi-Prosa) ist Serdar Somuncu noch bis Jahresende auf Tour, 2009 kommt das Spektakel „Hassprediger – Ein demagogischer Blindtest“, Ausschnitte aus berühmten Reden der Weltgeschichte von Osama Bin Laden bis Roland Koch, auf Tournee. Presse- und Fernsehanfragen können zurzeit bis auf weiteres nicht angenommen werden. Kanake, wann kannst du wiederkommen? Solche wie dich brauchen wir!Mehr zum Thema „Kanake“
Roland Hornung
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Grossartig der Artikel, danke,Peter Lang !
GROSSARTIG aber auch, wie immer, Serdar Somuncu,den ich auch schon live erleben durfte, einfach s u p e r !
Noch eine Bemerkung zum ” rechten LiedGUT ” –
ich finde diesen Ausdruck nicht nur “rätselhaft
und bedauerlich”, nein, noch viel schlimmer,
widerlich und dumm; denn er verniedlicht ja
geradezu das, was er anprangern soll!
Euer Roland Hornung